IT- und Medienrecht

Wirksamkeit einer Namensangleichungserklärung, Wahl eines zusätzlichen Vornamens

Aktenzeichen  6 W 19/21

Datum:
28.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1090
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 47 Abs. 1 Nr. 5
PStG § 49 Abs. 2
PStG § 51 Abs. 1
FamFG § 58 Abs. 1
FamFG § 81 Abs. 1

 

Leitsatz

Nach einem Statutenwechsel zum deutschen Recht kann die eingebürgerte Person gemäß Art. 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EGBGB einen zusätzlichen Vornamen annehmen, wenn sich ihr unter der Geltung des Herkunftsstatuts erworbener Vorname (hier: Hassan) nicht eindeutschen lässt.

Verfahrensgang

5 UR III 21/21 2021-12-14 Bes AGSCHWEINFURT AG Schweinfurt

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts … vom 14.12.2021, Az. …, abgeändert:
Die Beteiligte zu 2) wird angewiesen, die Angleichungserklärung des Antragstellers, wonach er künftig die Namen „Leon Hassan“ zu seinen Vornamen wählt, entgegenzunehmen.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der am … in … geborene Antragsteller war ägyptischer Staatsangehöriger. Mit Urkunde der Regierung von X. vom 10.12.1973 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 20.08.2021 hat der Antragsteller eine Angleichungserklärung abgegeben, wonach er einen zusätzlichen Vornamen annehmen und künftig die Vornamen „Leon“ und „Hassan“ führen wolle. Sein arabischer Vorname habe in vielen Fällen zu negativen Erlebnissen und Nachteilen im privaten und beruflichen Bereich geführt.
Das Standesamt … hat das Amtsgericht … gemäß § 49 Abs. 2 PStG um Mitteilung gebeten, ob die gewünschte Namensänderung in das Geburtenregister eingetragen werden kann. Es hat angeregt, die beantragte Namensänderung abzulehnen. Es sei bereits unklar, ob es sich bei dem Namen „Hassan“ nicht um einen deutschen Vornamen handele. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, bestünden Zweifel am Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Änderung.
Das Amtsgericht … hat gemäß Beschluss vom 14.12.2021 das Standesamt angewiesen, die Namensänderungserklärung des Betroffenen nicht entgegenzunehmen. Dabei könne offenbleiben, ob eine deutsche Form des Vornamens „Hassan“ existiere. Die in Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB vorgesehene Möglichkeit, einen neuen Vornamen anzunehmen, wenn eine deutsche Form des bisher geführten Vornamens nicht existiert, beinhalte jedenfalls nicht die Möglichkeit, einen zusätzlichen Vornamen anzunehmen. Hätte der Gesetzgeber diese Möglichkeit eröffnen wollen, wäre dies durch die Verwendung des Wortes „zusätzlich“ ohne weiteres möglich gewesen.
Gegen diesen ihm am 18.12.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 21.12.2021, eingegangen bei Gericht am 22.12.2021, Beschwerde eingelegt. Er rügt, das Amtsgericht habe die Intention des Gesetzgebers, eine Integration des Namensinhabers zu fördern, zu wenig berücksichtigt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Der Antragsteller hat gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB das Recht, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den weiteren Vornamen „Leon“ anzunehmen.
1. Der Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 1 EGBGB ist eröffnet. Der Antragsteller hat seinen Vornamen nach ausländischem Recht erworben, hiervon geht auch die Beteiligte zu 2) aus. Aufgrund der Einbürgerung richtet sich sein Name nunmehr nach deutschem Recht. Es hat ein Statutenwechsel stattgefunden.
2. Unerheblich ist, dass der Antragsteller nach seiner Einbürgerung über viele Jahre hinweg den bisherigen Vornamen ohne eine Namensangleichung weitergeführt hat. Der Gesetzgeber hat mit Art. 47 EGBGB eine Regelung geschaffen, die Ausnahmen vom Grundsatz der Namenskontinuität zulässt. Er hat dabei das Recht zur Abgabe einer Namensangleichung nicht an die Wahrung einer Frist gebunden. Für eine einschränkende Auslegung gibt es keinen Anlass, weil ein Anpassungsbedarf auch noch lange Zeit nach der Einbürgerung entstehen kann, etwa im Falle einer beabsichtigten Eheschließung (OLG Hamm, Beschluss vom 20.03.2014, 15 W 163/13, Rn. 18; Grüneberg/Thorn, BGB, 81. Aufl., Art. 47 EGBGB, Rn. 5).
3. Der Antragsteller hat das Recht, gemäß Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB einen zusätzlichen Vornamen anzunehmen.
a) Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB ermöglicht die Eindeutschung eines ausländischen Vor- oder Familiennamens. Der Name „Hassan“ ist nach allgemeiner Auffassung ein arabischer Name. Er wird im Arabischen über Generationen hinweg als Vorname verwendet. Als deutscher Name ist er – jedenfalls bisher – nicht gebräuchlich. Der von den Beteiligten zu 2) angeführte Umstand, dass der Name auch bei Geburten in Deutschland vergeben wird, steht dem nicht entgegen. Denn dies allein belegt nicht, dass er auch von Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit in einem Umfang gewählt wird, welcher eine gegenteilige Auffassung entscheidungserheblich zu begründen vermag.
b) Eine deutschsprachige Form des Namens „Hassan“ existiert nicht. Eine solche wird auch von der Beteiligten zu 2) nicht genannt. Ein Eindeutschen des Vornamens nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HS. 1 EGBGB scheidet somit aus.
c) Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HS. 2 EGBGB kann eine Person, für deren Vornamen eine deutschsprachige Form nicht existiert, „neue Vornamen annehmen“.
Ob dies auch das Recht einschließt, einen zusätzlichen Vornamen zu wählen und den bisherigen Vornamen beizubehalten, ist umstritten. Dies wird teilweise mit dem Argument abgelehnt, dass den von Art. 47 EGBGB erfassten Personen dann mehr Rechte zur Verfügung stünden, als anderen deutschen Staatsangehörigen, und damit das von Art. 47 EGBGB bezweckte Ziel einer Angleichungsmöglichkeit überschritten würde (Hochwald, StAZ 2010, 335 = Blatt 13 d.A.; ebenso Mankowski in: Staudinger, BGB, 2013, Art. 47 EGBGB, Rn. 79; ders. in NK-BGB, 4. Aufl., Art. 47 EGBGB, Rn. 35). Die mittlerweile vorherrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bejaht demgegenüber ein entsprechendes Recht (AG München, Beschluss vom 08.08.2016 – 721 UR III 206/16, Rn. 13ff.; AG Marburg, Beschluss vom 08.02.2010 – 60 III 23/09, Rn. 2; Kroll-Ludwigs in: BeckOGK EGBGB, Stand 01.09.2021, Art. 47, Rn. 48; Janal in: juris-PK EGBGB, 9. Aufl., 2020, Art. 47, Rn. 9; Grüneberg-Thorn, a.a.O., Rn. 6 a.E.; Lipp in: MüKo-EGBGB, Art. 47, Rn. 64; Mäsch in: BeckOK EGBGB, Stand 01.11.2021, Art. 47, Rn. 18).
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
Der Wortlaut des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB schließt die Annahme eines zusätzlichen Vornamens nicht aus. Er lässt beide Interpretationen zu. Eine restriktive Auslegung käme daher grundsätzlich nur in Betracht, wenn sie den Intentionen des Gesetzgebers entspräche und nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes geboten wäre. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.
Art. 47 EGBGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers für alle Fälle, in denen deutsches Namensrecht gilt, der Name aber nach einem anwendbaren ausländischen Recht erworben worden ist oder auf diesem beruhte, die Möglichkeit eröffnen, eine für das deutsche Namensrecht passende Namensform zu wählen; Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB soll es Betroffenen ermöglichen, ihren Namen „einzudeutschen“ (BT-Drucks. 16/1831, S. 79). Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Einführung der Norm war demnach das Bestreben, die Integration des Namensträgers zu erleichtern. Vor diesem Hintergrund ist eine einschränkende Auslegung der Vorschrift nicht angezeigt. Es ist naheliegend, dass durch die Wahl eines neuen Vornamens die Integration erleichtert werden kann. Zwar trifft es zu, dass die Vorschrift bei dieser Auslegung eine sonst im deutschen Namensrecht nicht gegebene Gestaltungsmöglichkeit eröffnet, sieht man von § 1 TSG ab. Andererseits kann aber nicht unterstellt werden, dass dies vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Denn gerade die Beibehaltung des bisherigen Vornamens ermöglicht es, die bereits entstandene Identität der Person zu wahren. Dem Grundsatz der Namenskontinuität wird so im Ergebnis mehr Rechnung getragen als bei einem bloßen Ersetzen des bisherigen Vornamens durch einen neuen Vornamen. Den vermeintlich widerstreitenden Interessen – Förderung der Integration einerseits und Wahrung der Namenskontinuität andererseits – wird somit gerade bei nicht restriktiver Auslegung größtmögliche Geltung verschafft (ebenso AG München, a.a.O., Rn. 18; Janal, a.a.O., Rn. 9).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 1 Satz 2 PStG. § 81 Abs. 1 FamFG. Standesamt und Standesamtsaufsicht sind kraft Gesetzes von der Tragung von Gerichtskosten befreit. Eine Auferlegung von Gerichtskosten auf den obsiegenden Beschwerdeführer wäre nicht angemessen. Angesichts des Umstands, dass die Beteiligte zu 2) im öffentlichen Interesse tätig geworden ist und ein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG nicht vorliegt, hat jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen (vgl. Weber in BeckOK FamFG, Stand 01.01.2022, § 81, Rn. 11).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.

Verwandte Themen: , , , ,

Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben