Kosten- und Gebührenrecht

Antrag auf Erstattung außergerichtlicher Kosten

Aktenzeichen  S 8 AS 401/17

Datum:
16.5.2017
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 73a, § 88 Abs. 2, § 193 Abs. 1
BGB BGB § 203 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Hemmung der Frist für eine Untätigkeitsklage bei Vergleichsverhandlungen entsprechend den Regelungen des BGB.
2 Wird keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, ist die Bedürftigkeit des Klägers nicht nachgewiesen und ein Prozesskostenhilfegesuch abzulehnen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
2. Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Gemäß § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren anders als durch Urteil endet. Für die Kostenentscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Weiter sind die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen (vgl. BayLSG, Beschluss vom 3. Februar 2009, L 20 B 201/08 R).
Das Verfahren betraf eine Untätigkeitsklage wegen der ausstehenden Entscheidung des Beklagten über einen Widerspruch der Kläger vom 6. Januar 2017 gegen den Bescheid des Beklagten vom 13. Dezember 2016. Mit diesem Bescheid hatte der Beklagte einen Überprüfungsantrag bezüglich des Zeitraums Juli 2015 bis Juni 2017 abgelehnt, weil keine Unterkunftskosten über der Angemessenheitsgrenze übernommen werden könnten. Für die Kläger war dagegen am 6. Januar 2017 Widerspruch eingelegt worden. Ende Januar 2017 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass kein Einverständnis mit einer Ruhendstellung des Verfahrens bestehe und bat um Unterbreitung eines Vergleichsangebots. Dies erfolgte unter dem 22. Februar 2017. Am 2. März 2017 wurde dies klägerseits abgelehnt und eine Änderung vorgeschlagen. Eine geänderte Fassung wurde unter dem 28. April 2017 an den Prozessbevollmächtigten gesandt und am selben Tag auch klägerseits angenommen, nachdem am 10. April 2017 die Untätigkeitsklage erhoben worden war. Die Untätigkeitsklage wurde am 5. Mai 2017 deswegen für erledigt erklärt und Kostenentscheidung des Gerichts beantragt.
Demnach ist es nicht angemessen, dass der Beklagte außergerichtliche Kosten der Kläger erstattet. Zwar waren mehr als die in § 88 Abs. 2 SGG vorgesehenen drei Monate zwischen Widerspruchseinlegung am 6. Januar 2017 und Klageerhebung am 10. April 2017 verstrichen. Allerdings sind die mit Widerspruchseinlegung durch den Prozessbevollmächtigten angestoßenen Vergleichsverhandlungen zu berücksichtigen. Insofern steht einer Heranziehung der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Hemmung der Verjährung, hier § 203 BGB, nach Meinung des Gerichts kein durchgreifender Einwand entgegen (vgl. für eine ähnliche Konstellation: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Februar 2013, L 7 KA 81/10). Nach § 203 BGB wird die Verjährung gehemmt, wenn Vergleichsverhandlung schweben. Daran gemessen war weder bei Klagerhebung am 10. April 2017 noch bei Erledigterklärung der Hauptsache am 5. Mai 2017 die dreimonatige Frist des § 88 Abs. 2 SGG vergangen, so dass die Untätigkeitsklage unzulässig war (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 88 Rz. 5c).
Die Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten betreffend die einvernehmliche Erledigung des Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2016 schwebten ab der Einlegung des Widerspruchs am 6. Januar 2017 bis zur Annahme des Vergleichs am 28. April 2017. Zwar ist festzustellen, dass seitens des Beklagten eine Reaktion – durch Vorlage eines Vergleichsangebots – teilweise mit größerem zeitlichem Abstand erfolgt ist. Dies ist aber noch unschädlich für die Annahme schwebender Vergleichsverhandlungen, weil kein „Einschlafen“ der Verhandlungen vorliegt. Die zivilrechtliche Rechtsprechung hat solches angenommen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage spätestens zu erwarten gewesen wäre. Sozialrechtlich ist diese Frist ebenfalls zugrunde zu legen, weil insofern keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen und § 88 Abs. 2 SGG ebenfalls drei Monate Frist vorsieht. (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.) Zudem spricht dafür der Blick auf § 203 Satz 2 BGB, der eine dreimonatige Frist nach Ende der Hemmung für den Eintritt der Verjährung bestimmt. Diese Frist war weder bei Vorlage des ersten Vergleichsangebots des Beklagten vom 22. Februar 2017 noch mit dem schließlich angenommenen Vergleichsangebot vom 28. April 2017 überschritten.
Aus grundsicherungsrechtlichen Erwägungen heraus, folgt ebenso wenig eine andere Beurteilung. Denn der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat von sich aus die Vergleichsverhandlungen eingeleitet und es ging zum größten Teil um Leistungen für bereits vergangene Zeiträume, eine größere Eile gebietende Auswirkung auf die aktuelle Situation der Kläger ist nicht ersichtlich. In diesem Fall hätte für die Kläger die Möglichkeit bestanden, bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.
Somit ist eine Kostenerstattung durch den Beklagten nicht angemessen.
Insoweit ist dieser Beschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht anfechtbar.
II.
Nach § 73a SGG i.V.m. den §§ 114, 121 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (Pkh), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen für beide Kläger nicht vor.
Hinsichtlich des Klägers zu 2 lag dem Gericht bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Die Bedürftigkeit des Klägers ist damit nicht nachgewiesen und das Prozesskostenhilfegesuch wird deswegen nach § 73a SGG i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abgelehnt.
Für den Kläger zu 2 ist auch dieser Teil des Beschlusses nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a SGG.
Was die Klägerin zu 1 anbelangt, fehlt es an hinreichenden Erfolgsaussichten bei Entscheidungsreife des Pkh-Antrags. Ihre Pkh-Erklärung wurde zwar mit Klageerhebung eingereicht und demnach ist die Klägerin zu 1 bedürftig. Die Klage war aber, wie oben dargelegt, von vornherein bis zu ihrer Erledigung unzulässig, weil die Frist des § 88 Abs. 2 SGG nicht abgelaufen war.


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