Kosten- und Gebührenrecht

Eintritt der Zahlungsverjährung einer Beitragsforderung

Aktenzeichen  4 EO 630/21

Datum:
9.11.2021
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 4. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2021:1109.4EO630.21.00
Normen:
§ 15 Abs 1 Nr 5a KAG TH
§ 21a Abs 4 KAG TH
§ 21a Abs 7 S 1 KAG TH
§ 228 AO 1977
§ 229 AO 1977
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist nach Thüringer Landesrecht nicht Voraussetzung für den Lauf der Zahlungsverjährung einer zuvor durch (rechtswidrigen) Beitragsbescheid rechtlich begründeten Zahlungspflicht.(Rn.22)
(Rn.25)
2. § 21a Abs. 7 Satz 2 ThüKAG (juris: KAG TH) gilt nur für bis zum 31. Dezember 2004 entstandene Beitragsforderungen und schiebt nur hinsichtlich des ab 1. Januar 2005 privilegierten und deshalb nach § 21a Abs. 4 ThürKAG (juris: KAG TH) gestundeten Beitragsanteils den Beginn des Laufs der Verjährungsfristen (bis zum Wegfall) der Privilegierung hinaus.(Rn.28)

Verfahrensgang

vorgehend VG Meiningen, 28. September 2021, 5 E 655/21 Me, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 28. September 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 23.654,24 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin von insgesamt 27 in … R…, A…… gelegenen Flurstücken bzw. Miteigentumsanteilen (wegen der Flurnummern im Einzelnen wird auf die Auflistung im streitgegenständlichen Duldungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2020 verwiesen). Diese sind mit Mehrfamilien-Wohnblöcken bebaut und waren im Zeitpunkt ihrer Heranziehung zu Entwässerungsbeiträgen für die erstmalige Herstellung der Entwässerungseinrichtung des Antragsgegners im Jahr 2009 bereits an diese angeschlossen.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2003 hatte der zu diesem Zeitpunkt neu gegründete, aus einem Wasser- und einem Abwasserverband entstandene Antragsgegner seine Tätigkeit aufgenommen. Zu den Mitgliedsgemeinden gehörte u. a. die Stadt R1…, die bis zum 31. Dezember 2002 auch Mitglied in den Vorgängerverbänden, dem Trinkwasserzweckverband Eisenach-Erbstromtal (TZVEE) und dem Abwasserzweckverband Eisenach-Erbstromtal (AZVE) gewesen war.
Gemäß § 1 Abs. 5 und § 3 Abs. 1 der Verbandssatzung vom 20. Dezember 2002 erstreckte sich die Zuständigkeit des Antragsgegners – ebenso wie bei dem AZVE – abwasserseitig jedoch lediglich auf die überörtlichen Anlagen der Abwasserentsorgung, während seine Mitglieder zunächst weiterhin die Teilaufgabe der örtlichen Abwasserversorgung wahrnahmen und hierfür auch eigene Beitragsbescheide erließen bzw. schon vor der Gründung des Antragsgegners erlassen hatten (vgl. dazu insbesondere die Senatsurteile vom 29. September 2008, Az.: 4 KO 1313/05, vom 8. September 2011, Az.: 4 KO 30/08 – wasserseitig -, 4 KO 690/07 und 4 KO 691/07 – abwasserseitig – und Senatsbeschluss vom 1. März 2016, Az.: 4 ZKO 109/16).
Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 traten die Gemeinden C… und K… dem Antragsgegner bei. Mit Wirkung zum 1. August 2005 übernahm der Antragsgegner auch die örtlichen Abwasserbeseitigungsanlagen von seinen Mitgliedsgemeinden und damit als Vollverband neben der Aufgabe der Wasserversorgung auch die Aufgabe der Abwasserbeseitigung im gesamten Verbandsgebiet.
Eigentümerin der o. g. Flurstücke war im Zeitpunkt des erstmaligen Ergehens von Beitragsbescheiden des Antragsgegners Frau … K…. Diese legte gegen die ihr gegenüber ergangenen 27 Beitragsbescheide vom 8. September 2008 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sich die Grundstücke bereits seit August 2001 unter gerichtlich angeordneter Zwangsverwaltung befänden. Über das Vermögen der Eigentümerin war bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 5. Juni 2003 (Az.: 46 IN 233/02) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Schreiben vom 17. November 2008 nahm die damalige Eigentümerin ihre Widersprüche zurück, woraufhin die Widerspruchsverfahren eingestellt wurden.
Mit Schreiben vom 19. August 2009, bezeichnet als „Korrektur der Forderungsanmeldung der Stadt R1… “, machte der Antragsgegner gegenüber der Insolvenzverwalterin das Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 49 InsO unter Hinweis auf die öffentlichen Lasten geltend und verwies auf seine Beitragserhebung.
Die die genannten Grundstücke betreffenden 27 Beitragsbescheide über einen Gesamtbetrag von 94.616,96 Euro (datierend nunmehr vom 21. August 2009) wurden am 27. August 2009 gegenüber der Insolvenzverwalterin bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 31. August 2009 teilte die Insolvenzverwalterin dem Antragsgegner daraufhin mit, dass eine Anmeldung zur Tabelle für nach dem Tag der Insolvenzeröffnung entstandene Forderungen nicht in Betracht komme und wies auf eine teilweise eingetretene Verjährung der Forderungen hin, nachdem die Stadt R1… bereits Beiträge erhoben habe.
Im Folgenden führte der Antragsgegner mit der Grundschuldgläubigerin E…… AG Verhandlungen über die Ablöse der öffentlichen Lasten bzw. die Zahlung einer sog. „Lästigkeitsprämie“, die jedoch im August 2011 erfolglos endeten.
Mit Kaufvertrag vom 10. März / 6. April 2011 verkaufte die Eigentümerin die o. g. Grundstücke – nach Freigabe durch die Insolvenzverwalterin – an Herrn … W…, der am 20. September 2012 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.
In seinem Urteil vom 20. Januar 2016 (Az.: 5 K 554/12 Me) ging das Verwaltungsgericht im Rahmen eines Anfechtungsprozesses um einen Beitragsbescheid des Antragsgegners erstmals von der Nichtigkeit seiner Beitragssatzung in der Fassung der sog. „Neufassung” vom 16. Dezember 2005 aus. Diese Auffassung wurde mit Senatsurteil vom 14. April 2016 (Az.: 4 KO 452/15) in einem Parallelverfahren (betreffend das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 8. Juli 2015, Az.: 5 K 67/11 Me – juris) bestätigt (vgl. dazu auch den Beschluss des BVerwG vom 22. März 2017, Az.: 9 B 47/16 – juris).
Am 17. Oktober 2016 machte der Antragsgegner seine neue Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung vom 7. Oktober 2016 im Thüringer Staatsanzeiger bekannt. Diese ist mit einer Rückwirkungsanordnung zum 1. Januar 2007 versehen.
Mit Kaufvertrag vom 6. Februar 2019 verkaufte der neue Eigentümer die Grundstücke an die Antragstellerin, die am 10. März 2020 ins Grundbuch als Eigentümerin eingetragen wurde.
Mit Duldungsbescheid vom 4. Dezember 2020 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Zwangsvollstreckung in die o. g. Grundstücke (bzw. Miteigentumsanteile) wegen der in den 27 Beitragsbescheiden vom 21. August 2009 in einer Gesamtsumme von 94.616,96 Euro festgesetzten Beiträge zu dulden. Die Antragstellerin legte dagegen mit Schreiben vom 22. Dezember 2020 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Letzteres lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 5. Januar 2021 ab und beantragte am 14. Januar 2021 die Zwangsversteigerung der Grundstücke.
Am 14. Mai 2021 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Meiningen beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 22. Dezember 2020 gegen den Duldungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2020 anzuordnen. Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. September 2021 im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass die mittels der 27 Beitragsbescheide vom 21. August 2009 festgesetzten Beitragsforderungen und damit auch die entsprechenden öffentlichen Lasten mit Ablauf des Jahres 2014 wegen Eintritts der Zahlungsverjährung erloschen seien. Dem stehe nicht entgegen, dass die sachlichen Beitragspflichten bei Erlass der Bescheide vom 21. August 2009 noch nicht, sondern frühestens mit dem Erlass der rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Beitragssatzung vom 7. Oktober 2016 (bekannt gemacht im Thüringer Staatsanzeiger am 17. Oktober 2016) entstanden seien. Nicht die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, sondern nur der Eintritt der Fälligkeit sei für den Beginn des Laufs der Zahlungsverjährungsfrist erforderlich. Auch sei der Lauf der Zahlungsverjährungsfrist zu keinem Zeitpunkt unterbrochen worden.
Gegen den am 4. Oktober 2021 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner am 17. Oktober 2021 Beschwerde erhoben, die er am 1. November 2021 begründet hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten (2 Ordner) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidung.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bieten keinen Anlass, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Duldungsbescheid vom 4. Dezember 2020 abzulehnen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kommt es nicht darauf an, dass die sachliche Beitragspflicht im Zeitpunkt des Erlasses der 27 Beitragsbescheide vom 21. August 2009 – unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 14. April 2016 (Az. 4 KO 452/15) – noch nicht entstanden war und deshalb frühestens auf Grundlage der – mit einer Rückwirkungsanordnung zum 1. Januar 2007 versehenen – Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung vom 7. Oktober 2016 entstehen konnte. Dieser Umstand hinderte nicht den Beginn, Lauf und den Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist und damit das Erlöschen der in den 27 Beitragsbescheiden vom 21. August 2009 gegenüber der Insolvenzverwalterin festgesetzten Beitragsforderung mit Ablauf des Jahres 2014 (1.). Auch bieten der Vortrag des Antragsgegners zum Schriftwechsel mit der E…… AG und die diesbezüglich vorgelegten Schreiben keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dieser Korrespondenz um eine den Lauf der Zahlungsverjährung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG i. V. m. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrechende schriftliche Geltendmachung des Anspruchs durch den Antragsgegner gegenüber der Insolvenzverwalterin gehandelt haben könnte (2.).
1. Es begegnet keinen (ernstlichen) Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, wenn dieses seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die in den 27 Beitragsbescheiden vom 21. August 2009 gegenüber der Insolvenzverwalterin festgesetzten Beitragsforderungen mit Ablauf des Jahres 2014 gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG i. V. m. § 232 AO erloschen sind. Auf Grundlage der an die Satzung des Antragsgegners anknüpfenden Regelung der Bescheide über die Fälligstellung noch im Jahre 2009 hat das Verwaltungsgericht Beginn und Ende/Ablauf der fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist zum 31. Dezember 2014 unter Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG i. V. m. §§ 228 Satz 2, 229 Abs. 1 AO korrekt berechnet. Diese Berechnung als solche zieht auch der Antragsgegner nicht in Zweifel (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
a. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hinderte der Umstand, dass die sachliche Beitragspflicht, also die materielle Abgabenschuld, im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 21. August 2009 – unstreitig – auf Grundlage der – seinerzeit unerkannt unwirksamen – Beitragssatzung des Antragsgegners vom 16. Dezember 2005 nicht entstanden war, nicht den Beginn des Laufs der Zahlungsverjährungsfrist am 1. Januar 2010. Die Entstehung der sachlichen Beitragsschuld ist nach Thüringer Landesrecht hierfür nicht Voraussetzung. Das ergibt sich aus Folgendem:
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG i. V. m. § 228 AO beginnt die Zahlungsverjährung – ebenso wie nach vergleichbaren Regelungen in anderen Ländern (wie z. B. Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a) BayKAG, § 11 Abs. 1 Nr. 5a) NKAG und § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG-LSA) – mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Dabei handelt es sich um eine dynamische Verweisung, durch die die in Bezug genommenen Bestimmungen der Abgabenordnung Teil des Landesrechts bzw. hier des Thüringer Kommunalabgabengesetzes werden (vgl. Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgaben, Stand September 2021, Rdnr. 1).
Mit den 27 Beitragsbescheiden vom 21. August 2009 wurden zwar keine zuvor entstandenen (sachlichen) Beitragsansprüche des Antragsgegners konkretisiert; es wurde aber konstitutiv mittels Erlasses dieser wirksamen Beitragsbescheide eine rechtlich verbindliche Zahlungspflicht begründet, die auch durchgesetzt werden kann bzw. werden konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2011, Az.: 11 C 9/00, juris Rdnr. 23). Diese mittels der Beitragsbescheide begründeten Ansprüche wurden in den Bescheiden auch wirksam fällig gestellt. Dem steht nicht entgegen, dass die satzungsrechtliche Regelung über die Fälligkeit wegen Unwirksamkeit der Beitragssatzung insgesamt unwirksam gewesen sein dürfte. Da schon die Feststellung des rechtswidrigen, aber wirksamen Beitragsbescheides, dass die Beitragspflicht in der festgesetzten Höhe entstanden sei, an der rechtlichen Verbindlichkeit der in jenem nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbaren Verwaltungsakt getroffenen Regelungen teilhat (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2001, Az.: 11 C 9/00), gilt dies erst Recht für die Fälligkeitsregelung (a. A. zum dortigen Landesrecht OVG LSA, Urteil vom 30. Mai 2012, Az.: 4 L 228/11, juris Rdnr. 29). Diese Regelung über die Fälligkeit ist – bei ungültiger Beitragssatzung – ebenso wie die Feststellung der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht zwar rechtswidrig, aber wirksam. Dafür spricht auch, dass in einem solchen Fall bei Nichtzahlung nach Eintritt der Fälligkeit Säumniszuschläge verwirkt werden (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 4b) aa) ThürKAG i. V. m § 240 Abs. 1 Satz 4 AO).
Gegen die vom Antragsgegner und für die hier vertretende Auffassung spricht auch, dass dem Thüringer Kommunalabgabengesetz kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, dass es für den Beginn des Laufs der Zahlungsverjährung neben dem Eintritt der Fälligkeit einer Abgabenforderung auch der vorherigen Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bedarf. Eine solche Regelung gibt es im Thüringer Kommunalabgabengesetz nicht. Weder ist eine besondere Regelung ersichtlich noch gibt es eine landesrechtliche Verweisung auf den dann allenfalls im Ansatz in Betracht kommenden § 220 Abs. 2 AO. Nach § 220 Abs. 2 AO wird ein Anspruch mit seiner Entstehung fällig, wenn es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit fehlt.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners lassen sich auch aus dem von ihm zitierten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Mai 2012 (Az.: 11 C 9/00) keine allgemeinen Grundsätze ableiten, die es unabhängig von der Ausgestaltung der landesrechtlichen Regelungen aus verfassungsrechtlichen, abgabenrechtlichen oder beitragsrechtlichen Gründen gebieten, über den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 5a ThürKAG i. V. m. § 228 AO hinausgehend die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für den Beginn des Laufs der Zahlungsverjährung zu fordern. Es ist anhand der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt nachvollziehbar, dass dieses seine Auffassung im Wesentlichen auf § 13a Abs. 1 Satz 5 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG-LSA) in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 13. Juni 1996 (GVBl. LSA S. 200) am 20. Juni 1996 (vgl. Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juni 1996) unverändert geltenden Fassung gestützt hat. Nach dieser Bestimmung, die zuvor – inhaltsgleich – in der auf die Abgabenordnung verweisenden Vorschrift des § 13 KAG-LSA in Abs. 1 Nr. 5 enthalten war (vgl. Art. 1 Nr. 9b) des Gesetzes vom 13. Juni 1996 und § 13 Abs. 1 Nr. 5a) des KAG-LSA vom 11. Juni 1991, GVBl. LSA S. 105 in der bis zum 19. Juni 1996 geltenden Fassung) gelten für die Verwirklichung, die Fälligkeit und das Erlöschen von Ansprüchen aus dem Abgabeschuldverhältnis dem Wortlaut nach u. a. die Regelungen der §§ 218 bis 223 AO (§ 223 wurde 2014 aufgehoben) über die Verwirklichung und Fälligkeit sowie die §§ 228 bis 232 AO über die Zahlungsverjährung. Hinsichtlich des Inhalts dieser Verweisungsnorm ergibt ein Abgleich mit § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG, dass § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG-LSA – auch im Gegensatz zu vergleichbaren Regelungen anderer Bundesländer – einen wesentlichen Unterschied aufweist. Die Verweisung dieser Bestimmung umfasst infolge der Verwendung des Wortes „bis“ auch § 220 AO, der eine Regelung zur Fälligkeit von Ansprüchen beinhaltet. Demgegenüber verweist § 15 Abs. 1 Nr. 5 ThürKAG, soweit es um die §§ 218 bis 222 AO geht, ausdrücklich aufzählend nur auf die §§ 218, 219, 221 und 222 AO. Insoweit hat schon die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Verweisung auf § 220 AO in § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG gerade nicht enthalten ist. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass das Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt – in seiner Auslegung durch das dortige Oberverwaltungsgericht – für den Eintritt der Fälligkeit einer Beitragsforderung und damit auch für den an die Fälligkeit anknüpfenden Beginn des Laufs der Zahlungsverjährungsfrist gemäß § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG-LSA i. V. m. § 220 Abs. 2 AO die Entstehung der sachlichen Beitragsschuld voraussetzt und dass eine satzungsrechtliche Regelung über die Fälligkeit die gesetzliche Verweisung auf § 220 Abs. 2 AO nicht in gleicher Weise verdrängt wie § 135 Abs. 1 BauGB (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2000, Az.: 2 S 1019/99, juris Rdnr. 29 zu § 3 Abs. 1 Nr. 5a KAG BW i. V. m. § 220 Abs. 2 AO und dazu BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2001, Az.: 11 C 9/00, juris Rdnr. 21). Nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz mangelt es jedoch schon an einer Verweisung auf § 220 Abs. 2 AO, weshalb sich die Frage, ob eine satzungsrechtliche Fälligkeitsregelung diese Bestimmung verdrängen könnte, schon im Ansatz nicht stellt.
Dieses am Wortlaut orientierte Auslegungsergebnis wird bestätigt durch eine historische und systematische Auslegung. Zwar enthält die Begründung zu § 15 ThürKAG in der Landtagsdrucksache Nr. 1/334 (S. 187) keine Ausführungen dazu, warum bestimmte Verweisungen auf die Abgabenordnung vorgenommen werden oder unterbleiben; der Senat geht jedoch in den Fällen, in denen der Thüringer Landesgesetzgeber zur Begründung einer vorgesehenen Regelung keinen ausdrücklichen Willen geäußert hat, grundsätzlich davon aus, dass zur Auslegung der Vorschriften des ThürKAG in seiner Ursprungsfassung von 1991 auch ergänzend die Begründung zum Bayerischen Kommunalabgabengesetz – BayKAG – in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung ausgewertet werden kann, soweit der Thüringer Landesgesetzgeber keine abweichende Formulierung gewählt oder sonst einen abweichenden Regelungswillen artikuliert hat (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2013, Az.: 4 KO 558/12, juris Rdnr. 35 und Senatsbeschluss vom 8. März 2013, Az.: 4 EO 369/11 – juris Rdnr. 46 ff.). Der Begründung des – an eine durch den Arbeitskreis „Kommunale Angelegenheiten“ der Arbeitsgemeinschaft der Innenminister der Länder erarbeiteten Empfehlung – angelehnten Entwurfs des Bayerischen Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen an die Abgabenordnung vom 23. Dezember 1976 (BayGVBl. S. 566) ist in der BayLT-Drs. 8/3476 auf Seite 10 zu entnehmen, dass § 220 AO nicht für anwendbar erklärt wird, weil die Fälligkeit aus rechtsstaatlichen Gründen in den jeweils kommunalen Satzungen zu regeln ist (so auch wortgleich die Begründung in NdsLT-Drs. 8/2000, Seite 13 zu § 11 Abs. 1 Nr. 5a) NKAG-1977; anders in § 3 Abs. 1 Nr. 5a KAG BW, der auf § 220 Abs. 2 AO verweist, ohne dass es in der Gesetzesbegründung, BWLTDrs. 7/1479, eine Begründung dazu gäbe, warum hier von der im Übrigen auch in Bezug genommenen Empfehlung des o. g. Arbeitskreises abgewichen wird). Korrespondierend dazu enthält § 2 Abs. 2 ThürKAG ebenso wie entsprechende Regelungen in anderen Ländern die Vorgabe, dass eine kommunale Abgabensatzung auch eine Regelung über die Bestimmung der Fälligkeit enthalten muss, die in dem zu erlassenden Bescheid anzuwenden ist. Wie bereits ausgeführt hat jedoch die Unwirksamkeit einer Beitragssatzung und damit einer satzungsrechtlichen Fälligkeitsregelung unter Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14. Februar 2001 (Az.: 11 C 9/00, juris Rdnr. 26) entwickelten Grundsätze nicht zur Folge, dass die in einem – wegen Satzungsmangels – rechtswidrigen Beitragsbescheides geregelte Fälligkeit im Gegensatz zur rechtswidrigen, aber wirksamen Feststellung der Beitragspflicht unwirksam ist.
b. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handelt es sich bei der durch Art. 1 Nr. 6 c) des „Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und des Thüringer Wassergesetzes“ vom 17. Dezember 2004 (GVBl. S. 889) noch als Absatz 6 eingefügten Übergangsbestimmung des § 21a Abs. 7 Satz 2 ThürKAG (vgl. dazu den Änderungsbefehl in Art. 1 Nr. 2e) des Beitragsbegrenzungsgesetzes vom 18. August 2009, GVBl. S. 646) nicht um eine spezielle Regelung über die Zahlungsverjährung, die die Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 5a) ThürKAG i. V. m. § 229 Abs. 1 Satz 1 AO generell oder zumindest im vorliegenden Fall ausschließt. Nach dieser Bestimmung tritt dem Wortlaut nach die Zahlungsverjährung in den Fällen des § 7 Abs. 7 ThürKAG nicht ein. Im vorliegenden Fall muss jedoch nicht in den Blick genommen werden, in welchen Beitragsbescheiden möglicherweise die Privilegierungsbestimmungen des § 7 Abs. 7 ThürKAG zur Anwendung gelangt sind. Es ist ausgeschlossen, dass § 21a Abs. 7 Satz 2 ThürKAG, soweit diese Regelung den Lauf der Zahlungsverjährung (bis zum Wegfall der Privilegierungsvoraussetzungen) unterbricht, für auf Grundlage der (seinerzeit unerkannt nichtigen) Beitragssatzung in der Fassung der sog. „Neufassung” vom 16. Dezember 2005 erlassene Bescheide Anwendung findet. Bei § 21a Abs. 7 Satz 2 ThürKAG, zu dem im Übrigen eine Gesetzesbegründung fehlt (vgl. LT-Drs. 7/447, S. 25: Die Satz 2 nennende Begründung bezieht sich inhaltlich eindeutig auf Satz 3), handelt es sich ebenso wie bei § 21a Abs. 7 Satz 1 ThürKAG um eine Übergangsbestimmung, die nur für bis zum 31. Dezember 2004 entstandene und nicht für ab 1. Januar 2005 entstehende Beiträge gilt (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2016, Az.: 4 ZKO 109/16, n. v.). Nur für bis zum 31. Dezember 2004 in vollem Umfang entstandene Beiträge besteht angesichts der gesetzlich angeordneten Stundung von Abwasserbeiträgen im Umfang der Privilegierung und der insoweit eröffneten Möglichkeit der Beitragsrückzahlung (§ 21a Abs. 4 ThürKAG) ein Bedürfnis, den Lauf der Festsetzungs- und der Zahlungsverjährung zu unterbrechen. Bezogen auf erst nach dem 1. Januar 2005 „dem Grunde nach“ entstehende Beitragspflichten (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2014, Az.: 4 KO 1301/10) entsteht die Beitragsforderung der Höhe nach nur, soweit in dem nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ThürKAG maßgeblichen Zeitpunkt keine Privilegierungstatbestände des § 7 Abs. 7 ThürKAG greifen. In dem Umfang, in dem Privilegierungstatbestände des § 7 Abs. 7 ThürKAG in dem nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ThürKAG maßgeblichen Zeitpunkt erfüllt sind, entsteht der Beitrag der Höhe nach zunächst überhaupt nicht. Erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Privilegierungstatbestände (nachträglich) entfallen, entsteht der auf den bisher privilegierten Anteil entfallende Beitrag und kann nacherhoben werden (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2015, Az.: 4 KO 252/12, juris Rdnr. 107). Aufgrund dieses Regelungskonzepts des § 7 Abs. 7 ThürKAG ist es bereits in unmittelbarer Anwendung dieser Bestimmung (ab 1. Januar 2005) ausgeschlossen, dass die Festsetzungsverjährung bezogen auf den privilegierten Beitragsanteil läuft. Deshalb besteht für diesen Fall der unmittelbaren Anwendung des § 7 Abs. 7 ThürKAG hinsichtlich des privilegierten Beitragsanteils kein Bedarf für eine Beitragsfestsetzung und Fälligstellung. Erfolgt dies dennoch (in rechtswidriger Weise) richtet sich der Lauf der Zahlungsverjährung auch für diese Beitragsfestsetzung – ebenso wie für die rechtmäßige Beitragsfestsetzung nach Wegfall der Privilegierung – nach den o. g. allgemeinen Regelungen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit § 21a Abs. 7 Satz 2 ThürKAG eine die Aufgabenträger bevorteilende Regelung schaffen wollte, die an ein rechtswidriges Verhalten anknüpft.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass es im vorliegenden Fall um vor dem 1. Januar 2005 entstandene Beiträge gehen könnte. Dies macht auch der Antragsgegner nicht geltend. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass der Antragsgegner erst als Vollverband auf Grundlage der – auch Privilegierungstatbestände enthaltenen – Beitragssatzung vom 16. Dezember 2005 begonnen hat, Beiträge zu erheben. Der Antragsgegner hat Beiträge, die von dem zum 31. Dezember 2002 aufgelösten Vorgängerverband – dem AZVE – oder vor dem 31. Dezember 2004 von seinen Mitgliedsgemeinden – hier die Stadt R1… – erhoben wurden, bisher (nur) bei tatsächlicher Zahlung angerechnet (vgl. z. B. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2018, Az.: 4 EO 839/17), jedoch keine eigenen Beiträge erhoben. Ob an dieser Praxis, nur bereits tatsächlich gezahlte Beitrage anzurechnen, im Hinblick auf die – gegenwärtig nur als PM 64/21 bekannten – Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2021 (Az.: 9 C 9.20 und 9 C 10.20) festgehalten werden kann, oder ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus auch „normal“ oder „hypothetisch“ festsetzungsverjährte Beiträge anzurechnen sind (bejahend: VG Meiningen, Urteil vom 30. November 2015, Az.: 5 K 462/12 Me; ablehnend: VG Meiningen, Urteil vom 27. September 2017, Az. 5 K 624/14 und Beschluss vom 4. Oktober 2017, Az.: 5 E 101/17 sowie Senatsbeschlüsse vom 27. Februar 2018, Az.: 4 EO 839/17 und vom 3. Dezember 2019, Az. 4 ZKO 656/19), ist für die Entscheidung in diesem Beschwerdeverfahren nicht erheblich, da die bereits eingetretene Zahlungsverjährung sich jeweils auf den gesamten festgesetzten Beitrag bezieht.
2. Die vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen zum Schriftverkehr mit der E… AG bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass diese vom Antragsgegner als Empfangsbote der Insolvenzverwalterin zur Zahlung der in den 27 Beitragsbescheiden vom 21. August 2009 festgesetzten Beiträge aufgefordert wurde. Nachvollziehbar ist, dass die E… AG von der Insolvenzverwalterin (wohl) mit der Vermarktung der 27 Grundstücke beauftragt war und dass der Antragsgegner wegen der – von der Beitragsforderung zu unterscheidenden – öffentlichen Last über eine sog. „Lästigkeitsprämie“ verhandelte. Dass der Antragsgegner in diesem Zusammenhang jemals zur Zahlung des insgesamt festgesetzten Betrages von 94.616,96 € aufforderte, ist nicht ersichtlich und wird von dem Antragsgegner auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 i. V. m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat bewertet in Eilverfahren, denen in der Hauptsache – wie hier – eine abgabenrechtliche Streitigkeit zugrunde liegt, das Interesse des Abgabenpflichtigen, von der Heranziehung verschont zu bleiben, grundsätzlich mit einem Viertel des streitigen Betrages (st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur Beschlüsse vom 2. Oktober 2020, Az.: 4 EO 361/20 – juris, vom 19. Mai 2015, Az.: 4 EO 534/13 – n. v. und vom 29. November 2004, Az.: 4 EO 645/02 – juris). Danach beträgt der Streitwert in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ein Viertel des für das Hauptsacheverfahrens anzunehmenden Streitwerts in Höhe des streitgegenständlichen Geldbetrages, hier in Höhe von 94.616,96 €.
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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