Aktenzeichen 11 O 4991/18
Leitsatz
1 Soweit die Sperrung des Antragstellers bzw. die Löschung eines von ihm geposteten Beitrages ein “schädigendes Ereignis” iSv Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellt, tritt dieses primär an ihrem Wohnsitz ein. Denn dort kommt es zur Kollision der widerstreitenden Interessen des Antragstellers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (im Anschluss an OLG München NJW 2018, 3119 Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruch, der die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Gegenstand hat, die Löschung geposteter Beiträge zu unterlassen, soweit dem Antragsteller nicht mitgeteilt wird, welcher konkrete Beitrag/Inhalt gelöscht wurde, und ihm der Anlass der Löschung nicht genannt wird, setzt den Vortrag des Antragstellers voraus, welcher Inhalt durch die Antragsgegnerin gelöscht worden sei. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.12.2018 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller trägt vor, dass er am 19.11.2018 von der Antragsgegnerin die folgende Mitteilung erhalten habe:
„Eine von dir gepostete Rezension wurde entfernt. Bewertungen und Rezensionen müssen sich an die Fac…-Gemeinschaftsstandards halten, sich primär auf die Produkte oder Dienstleistungen beziehen, die auf der Seite angeboten werden, und auf persönlichen Erfahrungen basieren. Rezensionen, die nicht diesen Richtlinien entsprechen, werden möglicherweise entfernt. Das Fac… Team“.
Es sei für den Antragsteller weder erkennbar, welcher Beitrag von der Antragsgegnerin gelöscht worden sei, noch, aus welchem konkreten Anlass die Löschung erfolgt sei. Dem Antragsteller werde die Möglichkeit genommen, den Eingriff in seine vertraglichen Rechte zu prüfen und anwaltliche oder gerichtliche Schritte einzuleiten oder dies zu unterlassen, obwohl der Antragsteller wegen der Entscheidung BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 – Az.: 1 BvR 3080/09 = NJW 2018, 1667 in seiner Meinungsfreiheit geschützt sei.
Der Antragsteller beantragt,
Im Wege der einstweiligen Verfügung – Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, vom Antragsteller auf dessen Account bei der Antragsgegnerin gepostete Beiträge/Inhalte zu löschen, ohne ihm mitzuteilen, welcher konkrete Beitrag/Inhalt gelöscht wurde, und ohne ihm den Anlass der Löschung (z.B. Verstoß gegen einen konkret zu benennenden Punkt der „Gemeinschaftsstandards“ oder sonstiger Regeln oder Vorschriften zu nennen.
II.
A. Der unzulässige Antrag ist überdies unbegründet.
I. Der Antrag ist unzulässig.
1. Das Landgericht München II ist zwar international bzw. örtlich sowie sachlich zuständig.
Maßgeblich für die internationale Zuständigkeit ist die VO (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat.
Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt. In beiden Fällen wäre das LG München II als Hauptsachegericht i. S. d. §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO örtlich und damit auch international zuständig.
Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin i.S.v. Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO auf Bereitstellung von Diensten wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Antragstellers in Ebersberg zu erfüllen.
Falls die Sperrung des Antragstellers bzw. die Löschung eines von ihm geposteten Beitrags ein „schädigendes Ereignis“ i.S.v. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO darstellen sollte, träte dieses primär an seinem Wohnsitz ein.
Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen des Antragstellers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer Gemeinschaftsstandards (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.09.2018 – Az.: 18 W 1383/18 = NJW 2018, 3119; OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 – Az.: 18 W 1294/18 = NJW 2018, 3115 Tz. 8 – 10).
2. Indem das antragstellerische Vorbringen dahin geht, behaupten zu wollen, dass es der Antragsgegnerin allgemein zu verbieten sei, überhaupt Löschungen bzw. Löschungsmitteilungen ohne Benennung eines konkreten Löschungsgrundes vorzunehmen, handelt es sich der Sache nach um ein Feststellungsbegehren, welches im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unstatthaft ist (vgl. VGH München, Beschluss vom 18.12.2017 – Az.: 19 CE 17.1541 = BeckRS 2017, 139195).
II. Der Antrag ist auch unbegründet.
1. Der Antragsteller hat schon keinen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht, §§ 936, 920 Abs. 2, 916, 294 ZPO.
Ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers aus dem in glaubhafter Weise bestehenden Vertrag zwischen den Parteien, durch welchen sich die Antragsgegnerin verpflichtete, dem Antragsteller die Nutzung der durch die Antragsgegnerin angebotenen Dienste zu ermöglichen, i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 – Az.: 18 W 1294/18 = NJW 2018, 3115, 3116 Tz. 13), oder ein solcher Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 – Az.: 18 W 1294/18 = NJW 2018, 3115, 3118 Tz. 45) setzt jeweils nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die durch die Antragsgegnerin am 19.11.2018 mitgeteilte Löschung von durch den Antragsteller auf Fac…eingestellten Inhalten rechtswidrig war.
Der Antragsteller hat aber selbst bei Unterstellung einer sekundären diesbezüglichen Darlegungslast der Antragsgegnerin nicht ansatzweise vorgetragen, welcher Inhalt durch die Antragsgegnerin überhaupt gelöscht worden sei. Die Möglichkeit einer Beurteilung einer etwaigen Rechtswidrigkeit der Löschung durch die Antragsgegnerin und des Weiteren der Prüfung einer etwaigen Wiederholungsgefahr i. S. d. §§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 259 ZPO ist damit von vornherein ausgeschlossen (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 – Az.: 18 W 1294/18 = NJW 2018, 3115, 3118 Tz. 45).
2. Der Antragsteller hat des Weiteren auch keinen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht, §§ 936, 920 Abs. 2, 916, 294 ZPO.
Das antragstellerische Vorbringen entbehrt jegliche Behauptung zu einer Dringlichkeit.
Eine Beurteilung einer Dringlichkeit wäre wiederum nur möglich, wenn der Antragsteller mitteilte, welcher durch ihn bei der Antragsgegnerin eingestellte Inhalt überhaupt gelöscht worden sei.
Daher kann dahingestellt bleiben, ob wegen des bald einmonatigen Zuwartens des Antragstellers seit der Löschungsmitteilung vom 19.11.2018 bis zu der Antragstellung vom 17.12.2018 um 20:13 Uhr von einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen sei.
3. Ob des Weiteren der Antrag in unzulässiger Weise die Hauptsache vorwegnähme, kann daher ebenfalls dahingestellt bleiben.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
C. Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO, wobei der antragstellerischen Streitwertangabe mangels entgegenstehender Anhaltspunkte zu folgen war.