Kosten- und Gebührenrecht

Kostenentscheidung im Verfahren über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei Nichtbetreiben der Vollstreckungsabwehrklage

Aktenzeichen  17 O 3408/16

Datum:
16.1.2017
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 3, § 91, § 269 Abs. 3 S. 2, § 769, § 795 S. 1
RVG RVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11
GKG GKG § 48 Abs. 1
VV RVG Nr. 3100, Nr. 3403

 

Leitsatz

1 Wird der Antrag eines Schuldners auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO zurückgewiesen und nimmt der Schuldner von seiner Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO dadurch gleichsam stillschweigend Abstand, dass er weder den angeforderten Gerichtskostenvorschuss einzahlt noch seine Klage zurücknimmt, ist jedenfalls über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden, soweit sie die Prüfung der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung betreffen. (Rn. 6 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gegenstandswert für das Verfahren über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung berechnet sich gemäß § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse des Schuldners an der Einstellung. Regelmäßig ist ein Wert in Höhe von einem Fünftel des Hauptsachewertes anzunehmen, da mit dem Verfahren lediglich ein zeitweiliger Zahlungsaufschub angestrebt wird. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der streitgegenständlichen notariellen Urkunde betreffen.
2. Der Streitwert wird insoweit auf 134.000 € festgesetzt.

Gründe

A.
Mit Schriftsatz vom 11.05.2016 reichte der Antragsteller eine Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 795 S. 1, 767 ZPO bei Gericht ein und beantragte zugleich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 795 S. 1, 769 ZPO aus der Kaufvertragsurkunde des Notars vom 13.05.2015, URNr. G 999/2015.
Mit Beschluss vom 17.05.2016 wies die Kammer den Antrag ab, setzte den Streitwert vorläufig auf 670.000 € fest und forderte gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GKG den Gerichtskostenvorschuss an.
Mit Schriftsätzen vom 06.06.2016 und 08.08.2016 erhob der Antragsteller gegen den Beschluss der Kammer Gegenvorstellungen, die jedoch erfolglos blieben. Mit Schriftsatz vom 18.08.2016 beantragte er nochmals die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Die Antragsgegner nahmen zu diesen Anträgen mit Schriftsatz vom 14.09.2016 Stellung und teilten mit, dass sie zwischenzeitlich von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückgetreten seien.
Der Gerichtskostenvorschuss wurde bislang nicht einbezahlt, die Klageschrift nicht zugestellt.
B.
Es kann dahinstehen, ob in dieser Konstellation von einer fiktiven Klagerücknahme auszugehen ist, die analog § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO eine Entscheidung über die (gesamten) Kosten des Rechtsstreits veranlasst. Denn jedenfalls kann – und muss – über die Kosten des Rechtsstreits entschieden werden, soweit sie die Prüfung der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung betreffen.
Dies kann nicht mit dem Einwand abgelehnt werden, für die anwaltliche Stellungnahme der Beklagten zum Antrag nach §§ 795 S. 1, 769 ZPO falle keine gesonderte Vergütung an, da diese gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG zum Rechtszug gehöre. Die Einordnung der vor der Zustellung der Klage erfolgten Stellungnahme zu einem Antrag nach § 769 ZPO als Tätigkeit, die mit dem Rechtszug oder dem Verfahren zusammenhängt und deshalb keine eigenen Gebühren entstehen lässt, ist zwar in der Sache zutreffend. Eine Verfahrensgebühr ist jedoch entstanden. Denn die Verfahrensgebühr entsteht gemäß Vorb. 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ist erstattungsfähig, sobald der Rechtsanwalt von einer Partei zum Prozessbevollmächtigten bestellt worden ist und eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat. Hierzu gehört u.a. der prozessbezogene Schriftverkehr mit den Parteien, Dritten und dem Gericht. Im Regelfall entsteht die Verfahrensgebühr mit der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrags. Dies setzt bei keiner Partei die Anhängigkeit und gar die Rechtshängigkeit der Klage voraus. Die Frage der Zustellung der Klage spielt daher im Ergebnis keine Rolle (vgl. zum Ganzen OLG Koblenz, Beschluss vom 01.04.2016, Az. 14 W 154/16).
Durch die Stellungnahme zu der zweiten Gegenvorstellung des Klägers haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch eine die Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit entfaltet, da hierin prozessbezogener Schriftverkehr zu sehen ist.
Die gegenteilige Ansicht des Klägers führte dazu, dass die Beklagten überhaupt keinen Kostenerstattungsanspruch geltend machen könnte, was mit dem Grundgedanken des § 91 ZPO unvereinbar ist. Insbesondere kann es dem Kläger nicht zum Vorteil gereichen, dass er für seine Klage weder den geforderten Gerichtskostenvorschuss eingezahlt noch sie zurückgenommen, sondern gleichsam stillschweigend von ihr Abstand genommen hat.
C.
Der Gegenstandswert für das Verfahren betreffend die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht mit dem vollen Wert der Hauptsache anzusetzen, sondern berechnet sich nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO nach dem Interesse an der Einstellung. Regelmäßig ist hier ein Wert in Höhe von einem Fünftel des Hauptsachewerts anzunehmen, da mit dem Verfahren nicht der Titel angegriffen, sondern lediglich ein zeitweiliger Zahlungsaufschub angestrebt wird (BGH, NJW 1991, 2280; OLG Bamberg, Beschluss vom 26.03.1981, Az. 3 W 25/81).
Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall ein höherer Wert maßgeblich sein könnte, haben sich nicht ergeben.
D.
Für das Kostenfestsetzungsverfahren ist noch darauf hinzuweisen, dass eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auch nach den Grundsätzen des OLG Koblenz aus dem Beschluss vom 01.04.2016, Az. 14 W 154/16, nur zugesprochen werden kann, wenn die potentiellen Beklagten ihren Anwalt bereits zum Prozessbevollmächtigten bestellt hatten. Wäre er hingegen zunächst nur mit der Erwiderung auf den Einstellungsantrag beauftragt worden, wäre nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG zu vergüten.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben