IT- und Medienrecht

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für Auskunftsanspruch

Aktenzeichen  B 9 K 18.1014

Datum:
28.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41855
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 40, § 188
DSGVO Art. 15

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.
a) Einer Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) wie von Klägerseite beantragt bedurfte es nicht. Die Feststellung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges vorab steht nach § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Eine entsprechende Entscheidung ist nur dann zwingend zu treffen, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt hat, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG. Dies ist aber hier nicht der Fall, der Kläger hat die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges stets bejaht, der Beklagte hat sich zu dieser Frage nicht geäußert. Sinn der Vorabentscheidung ist es, die Rechtswegfrage in einem möglichst frühen Zeitpunkt einer abschließenden Klärung zuzuführen. Sie ist angebracht, wenn Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtswegs bestehen, insbesondere wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. Ehlers in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 34. EL Mai 2018, § 17a GVG, Rn. 23). Zu berücksichtigen ist aber auch, dass ein Absehen von einer Vorabentscheidung keine anerkennenswerten Belange der Prozessparteien beeinträchtigt, da sie die Zulässigkeit rügen und damit die Pflicht des Gerichts zur Vorabentscheidung entstehen lassen können, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG (Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 17a, Rn. 28). Vor diesem Hintergrund war eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges hier nicht erforderlich.
b) Die Eröffnung des Rechtsweges zu den Verwaltungsgerichten ergibt sich aus § 40 Abs. 1 VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Bei der Geltendmachung eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO bzw. § 83 SGB X handelt es sich unzweifelhaft um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Es liegt allerdings auch keine bundesrechtliche abdrängende Sonderzuweisung i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO zu einem anderen Gericht vor (vgl. hierzu allgemein Leopold, ZESAR 2018, 326/327 f.). Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Mangels Regelungskompetenz der EU sind Bestimmungen über die Zuordnung von Streitigkeiten nach der DSGVO zu einer bestimmten Gerichtsbarkeit in den nationalen Rechtsordnungen zu treffen. Unter Beibehaltung der historisch begründeten Zuständigkeitsstrukturen hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine gespaltene Rechtswegeröffnung entschieden. Steht ein Rechtsbehelf aufgrund der Verarbeitung von Sozialdaten i.S.v. § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 SGG, eröffnet § 81b Abs. 1 SGB X als bereichsspezifische Zuweisungsnorm i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 10 SGG den Rechtsweg zu den Sozialgerichten. Die Begründung einer Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit erscheint deswegen sachgerecht, weil sich die weit überwiegende Zahl von Fragestellungen im Kontext einer Verarbeitung von Sozialdaten kaum vom materiell anwendbaren Recht lösen lässt und daher von den zuständigen Fachgerichten beantwortet werden sollte. Zudem kann so den sich aus den Aufgaben der Sozialleistungsträger ergebenden Besonderheiten angemessen Rechnung getragen werden. Fehlt es an einem Zusammenhang mit einer Angelegenheit i.S.d. § 51 SGG, bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 40 Abs. 1 VwGO. Dies stellt sicher, dass den Verwaltungsgerichten weiterhin all diejenigen Fälle zugewiesen sind, in denen zwar aufgrund der Einordnung einer gesetzlichen Materie als besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs (vgl. § 68 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – SGB I) das materielle Recht des SGB I und SGB X gilt, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten aber nicht eröffnet ist. Davon erfasst werden z. B. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Sozialdaten in Verfahren nach dem Wohngeldgesetz oder dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, aber auch Angelegenheiten im Zusammenhang mit der nach §§ 168 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) erforderlichen Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen. Der hier geltend gemachte datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch steht nach den Angaben der Antragstellerseite in inhaltlichem Zusammenhang mit dem Antrag des Arbeitgebers des Antragstellers auf Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 3. Juli 2018. Daher ist insoweit nicht von einem Zusammenhang mit einer der in § 51 SGG abschließend aufgezählten Rechtsmaterien auszugehen und es verbleibt bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 40 Abs. 1 VwGO.
3. Die Klage ist allerdings bereits unzulässig.
a) Die Klage ist zwar als allgemeine Leistungsklage statthaft (VG München, B.v. 20.9.2018 – M 13 K 18.4419 m.w.N.). Für die Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage ist aber eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich, d.h. der Kläger muss geltend machen können, durch das Unterlassen des mit der Klage begehrten Tuns in eigenen Rechten verletzt zu werden (ständige Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2011 – 9 C 4.10 – BVerwGE 140, 34; U.v. 28.10.1970 – VI C 48.68 – BVerwGE 36, 192; ebenso W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 42, Rn. 62; Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42, Rn. 68; Wahl/Schütz in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 35. EL September 2018, § 42 Abs. 2, Rn. 33 f.; jeweils m.w.N.).
b) Daran fehlt es hier jedoch, denn den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Auskunftserteilung hat der Beklagte mit den Schreiben vom 5. und 6. September 2018 bereits vollumfänglich erfüllt. Im Schreiben vom 6. September 2018 wurde vom ZBFS zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weder ein Profiling noch eine Datenübermittlung in Drittländer erfolgt. Die vom Beklagten übermittelten Informationen decken den mit dem Klageantrag geltend gemachten Auskunftsanspruch vollständig ab. Hierauf wurde der Kläger mehrfach, zuletzt mit gerichtlichem Schreiben vom 23. Oktober 2018 hingewiesen, ohne dass hierauf eine Reaktion erfolgt wäre. Es ist daher nicht erkennbar, dass auch nur die Möglichkeit besteht, dass der Kläger durch das Unterlassen einer noch weitergehenden Auskunftserteilung in seinen Rechten verletzt werden könnte. Ohne dass es darauf noch ankäme, ist darauf zu verweisen, dass der Klage in einer solchen Konstellation auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, vor §§ 40-53, Rn. 11 ff. m.w.N.) fehlt.
4. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Das Verfahren unterfällt nicht der Gerichtskostenfreiheit nach § 188 Satz 2 VwGO. Die Vorschrift ist auf den hier geltend gemachten Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht anwendbar, da es sich nicht um eine fürsorgerechtlichen Streitgegenstand i.S.d. § 188 Satz 1 VwGO handelt. § 188 Satz 2 VwGO setzt vielmehr voraus, dass materiell ein Fürsorgeanspruch streitig ist (Wolff in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 48. Edition, Stand: 1.1.2019, § 188, Rn. 5.1). Hier handelt es sich jedoch um einen originär datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch, der unabhängig von einem etwaigen fürsorgerechtlichen Verfahren des Beklagten besteht, auch wenn sich der Kläger aus der Geltendmachung möglicherweise Erkenntnisse erhofft, die er in diesen Verfahren verwenden kann. Für die (allgemeine) Informationsgewinnung nach den Vorschriften der DSGVO kommt der Motivationslage des Klägers keine Bedeutung zu. Die mit der Gerichtskostenfreiheit des § 188 Satz 2 VwGO vom Gesetzgeber verfolgte Intention, den Zugang zum Rechtsschutz für typischerweise finanziell minderbemittelte Rechtssuchende auf den besonderen sozialen Rechtsgebieten des § 188 Satz 1 VwGO zu ermöglichen, greift somit hier nicht durch. Eine ausdehnende Auslegung und Anwendung des § 188 Satz 1 VwGO wie sie bei Annexverfahren zum Datenschutz von Kindern oder Jugendlichen, die Leistungen der Jugendhilfe beziehen oder bezogen haben, oder ihren Eltern zur Verwirklichung des Zwecks der Gerichtskostenfreiheit des § 188 Satz 2 VwGO erforderlich sein mag, erscheint daher hier nicht angezeigt (vgl. zu vergleichbaren Konstellationen HessVGH, U.v. 16.9.2014 – 10 A 500/13 – juris Rn. 64: Anspruch auf Löschung von Sozialdaten nach § 84 SGB X; OVG Berlin-Bbg, B.v. 18.7.2011 – OVG 12 L 42.11 – juris Rn. 2: Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz).
5. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinsichtlich der Vollstreckung durch den Vollstreckungsgläubiger bedurfte es angesichts seiner – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen nicht, zumal er auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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