Aktenzeichen 29 W 1855/17
EnEV § 16a
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 1, § 263, § 269 Abs. 3 S. 2
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3
Leitsatz
Beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite findet eine Addition der Einzelstreitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG nicht statt, soweit die Streitgegenstände gegen den ausgeschiedenen und neuen Beklagten wirtschaftlich identisch sind. (Rn. 11)
Verfahrensgang
1 HK O 1620/16 2017-10-18 LGINGOLSTADT LG Ingolstadt
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird die Kostenentscheidung in Ziffer 3. des Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 18. Oktober 2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger ¼ und der Beklagte zu 2) ¾. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 2) ¾. Im Übrigen tragen der Kläger und der Beklagte zu 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der ausgeschiedenen Beklagten zu 1) verbleibt es bei Ziffer 1. des Beschlusses vom 2. Mai 2017, wonach diese der Kläger zu tragen hat.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des Landgerichts Ingolstadt im Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil vom 18. Oktober 2017 wird dahin abgeändert, dass der Streitwert des Verfahrens bis zum mit Schriftsatz des Klägers vom 26. Januar 2017 vorgenommenen Parteiwechsel auf 40.000,- € und danach auf 30.000,- € festgesetzt wird.
Der Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 2. Mai 2017 wird in Ziffer 2. dahin abgeändert, dass der Streitwert hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) auf 40.000,- € festgesetzt wird.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger 2/5 und der Beklagte zu 2) 3/5 zu tragen.
Gründe
I. Der Kläger hat mit Klageschrift vom 19. Oktober 2016 zunächst gegen die frühere Beklagte zu 1) einen Unterlassungsanspruch sowie einen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 458,68 € nebst Zinsen hieraus geltend gemacht. Den Streitwert für den Unterlassungsanspruch wegen des Fehlens von Angaben nach § 16a EnEV hat er mit 50.000,- € beziffert, da die frühere Beklagte zu 1) am 11./12. Juni 2016 sowie – trotz zwischenzeitlicher Abmahnung vom 23. Juni 2016 – erneut am 27./28. August 2016 im „D.-kurier“ Einfamilienhäuser ohne die Pflichtangaben nach § 16a EnEV angeboten habe. Die Einzelstreitwerte hat er für den ersten Verstoß mit 30.000,- € und für den zweiten Verstoß mit 20.000,- € beziffert.
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2017 hat der Kläger einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite vorgenommen und gegen den Beklagten zu 2) einen Unterlassungsanspruch wegen des Fehlens von Angaben nach § 16a EnEV in der Anzeige vom 27./28. August 2016 sowie Abmahnkosten in Höhe von 229,34 € nebst Zinsen hieraus geltend gemacht.
Auf Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 2. Mai 2017 dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der ausgeschiedenen Beklagten zu 1) gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auferlegt.
Der Beklagte zu 2) hat die gegen ihn gestellten Klageanträge mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 anerkannt, worauf das Landgericht am 18. Oktober 2017 ein Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil erlassen hat. Die Kostenentscheidung in Ziffer 3. dieses Urteils lautet wie folgt:
„Von den Gerichtskosten trägt der Kläger 62% und trägt der Beklagte zu 2) 38%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 2) 38%. Der Kläger und der Beklagte zu 2) tragen im Übrigen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) verbleibt es beim Beschluss vom 2. Mai 2017.“
Mit Beschluss vom 18. Oktober 2017 hat das Landgericht den Streitwert auf 80.000,- € festgesetzt (§ 39 Abs. 1 GKG) und festgestellt, dass die Einzelstreitwerte in den Prozessrechtsverhältnissen des Klägers zur Beklagten zu 1) 50.000,- € sowie zum Beklagten zu 2) 30.000,- € betragen.
Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er beantragt, dem Beklagten zu 2) die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II.
Die fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Kostenentscheidung in Ziffer 3. des Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 18. Oktober 2017 ist teilweise begründet.
Die Kostenentscheidung des Landgerichts war im tenorierten Umfang abzuändern und beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Im Übrigen war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind im Streitfall bei dem vom Kläger vorgenommenen Parteiwechsel auf Beklagtenseite die Einzelstreitwerte nicht gemäß § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt auch bei einem Parteiwechsel grundsätzlich die letztlich unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Fall eines vom Kläger ausgehenden Beklagtenwechsels hat der Kläger entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die außergerichtlichen Kosten des ausscheidenden Beklagten und überdies die Mehrkosten zu tragen, die ohne den Parteiwechsel nicht angefallen wären. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat grundsätzlich der neue Beklagte zu tragen, soweit er unterliegt (vgl. BGH GRUR 2015, 159 Rn. 126 – Zugriffsrechte m. w. N.; Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 263 Rn. 109).
Damit findet beim Parteiwechsel auf Beklagtenseite eine Addition der Einzelstreitwerte nach § 39 Abs. 1 GKG nicht statt, soweit die Streitgegenstände gegen den ausgeschiedenen und neuen Beklagten wirtschaftlich identisch sind (vgl. auch Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014, § 39 GKG Rn. 2). Ob im Falle einer Klageänderung nach § 263 ZPO ohne Parteiwechsel die Werte wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts auch dann nach § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen sind, wenn sie lediglich nacheinander und nicht gleichzeitig nebeneinander geltend gemacht werden (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 2010, 648 Tz. 21 ff m. w. N.; a.A.: OLG München NJW-RR 2017, 243), kann vorliegend dahin stehen.
2. Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger den Unterlassungsanspruch gegen die frühere Beklagte zu 1) auf die beiden Verstöße vom 11./12. Juni 2016 sowie 27./28. August 2016 gestützt und insoweit den Streitwert mit 50.000,- € beziffert hat, während er nach dem Parteiwechsel den Unterlassungsanspruch gegen den neuen Beklagten zu 2) nur noch auf den Verstoß vom 27./28. August 2016 gestützt hat. Insoweit sind durch die ursprüngliche Klage gegen die Beklagte zu 1) Mehrkosten entstanden, die der Kläger zu tragen hat.
a) Entgegen der Streitwertangabe des Klägers und der Streitwertfestsetzung durch das Landgericht beträgt der Streitwert bis zum Parteiwechsel jedoch nicht 50.000,- €, sondern lediglich 40.000,- €.
aa) Der Wert eines klageweise geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist grundsätzlich gemäß § 51 Abs. 2 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden i. S. d. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG kommt es für den Streitwert auf das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an; maßgebend sind die gerade diesen drohenden Nachteile (vgl. BGH GRUR 2017, 212 – Finanzsanierungen Tz. 9 m. w. N.).
Nach allgemeiner Auffassung stellt die eigene Wertangabe eines Klägers zu Beginn des Verfahrens in der Regel ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung dar (ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München, vgl. Senat WRP 2008, 972 [976] – Jackpot-Werbung; vgl. auch BGH GRUR 1986, 93 [94] – Berufungssumme; GRUR 1977, 748 [749] – Kaffeeverlosung II; GRUR 1968, 106 [107] – Ratio-Markt), weil in diesem Verfahrensstadium, in dem die spätere Kostentragungspflicht noch offen ist, erfahrungsgemäß Angaben von größerer Objektivität erwartet werden dürfen als zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kostentragungspflicht bereits feststeht oder zumindest mit erheblicher Sicherheit vorauszusehen ist (vgl. BGH GRUR 2012, 1288 – Vorausbezahlte Telefongespräche II Tz. 4 m. w. N.). Ergibt sich allerdings aus den Gesamtumständen, dass die Streitwertangabe das tatsächliche Interesse des Antragstellers offensichtlich nicht zutreffend widerspiegelt, kommt ihr keine Bedeutung zu (vgl. Senat, a. a. O., – Jackpot-Werbung S. 976; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. November 2011 – 6 W 65/10, juris, dort Tz. 2).
bb) Im Streitfall hat zwar der Kläger in der Klageschrift den Streitwert mit 50.000,- € angegeben. Diese Angabe ist indes im Lichte der Rechtsprechung zu Streitwerten in vergleichbaren Verfahren als offensichtlich unzutreffend anzusehen, so dass eine davon abweichende Bewertung geboten ist.
Regelmäßig wird für vom Kläger eingeleitete Verfahren, in denen Unterlassungsansprüche wegen des Fehlens von Angaben nach § 16a EnEV geltend gemacht werden, ein Streitwert von 30.000,- € festgesetzt. Das entspricht sowohl der Praxis der für Streitigkeiten aus dem Lauterkeitsrecht zuständigen Senate des Oberlandesgerichts München als auch zahlreichen anderen Gerichten.
Dies rechtfertigt es jedoch nicht, bei mehrfachen Verstößen den Streitwert in Höhe von 30.000,-€ für jeden zur Klagebegründung herangezogenen Verstoß in Ansatz zu bringen. Denn durch diese Verstöße wurden nicht mehrere selbständige Unterlassungsansprüche begründet, die jeweils mit 30.000,- € bewertet und gemäß § 39 Abs. 1 GKG addiert werden könnten; es handelt sich dabei vielmehr lediglich um mehrere unter eine einheitliche konkrete Verletzungsform fallende Handlungen, die nur zu einen einheitlichen Unterlassungsanspruch geführt haben.
Allerdings ist es im Hinblick darauf, dass – nach dem insofern maßgeblichen Vortrag des Klägers in der Klageschrift – die frühere Beklagte zu 1) auch nach der Abmahnung des Klägers vom 23. Juni 2016 das beanstandete Verhalten fortgesetzt habe, gerechtfertigt, von einem überdurchschnittlichen Angriffsfaktor auszugehen. Ein Streitwert in Höhe von 40.000,- € erscheint daher gemäß § 51 Abs. 2 GKG angemessen (vgl. [unveröffentlicht]: Senatsbeschluss vom 17. Januar 2018 – 29 W 1623/17; 6. Zivilsenat d. OLG München, Beschluss v. 21. Dezember 2017 – 6 W 1604/17).
b) Da der Kläger nach dem Parteiwechsel gegen den Beklagten zu 2) nur noch den Verstoß vom 27./28. August 2016 geltend gemacht hat, beträgt der Streitwert ab diesem Zeitpunkt 30.000,- €.
c) Da der Kläger aus dem ursprünglichen Streitwert von 40.000,- € nach dem Anerkenntnis der Klageanträge durch den Beklagten zu 2) aus einem Streitwert von 30.000,- € lediglich zu ¾ obsiegt, hat er ¼ der Gerichtskosten und seiner außergerichtlichen Kosten als Mehrkosten selbst zu tragen. Der Beklagte zu 2) hat ¾ der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen; seine außergerichtlichen Kosten trägt er selbst. Im Übrigen verbleibt es beim Beschluss des Landgerichts vom 2. Mai 2017, wonach der Kläger die außergerichtlichen Kosten der ausgeschiedenen Beklagten zu 1) zu tragen hat.
b) III. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Streitwertbeschlüsse des Landgerichts vom 2. Mai 2017 und 18. Oktober 2017 gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GKG von Amts wegen abzuändern.
IV. Zu den Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Da diese berechenbar sind, bedarf der Streitwert für das Beschwerdeverfahren keiner Festsetzung. Zudem sind die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemäß Nr. 1810 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG streitwertunabhängig.