Kosten- und Gebührenrecht

Keine Zustellung einer Zahlungsaufforderung erforderlich

Aktenzeichen  16 T 7676/18

Datum:
18.6.2018
Fundstelle:
DGVZ – 2018, 254
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 802b, § 802f Abs. 1 S. 1, S. 4, Abs. 4

 

Leitsatz

§ 802f Abs. 4 ZPO, welcher eine Zustellung der Zahlungsaufforderung nach § 802f Abs. 1 ZPO vorschreibt, bedingt nicht, dass eine Zustellung dann geboten ist, wenn die Aufforderung nach § 802b ZPO jene nach § 802f Abs. 1 S. 1 ZPO gemäß § 802f Abs. 1 S. 4 ZPO entbehrlich macht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1500 M 2844/18 2018-05-07 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 07.05.2018, Az. 1500 M 2844/18, aufgehoben.
2. Auf Antrag der Gläubigerin wird gegen die Schuldnerin gemäß § 802g ZPO die Haft bis zur Dauer von sechs Monaten angeordnet, um die Abgabe einer Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO wegen der titulierten Gesamtforderung aus den vollstreckbaren Ausfertigungen des Vergleichs des Amtsgerichts München vom 22.06.2017 und des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 07.09.2017 üeweils Az. 174 C 2527/17) zu erzwingen, weil die Schuldnerin in dem zu Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termin vor dem zuständigen Gerichtsvollzieher trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne ausreichende Entschuldigung nicht erschienen ist.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen

Gründe

I.
Mit Formularantrag vom 13.11.2017 beauftragte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung einschließlich Abnahme der Vermögensauskunft und Erlass eines Haftbefehls für den Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des § 802g ZPO.
Die Zustellung von Titel und Vollstreckungsauftrag erfolgte am 21.12.2017.
Mit Schreiben vom 20.12.2017 gewährte der Gerichtsvollzieher der Schuldnerin eine Zahlungsfrist von zwei Wochen und kündigte an, sie nach Verstreichen nach §§ 802b, 802f I S.4 ZPO per Zustellung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden.
Mit Schreiben vom 18.01.2018, zugestellt am 19.01.2018, lud der sie zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft, zu welchem die Schuldnerin unentschuldigt nicht erschien.
Mit Schreiben vom 26.02.2018 leitete der Gerichtsvollzieher den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls, zusammen mit seiner Sonderakte, an das Amtsgericht weiter.
Nach einem Schriftwechsel zwischen Amtsgericht und Gerichtsvollzieher und Stellungnahme der Gläubigerin lehnte das Amtsgericht den Erlass eines Haftbefehls mit Beschluss vom 07.05.2018, zugestellt per am 09.05.2018 erfolgter Aufgabe zur Post, ab.
Der dagegen gerichteten Beschwerde der Gläubigerin vom 25.05.2018 half das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.06.2018 nicht ab.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und erweist sich als begründet, was zur Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts und zum antragsgemäßen Erlass eines Haftbefehls führte.
Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen sowie zweifelsfrei die sämtlichen weiteren Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO, von denen das Amtsgericht alleine eine Zustellung der Zahlungsaufforderung vermisste. Eine solche war vorliegend aber nicht erforderlich.
Die Zustellung einer nach § 802b ZPO erfolgten Aufforderung verlangt das Gesetz nicht. Eine solche war hier mit dem Schreiben vom 20.12.2017 erfolgt. Nach Auffassung des Amtsgerichts bedingt aber § 802f IV ZPO, welcher auch eine Zustellung der Zahlungsaufforderung nach § 802f I ZPO vorschreibt, dass eine solche Zustellung dann geboten ist, wenn die Aufforderung nach § 802b ZPO jene nach § 802f I S.1 ZPO gemäß § 802f I S.4 ZPO entbehrlich macht.
a) Dies folgt nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes, § 802f IV ZPO. Dieser bezieht sich alleine auf Zahlungsaufforderungen nach § 802f I bis III ZPO. Eine Aufforderung nach § 802b ZPO wird aber nicht deshalb zu einer solchen nach § 802f I bis III ZPO, weil sie später nach § 802f I S.4 ZPO die Aufforderung nach § 802f I S.1 ZPO entbehrlich macht. Vielmehr liegt in den Fällen des § 802f I S.4 ZPO gerade keine der in § 802f IV ZPO genannten Aufforderungen vor. In diesen Fällen ist es vielmehr so, dass bereits mindestens zwei Wochen zuvor eine Zahlungsaufforderung auf anderer w Grundlage erfolgt ist. Es kann sich gerade um keine Zahlungsaufforderung nach § 802f I ZPO handeln, wenn eine solche ausdrücklich entbehrlich ist.
b) Wieso es dem Zweck der Vorschrift entsprechen soll, eine Zahlungsaufforderung nochmals zuzustellen, ist nicht erkennbar und dem angegriffenen Beschluss nicht zu entnehmen. Nach § 802f I S.4 ZPO kann der Termin ohne Fristsetzung festgesetzt werden. Dies setzt die Aufforderung zur Zahlung durch den Gerichtsvollzieher voraus. Nach der Gesetzesbegründung muss die Aufforderung im selben Vollstfeckungsverfahren erfolgen, beispielsweise bei dem Versuch einer gütlichen Einigung oder vor einem Pfändungsversuch. Der Gesetzgeber nennt dabei gerade den vorherigen Einigungsversuch (BT Drs. 18/7560, S. 37). Die Aufforderung muss weder eine Frist enthalten noch die Ankündigung einer Terminsladung. Eine Mindestfrist zwischen dem Zugang der Terminbestimmung und dem Termin sieht das Gesetz nicht vor (Musielak/Voit/Voit ZPO § 802f Rn. 3). Die in § 802f I S.1 ZPO genannte Frist würde nach der Gesetzesbegründung das Verfahren nur unnötig verzögern (BT Drs. 18/7560, S. 37).
Zweck der Vorschrift des neu eingefügten § 802f i S.4 ZPO ist damit eine Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung. Wäre die Auffassung des Amtsgerichts zutreffend, könnte dieser Zweck aber nur dann erreicht werden, wenn eine Aufforderung im Rahmen eines Einigungsangebots stets zugestellt würde. Andernfalls müsste nunmehr trotz § 802f I S.4 ZPO eine Zustellung nach § 802f I S.1 ZPO erfolgen um den Formerfordernissen zu genügen. Für das Erfordernis der Zustellung einer Zahlungsaufforderung nach § 802b ZPO spricht, nachdem dem Schuldner auch nach § 804f I S.4 ZPO eine Frist von zwei Wochen eingeräumt wurde, die Nachweismöglichkeit des Empfangs der Aufforderung. Nachteile für den Schuldner sind aber kaum ersichtlich. Auch nach Erhalt der Ladung zum Termin hat er noch die Abwendungsmöglichkeit durch Zahlung. Dass ihm die Frist hierfür regelmäßig verkürzt sein wird (andernfalls würde der Gerichtsvollzieher wohl von der nochmaligen Aufforderung Gebrauch machen) ist ein Nachteil, der durch den Vorteil der mindestens zwei Wochen vorangegangenen Aufforderung aufgewogen wird und welcher zum gesetzgeberischen Zwecke der Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens ohnehin hinzunehmen ist.
d) Die Zustellung der Ladung zum Termin ist erfolgt. Der Gerichtsvollzieher hat dabei, was in seinem pflichtgemäßem Ermessen liegt, die Zustellung selbst vorgenommen (§ 192 I iVm § 193; Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 802f ZPO, Rn. 6).
e) Es ist noch darauf hinzuweisen, dass das verbindlich eingeführte und beim Antrag vom 13.11.2017 verwendete Formular im Modul „H“ die Möglichkeit enthält, bereits im Auftrag an den Gerichtsvollzieher den Haftantrag nach § 802g I 1 ZPO zu stellen (Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 802g ZPO, Rn. 2). Die ist vorliegend geschehen, weswegen es ei nes weiteren Antrags durch den Gläubiger an das Gericht nicht mehr bedurfte.
III.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestanden nicht.

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