Aktenzeichen 21 CE 16.2568, 21 C 16.2569
VwGO VwGO § 67 Abs. 4 S. 1, § 123 Abs. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Eine ärztlich festgestellte Persönlichkeitsstörung, die zur phasenweise verminderten Steuerungsfähigkeit führt, begründet ernstliche Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 7 E 16.4781 2016-11-11 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Verfahren 21 CE 16.2568 und 21 C 16.2569 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Im Verfahren 21 CE 16.2568 wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Versagung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
III. Im Verfahren 21 C 16.2569 wird die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Klageverfahren und das (erstinstanzliche) Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen.
IV. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (21 C 16.2569) zu tragen.
Gründe
I.
Der anwaltlich nicht vertretene Antragsteller begehrt die Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (Kleiner Waffenschein).
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 14. Oktober 2016 die Erteilung eines Kleinen Waffenscheins ab.
Der Antragsteller hat Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Das Verwaltungsgericht München hat den Antrag des Klägers, ihm im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den beantragten Waffenschein (vorläufig) zu gewähren, mit Beschluss vom 11. November 2016 abgelehnt (Nr. I. des Beschlusses); ebenso den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und das Klageverfahren (Nr. IV. des Beschlusses).
Gegen den ihm am 24. November 2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. November 2016 am selben Tag Beschwerde eingelegt.
II.
1. Die Verbindung der beiden Streitsachen zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 Satz 1 VwGO. Sie ist wegen des beiden Verfahren zugrunde liegenden einheitlichen Sachverhalts zweckmäßig.
2. Der Senat betrachtet das im Schriftsatz vom 28. November als „Beschwerde“ gegen den „Beschluss des BVG vom 11.11.16“ bezeichnete Rechtsschutzbegehren zugunsten des Antragstellers (auch) als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (Verfahren 21 CE 16.2568).
Eine Beschwerde gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts wäre unzulässig, weil sie innerhalb der nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu wahrenden Frist von zwei Wochen nicht durch einen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten eingelegt wurde (§ 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Den im Schriftsatz des Antragstellers vom 28. November 2016 enthaltenen Anträgen ist jedoch zu entnehmen, dass ein „Rechtsbeistand“ begehrt wird. Damit ist bezogen auf eine lediglich beabsichtigte Beschwerde das allein zweckmäßige Begehren benannt. Denn für das Prozesskostenhilfeverfahren besteht auch vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Oberverwaltungsgericht) kein Vertretungserfordernis (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO).
Des Weiteren wendet sich der Antragsteller mit seiner „Beschwerde“ dagegen, dass das Verwaltungsgericht seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und das Klageverfahren abgelehnt hat (Verfahren 21 C 16.2569).
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für eine noch einzulegende Beschwerde (21 CE 16.2568) gegen den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts München ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache einen Kleinen Waffenschein (vorläufig) zu gewähren.
Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung soll im Vorgriff auf die Hauptsacheentscheidung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sie ist demnach begründet, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass der im Hauptsacheverfahren verfolgte Anspruch besteht (Anordnungsanspruch) und die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Anordnungsgrund).
Der Antragsteller hat auch unter Berücksichtigung des zur Begründung seines Prozesskostenhilfeantrags Vorgebrachten weder einen Anordnungsgrund (2.1) noch einen Anordnungsanspruch (2.2) glaubhaft gemacht.
3.1 Zum Anordnungsgrund hat der Kläger lediglich behauptet, er benötige den Kleinen Waffenschein, weil er nach 20 Jahren Arbeitslosigkeit einen „Job“ in Aussicht habe. Es sei schwer nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht dennoch angenommen habe, er hätte ohne Erlass der begehrten Anordnung keine erheblichen Nachteile zu erleiden.
Dieses Vorbringens lässt in seiner Allgemeinheit nicht erkennen, dass der Antragsteller ohne die vorläufige Erteilung eines Kleinen Waffenscheins einen wesentlichen Nachteil erleiden würde. Es fehlt schon ein konkreter Anhalt für ein aktuelles Stellenangebot, das die Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- oder Signalwaffen voraussetzt.
3.2 Der Antragsteller hat zudem nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Waffenscheins hat.
Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt unter anderem voraus, dass der Antragsteller persönlich geeignet im Sinn des § 6 WaffG ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Die erforderliche persönliche Eignung besitzen Personen unter anderem dann nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie auf Grund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG).
Es bestehen erhebliche Zweifel, dass der Antragsteller in diesem Sinn die waffenrechtliche Eignung besitzt.
So äußerte sich der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. K. in einem Attest vom 6. September 2001 unter anderem dahingehend, dass es sich beim Antragsteller diagnostisch um eine schwere Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus mit schizoiden und paranoiden Zügen handele; es liege eine psychische Störung vor, bei der aggressive oder suizidale Handlungen nicht auszuschließen seien.
Einem Gutachten des Arztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. med. V. vom 18. Februar 2002 ist unter anderem zu entnehmen: Beim Antragsteller sei erstmals im Jahr 1987 von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. B. und in der Folgezeit von diversen Untersuchern eine schwere Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden. Beim Antragsteller liege eine Persönlichkeitsstörung mit narzistischen, emotional instabilen und dissozialen Zügen vor.
Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. v. A. stellte in einem Gutachten vom 11. Juli 2005 neben anderem fest: Psychiatrischerseits bestätige sich die Persönlichkeitsstörung nach Borderline. Aktuell sei jedoch eine psychische Stabilisierung eingetreten. Die beschriebene Persönlichkeitsstörung führe zu Überschätzung, Verzerrung der Selbstwahrnehmung, verstärkter Kränkbarkeit; insbesondere bei Provokation führe sie zu verstärkter Emotionalität und Anspannung. Es fänden sich keine Anzeichen für verstärkte Aggressivität, Suizidalität oder Fremdgefährdung.
Der Antragsteller hat im Verfahren zur Erteilung des Kleinen Waffenscheins die aufgrund der vorliegenden psychiatrischen Gutachten und Beurteilungen gerechtfertigten Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung nicht durch Vorlage des Gesundheitszeugnisses der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. K. (Amtsärztin) ausgeräumt. Die Amtsärztin stellt vielmehr im Ergebnis fest, dass beim Antragsteller die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Umgang mit Waffen im Sinn des § 6 WaffG aufgrund der phasenweise verminderten Steuerungsfähigkeit nicht vorliegen.
Es kommt für das Eilverfahren nicht darauf an, ob das Gesundheitszeugnis – wie vom Antragsteller behauptet – lediglich auf der Grundlage einer zehn Minuten dauernden Vorsprache erstellt wurde. Der Antragsteller rügt damit letztlich, das Gesundheitszeugnis entspreche nicht den Mindestanforderungen an ein amts- oder fachärztliches Zeugnis über die geistige oder körperliche Eignung (vgl. dazu OVG NW, U.v. 21.2.2014 – 16 A 2367.11 – juris Rn. 53 ff.). Entscheidend ist aber, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten waffenrechtlichen Erlaubnis nicht glaubhaft gemacht hat, weil nach wie vor ernstliche Zweifel an seiner waffenrechtlichen Eignung bestehen.
Kommt nach allem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde nicht in Betracht, scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO).
4. Die zulässige Beschwerde (21 C 16.2569) gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Klageverfahren und das (erstinstanzliche) Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsverfolgung in beiden Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf das unter Nr. 3. Dargelegte wird verwiesen.
5. Eine Kostenentscheidung ist bezüglich des Antrags auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes (21 CE 16.2568) nicht erforderlich. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist gerichtsgebührenfrei und Auslagen im Sinn des § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden; die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren 21 C 16.2569 beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig; Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren 21 C 16.2569 muss nicht festgesetzt werden, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).