Kosten- und Gebührenrecht

Kein Anspruch auf Veröffentlichung eines Urteils

Aktenzeichen  203 VAs 82/21

Datum:
10.5.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32414
Gerichtsart:
BayObLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 475, § 480
GG Art. 2, Art. 20

 

Leitsatz

1. Es gibt keinen Anspruch eines an einem Verfahren nicht beteiligten privaten Dritten auf Veröffentlichung einer in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung in der Datenbank BAYERN.RECHT. (Rn. 6 – 7)
2. Bei der Veröffentlichung handelt es sich um eine gegenüber der Öffentlichkeit bestehende Pflicht, die aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt. (Rn. 6)
3. Im Bereich des Strafrechts kann sich für einen am Verfahren nicht beteiligten privaten Dritten ein Individualanspruch nur aus § 475 StPO und nur in der Form ergeben, dass ihm eine anonymisierte Abschrift der Entscheidung erteilt wird. (Rn. 7)
4. Ein am Verfahren nicht beteiligter privater Dritter erhält eine anonymisierte Abschrift der Entscheidung aber nur, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt. (Rn. 7)
5. Die anonymisierte Abschrift erteilt nicht der Präsident des Oberlandesgerichts, sondern die nach § 480 Abs. 1 Satz 1 StPO zuständige Stelle. (Rn. 11)

Verfahrensgang

N 1430E-269/2021 2021-02-04 Bescheid OLGNUERNBERG OLG Nürnberg

Tenor

I. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 12.02.2021 für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 04.02.2021 wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 04.02.2021, mit dem seine Anträge vom 01.02.2021, den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23.03.2017 (Az.: 2 Ws 172/17) in die Datenbank B..R.einzustellen, und sein Antrag vom 02.02.2021, eine anonymisierte Abschrift dieses Beschlusses zu erhalten, abgelehnt worden sind.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist statthaft. Im angefochtenen Bescheid wurde er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das Bayerische Oberste Landesgericht gestellt werden kann.
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere und form- und fristgerecht gestellt (§§ 24, 26 EGGVG).
III.
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 12.02.2021 für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 04.02.2021 ist jedoch zurückzuweisen, da die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 29 Abs. 4 EGGVG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Veröffentlichung der gewünschten Entscheidung in der Datenbank B..R.zu. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffende Begründung des angegriffenen Bescheids Bezug.
a) Die Gerichte sind zwar verpflichtet, ihre Entscheidungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei handelt es sich um eine gegenüber der Öffentlichkeit bestehende Pflicht, die aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt (BVerwG, Urteil vom 26.02.1997, Az.: 6 C 3/96, BVerwGE 104, 105). Dem korrespondiert aber für am Verfahren nicht beteiligte private Dritte kein allgemeiner Anspruch auf eine Veröffentlichung (vgl. OLG München, Beschluss vom 27.01.2016, Az.: 2 Ws 79/16, NStZ 2017, 311).
b) Im Bereich des Strafrechts kann sich für einen am Verfahren nicht beteiligten privaten Dritten ein Individualanspruch nur aus § 475 StPO und nur in der Form ergeben, dass ihm eine anonymisierte Abschrift der Entscheidung erteilt wird. Diese Norm löst den Konflikt zwischen dem Informationsinteresse außenstehender Personen und dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht der Verfahrensbeteiligten auf informationelle Selbstbestimmung (BGH, Beschluss vom 20.06.2018, Az.: 5 AR (Vs) 112/17, BGHSt 63, 156).
2. Dem Antragsteller steht auch kein Anspruch zu, dass ihm der Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg eine anonymisierte Abschrift der gewünschten Entscheidung erteilt. Dazu ist dieser nämlich gar nicht befugt.
a) Es ist zwar der Begründung des angegriffenen Bescheides darin zu folgen, dass es Voraussetzung für einen Anspruch nach § 475 StPO ist, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darlegt. Dazu muss er Tatsachen schlüssig vortragen, die einen persönlichen oder sachlichen Bezug zu dem Verfahren aufzeigen, aus dem er die Auskunft begehrt, wie etwa einen Zusammenhang mit einem anhängigen Zivilverfahren, an dem er selbst beteiligt ist, oder zur Vorbereitung einer effektiven Strafverteidigung (vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 475 Rn. 2; Gieg in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl., § 475 Rn. 4). Ein berechtigtes Interesse ist zu verneinen, wenn das Verfahren, aus dem der Antragsteller Erkenntnisse ziehen will, in keinerlei Zusammenhang mit den von ihm verfolgten Partikularinteressen steht (OLG München, Beschluss vom 27.01.2016, Az.: 2 Ws 79/16, NStZ 2017, 311).
Vorliegend hat der Antragsteller kein solches berechtigtes Interesse dargelegt. Er trägt lediglich vor, dass er nur allgemein nähere Erkenntnisse über das Rechtsinstitut des Klageerzwingungsverfahrens gewinnen möchte. Das genügt vorgenannten Vorgaben nicht.
b) Der Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg darf darüber jedoch nicht entscheiden. Zuständig ist nach § 480 Abs. 1 Satz 1 StPO vielmehr die Staatsanwaltschaft – hier die Staatsanwaltschaft N.-F. – im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, im Übrigen der Vorsitzende des mit Sache befassten Gerichts. Das sind die jeweils die Akten führenden Stellen, die das ihnen nach § 475 StPO eingeräumte Ermessen selbständig auszuüben haben und bei denen der Antragsteller deshalb seinen Antrag richtigerweise zu stellen hat. Es ist jedenfalls nicht das Oberlandesgericht Nürnberg, bei dem das Verfahren nicht mehr anhängig ist.
IV.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Eine sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO ist bei einer obergerichtlichen Entscheidung wie hier nicht statthaft (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 127 Rn. 29).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen (vgl. dazu Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 127 Rn. 61), da hinsichtlich des Antrags auf Veröffentlichung der gewünschten Entscheidung in der Datenbank B..R.die Rechtslage bereits höchstrichterlich geklärt ist (BGH, Beschluss vom 20.06.2018, Az.: 5 AR (Vs) 112/17, BGHSt 63, 156) und hinsichtlich des Antrags auf Erteilung einer anonymisierten Abschrift der richtige Adressat gesetzlich eindeutig bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO).


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