Kosten- und Gebührenrecht

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Aktenzeichen  BayAGH I – 1 – 16/20

Datum:
27.1.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21536
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt. V.    Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Verpflichtungsklage ist gemäß § 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht erhoben, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 112c Abs. 1 BRAO. Gemäß Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
Sie ist jedoch unzulässig, da sowohl der Klägerin als auch ihrem Prozessbevollmächtigten die Postulationsfähigkeit fehlt.
Im Hinblick auf die in § 112c Abs. 1 Satz 2 BRAO ausgesprochene Gleichstellung des AGH mit einem OVG gilt für das Verfahren vor dem AGH die Regelung des § 67 Abs. 4 VwGO, so dass sich die Beteiligten vor dem AGH durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen. Als Bevollmächtigte kommen nach § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO i.V.m. § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, in Betracht.
1. Die Klägerin selbst ist nicht als Rechtsanwältin zugelassen, sie begehrt vielmehr ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit der Klage. Ihr fehlt daher die Postulationsfähigkeit.
Sie ist auch nicht so zu stellen, als wäre sie bereits als Rechtsanwältin zugelassen, wie der Prozessbevollmächtigte vorträgt (Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 112c Rn. 131).
2. Der von der Klägerin am 14.09.2020 bevollmächtigte Avocat P. ist ebenfalls nicht postulationsfähig.
2.1. Er ist ausweislich des bundesweiten Anwaltsverzeichnisses weder als deutscher Rechtsanwalt (§§ 4 ff BRAO) zugelassen noch als europäischer niedergelassener Rechtsanwalt aufgenommen (§§ 2 ff EuRAG).
2.2. Ein Tätigwerden als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt gemäß §§ 25 ff EuRAG scheidet ebenso aus.
Ob P. in einem europäischen Land zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist, ist dem Senat nicht bekannt. Auf seinem Briefkopf tritt er als „Avocat definitiv, Assessor iur.“ auf. Ein Hinweis auf einen rumänischen Kanzleisitz ist nicht gegeben. Eine Zulassungsbestätigung oder ähnliches wurde nicht vorgelegt.
Unabhängig davon, kommt jedoch nur ein Tätigwerden als europäischer Rechtsanwalt, worunter gemäß § 1 EuRAG in Verbindung mit der Anlage zu § 1 auch der rumänische Avocat fällt (Die Anlage wurde ergänzt um Rumänien durch Art. 4 Nr. 2 Gesetz vom 7.12.2006), nach § 25 Abs. 1 Satz 1 EuRAG in Betracht, d.h. die vorübergehende und gelegentliche Ausübung von Tätigkeiten eines Rechtsanwalts in Deutschland.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 EuRAG kommt es für die Beurteilung, ob die Tätigkeit vorübergehend und gelegentlich ausgeübt wird, auf die Dauer, Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr und Kontinuität an.
P. tritt ausschließlich unter einer Kanzleiadresse in Bonn, Deutschland auf. Er übt in Deutschland eine stabile und kontinuierliche Berufstätigkeit von einem festen Berufsdomizil aus, indem er von seinem festen Kanzleisitz in Bonn aus beständig unter der Bezeichnung „Avocat definitiv, Assessor“ in der Funktion eines Rechtsanwalts auftritt. Dies belegen schon die beim Bundesverfassungsgericht geführten Verfahren (vgl. Beschluss des BVerfG vom 04.12.2013). Es handelt sich mithin nicht um ein bloß gelegentliches Tätigwerden als Rechtsanwalt in Deutschland. Vielmehr ist ein bloß dienstleistender Charakter überschritten.
2.3. Darüber hinaus darf ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt gemäß § 28 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EuRAG in einem Anwaltsprozess zur Vertretung eines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem Rechtsanwalt handeln, der zur Vertretung bei Gericht befugt ist, wobei dieses Einvernehmen gemäß § 29 Abs. 1 EuRAG bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht, hier also der Klage, schriftlich nachzuweisen ist. Ein solcher Nachweis liegt nicht vor. Gemäß § 29 Abs. 3 EuRAG sind Handlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, unwirksam.
P. ist mithin nicht postulationsfähig.
Sowohl der Klägerin als auch dem von ihr bevollmächtigten Avocat definitiv P. fehlte mithin schon bei Verfahrenseinleitung die Postulationsfähigkeit, so dass die vorgenommenen Prozesshandlungen ohne Wirkung bleiben und unwirksam sind. Die Klage konnte nicht wirksam erhoben werden.
In Folge der fehlenden Postulationsfähigkeit war die Klage als unzulässig abzuweisen, ohne dass es eines vorherigen Zurückweisungsbeschlusses nach § 156 Abs. 2 BRAO bedurfte. Der Vorsitzende des Senats hat auf den Vertretungszwang vor dem Anwaltsgerichtshof hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis war bereits in der Rechtsmittelbelehrungzum Bescheid der Rechtsanwaltskammer München enthalten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 167 VwGO, § 709 S. 2 ZPO.
Gemäß § 193 Satz 2 BRAO i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG erfolgt die endgültige Streitwertfestsetzung bei Ergehen einer Entscheidung, d.h. mit Urteil. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO. § 194 Abs. 2 S. 1 BRAO sieht für Verfahren, die Klagen auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft betreffen einen Regelstreitwert von 50.000 € vor. Gründe, davon abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, § 112e BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO.


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