IT- und Medienrecht

Wiedereinsetzung bei fehlendem Eintrag in Fristenkalender

Aktenzeichen  7 O 24887/14

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2016, 133901
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91, § 233 S. 1, § 234 Abs. 1 S. 1, § 339, § 709
UrhG § 15 Abs. 2

 

Leitsatz

Der Umstand, dass der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und an das Gericht zurückgesandt hat, ohne dass die Frist auch im Fristenkalender vermerkt wurde, reicht alleine nicht aus, um ein Organisationsverschulden des Rechtsanwaltes zu begründen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Versäumnisurteil vom 15.09.2015 wird aufrecht erhalten.
II. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur fortgesetzt werden, wenn diese Sicherheit geleistet ist.
IV. Der Streitwert wird auf 25.215,30 Euro festgesetzt.

Gründe

A. Das Versäumnisurteil vom 15.09.2015 ist aufrecht zu erhalten. Der Klägerin stehen über die bereits erhaltene Zahlung in Höhe von 1.265,70 Euro keine weiteren Ansprüche zu.
I. Dem Kläger war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
1. Nach § 233 S. 1 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten. Die Fristenkontrolle ist im Rahmen von § 233 ZPO die wichtigste Pflicht, insbesondere von Rechtsanwälten. Verschuldet ist dabei insbesondere das Übersehen oder Vergessen eines Termins. Nur wenn ein solcher Fehler allein auf das Verhalten Dritter, etwa des Büropersonals zurückzuführen ist, kommt eine Wiedereinsetzung in Betracht (Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 37. Aufl. 2016, § 233, Rn. 15 m.w.N.).
a) Hier liegt jedenfalls ein Verschulden der Rechtsanwaltsfachangestellten des Klägervertreters vor, die die Einspruchsfrist aus § 339 ZPO zwar auf dem Versäumnisurteil, nicht aber im Fristenkalender notiert hat.
b) Für dieses Verschulden kann sich der Klägervertreter vorliegend aber exkulpieren. Der Rechtsanwalt muss durch eine entsprechende Organisation seines Büros dafür sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden (BGH NJW 2011, 1598, Rn. 12). Insoweit kann dem Klägervertreter vorliegend ein eigenes Organisationsverschulden nicht nachgewiesen werden.
aa) Der Klägervertreter hat eidesstattlich erklärt, dass die Fristenüberwachung an sorgfältig ausgewählte und erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte delegiert wird, deren Arbeitsweise in unregelmäßigen Abständen stichprobenartig überprüft wird.
bb) Der Klägervertreter hatte vorliegend auch keine Veranlassung die mit der konkreten Fristberechnung betraute Rechtsanwaltsfachangestellte, die zum fraglichen Zeitpunkt seit über einem Jahr in der Kanzlei des Klägervertreters gearbeitet hat, ausnahmsweise einer besonderen Überwachung zu unterziehen. Insbesondere hatte die Rechtsanwaltsfachangestellte die Notierung der Frist im Fristenkalender mittels ihrer Initialen auf dem Versäumnisurteil entsprechend der eidesstattlich versicherten Kanzleiabläufe des Klägervertreters bestätigt, sodass der Klägervertreter keine Veranlassung hatte, davon auszugehen, dass die Frist tatsächlich nicht in den Fristenkalender übertragen worden sein könnte.
cc) Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass ein ordnungsgemäß geführter Fristenkalender dahingehend zu führen ist, dass sich Rechtsmittelfristen gegenüber gewöhnlichen Fristen optisch abheben und ggfs. Vorfristen notiert werden müssen. Hier liegt der Fehler auf Seiten des Klägervertreters aber gerade im gänzlichen Fehlen eines Eintrags im Fristenkalender. Dem Klägervertreter kann nicht die fehlende Notiz einer Vorfrist zu einer ihrerseits nicht eingetragenen Frist vorgeworfen werden. Insoweit fehlt es dem von der Beklagten vorgeworfenen Verhalten am Kausalzusammenhang.
dd) Schließlich reicht auch der Umstand, dass der Klägervertreter vorliegend das Empfangsbekenntnis betreffend das Versäumnisurteil vom 15.09.2015 unterzeichnet und an das Gericht zurückgesandt hat, ohne dass die Frist auch im Fristenkalender vermerkt wurde, nicht aus, um ein Organisationsverschulden des Klägervertreters zu begründen. Zwar ist es richtig, dass die Rücksendung des unterzeichneten Empfangsbekenntnisses erst erfolgen darf, wenn die Eintragung einer Rechtsmittelfrist auch im Fristenkalender sichergestellt ist (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 37. Aufl. 2016, § 233, Rn. 44 m.w.N.). Auch insoweit durfte sich der Klägervertreter aber auf eine gewissenhafte Ausführung durch die Rechtsanwaltsfachangestellte verlassen, ohne mit einer erstmaligen Eigenmächtigkeit seines Büropersonals rechnen zu müssen (vgl. BGH NJW 2001, 1578).
ee) Damit trifft den Klägervertreter mit Blick auf das Versäumen der Einspruchsfrist aus § 339 ZPO im vorliegenden Fall kein Organisationsverschulden.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht verfristet. Die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO beginnt nach Abs. 2 mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Unabhängig ob man insoweit wie zwischenzeitlich von beiden Parteien vorgetragen auf den 09.12.2015 oder auf den 16.12.2015 abstellt, war der am 23.12.2015 bei Gericht eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit fristgemäß.
II. Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 15.09.2015 war damit in der Sache zu prüfen.
1. Die Beklagte hat das streitgegenständliche Lichtbild im Rahmen des Internetauftritts … öffentlich zugänglich gemacht.
Der Vortrag der Beklagtenseite, dass das streitgegenständliche Lichtbild nicht auf der streitgegenständlichen Internetseite bereit gestellt wurde, sondern lediglich verlinkt wurde, wurde nicht hinreichend konkret vorgetragen. Insbesondere ergibt sich aus der von der Beklagtenseite vorgelegten Anlagen B1, dass das streitgegenständliche Lichtbild auf einer Internetseite mit einer URL der Beklagten vorgehalten wurde. Dass darüber hinaus noch ein Link zu der Seite … enthalten war, widerspricht dem nicht.
Die von der Beklagten unter Verweis auf den EuGH geäußerte Rechtsansicht, es liege wegen eines bloßen Verlinkens schon keine öffentliche Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 UrhG vor, bleibt damit außer Betracht.
2. Der Umstand, dass das Foto nicht lediglich verlinkt wurde, rechtfertigt aber keine Ansprüche der Klägerin, die über die Höhe der bereits gezahlten 1.265,70 Euro hinausgehen.
a) Die Schadensberechnung erfolgt nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie, hinsichtlich deren Höhe zu fragen ist, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommene Benutzungshandlung vereinbart hätten (BGH GRUR 2009, 407, Rn. 22).
b) Insoweit war zu sehen, dass die streitgegenständlichen Lichtbilder zwar von hoher technischer Qualität sind und die dargestellte Person für eine breite Öffentlichkeit durchaus von Interesse ist. Von besonderer Bedeutung ist aber der unstreitige Vortrag der Beklagtenpartei, dass das streitgegenständliche Lichtbild zum Zeitpunkt der Nutzung durch die Beklagte bereits weltweit auf diversen Internetseiten verfügbar war. Das Lichtbild hatte mithin zu dem streitgegenständlichen Zeitpunkt keinen exklusiven Charakter mehr. Deshalb ist davon auszugehen, dass der von der Klagepartei geforderte Betrag in Höhe von ursprünglich 25.000 Euro als Schadensersatz nach Lizenzanalogie deutlich übersetzt ist.
In diesem Zusammenhang hat der Klägervertreter selber in der mündlichen Verhandlung geäußert, dass ein solchermaßen bekanntes Bild wesentlich schwieriger zu verwerten sei.
Auf Grund dieser Konstellation können die MFM-Richtlinien keine Anwendung finden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, was vernünftige Parteien in Anbetracht der konkreten angestrebten Nutzungsart vereinbart hätten. Vorliegend sind die maßgeblichen Faktoren die Nutzung auf einer Unterseite des Burda Verlages, auf dem nach unwidersprochenen Angaben der Beklagtenpartei, nur wenige Zugriffe erfolgen. Zudem ist die kurze Nutzungsdauer zu sehen.
Unter Abwägung aller Gesichtspunkte erscheint ein Schadensersatz in Höhe von 300 Euro für die Nutzung des Bildes als angemessen. Dieser Betrag ist wegen der unterlassenen Benennung der Klagepartei als Fotografin um 100 % zu erhöhen, so dass insgesamt ein Schadensersatzbetrag von 600 Euro angemessen ist.
3. Die Beklagtenpartei hat die Kosten der vorgerichtlichen Vertretung der Klagepartei zu tragen. Allerdings nicht berechnet aus einem Streitwert von 45.000 Euro. Angemessen ist vielmehr ein Streitwert in Höhe von 8.000 Euro. Dies macht – bei Ansatz einer 1,3 Gebühr – einen Betrag in Höhe von 592,80 Euro zzg. einer Unkostenpauschale in Höhe von 20 Euro.
Da der von der Klagepartei angesetzte Streitwert von 45.000 Euro unrealistisch ist, war eine neue Berechnung vorzunehmen. Dieser sind übliche Rechtsanwaltsgebühren zu Grunde zu legen, so dass auch nur eine 1,3 Gebühr anzusetzen war. Die von der Klagepartei angesetzte 1,5 Gebühr mag noch im Rahmen des Ermessens liegen. Bei einer Neuberechnung ist das Gericht aber nicht an die Auswahl dieses Wertes gebunden.
4. Insgesamt liegt der Zahlungsanspruch unter dem bereits gezahlten Betrag, so dass die Klage abzuweisen war. Eine Widerklage auf Rückzahlung wurde nicht erhoben.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.


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