Aktenzeichen NotZ 21/09
Verfahrensgang
vorgehend OLG Celle, 17. August 2009, Az: Not 6/09, Beschluss
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 17. August 2009 – Not 6/09 – wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner und den weiteren Beteiligten die in dem Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Wert des Beschwerdegegenstands: 50.000 Euro
Gründe
I.
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Der Antragsgegner schrieb im Jahr 2008 vier Anwaltsnotarstellen im Amtsgerichtsbezirk Osnabrück aus, auf die sich insgesamt zehn Rechtsanwälte bewarben, darunter auch der 1961 geborene, seit 1993 bei dem Amts- und Landgericht Osnabrück zugelassene Antragsteller.
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Mit Schreiben vom 3. April 2009 wies der Antragsgegner den Antragsteller auf seine Absicht hin, ihm als zweitplazierten der zunächst erstellten Rangfolge eine der ausgeschriebenen Notarstellen zu übertragen. Am 23. April 2009 nahm der Antragsgegner diesen Bescheid zurück mit der Begründung, es bestehe der Verdacht, der Antragsteller habe am 23. April 2008 wissentlich einen Grundstückskaufvertrag mit einem niedrigeren als dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis beurkundet, um dem Käufer die Zahlung von Grunderwerbsteuern zu ersparen. Nach weiteren Ermittlungen und Zeugeneinvernahmen teilte der Antragsgegner dem Antragsteller am 28. Mai 2009 mit, seiner Bewerbung könne nicht entsprochen werden, weil er für das Amt des Notars aufgrund seiner Persönlichkeit nicht geeignet sei.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt mit dem Begehren, den Antragsgegner unter Aufhebung seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 zu verpflichten, ihn zum Notar zu bestellen, hilfsweise unter Aufhebung vorgenannter Entscheidung den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
II.
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Die sofortige Beschwerde bleibt erfolglos. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid des Antragsgegners nicht rechtswidrig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO).
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO sind nur solche Bewerber zu Notaren zu bestellen, die unter anderem nach ihrer Persönlichkeit für das Amt des Notars geeignet sind.
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1. Die persönliche Eignung ist zu bejahen, wenn die inneren und äußeren Eigenschaften des Bewerbers, wie sie sich insbesondere in seinem äußeren Verhalten offenbaren, keinen begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die Aufgaben und Pflichten eines Notars gewissenhaft erfüllen werde. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Aufgaben, die der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen hat (§ 1 BNotO), darf der an die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers anzulegende Maßstab nicht zu milde sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Juli 2000 – NotZ 5/00 – DNotZ 2000, 943 und vom 17. November 2008 – NotZ 10/08 – NJW-RR 2009, 350, 351).
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Als Träger eines öffentlichen Amtes, der auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege hoheitliche Funktionen wahrnimmt, ist der Notar in besonderem Maße zur Integrität verpflichtet. Die erhöhten Anforderungen rechtfertigen sich daraus, dass die Leistungsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege wesentlich von dem Vertrauen der Rechtsuchenden in die Rechtspflegeorgane abhängt und dafür unbedingte Integrität der Amtspersonen gefordert ist. Dementsprechend ist durch § 14 Abs. 3 Satz 1 BNotO festgelegt, dass sich der Notar durch sein Verhalten innerhalb und außerhalb seines Berufs der Achtung und des Vertrauens, die seinem Beruf entgegengebracht werden, würdig zu zeigen hat. Wesentliche Voraussetzung dafür, dass der rechtsuchende Bürger dem Notar Achtung und Vertrauen entgegenbringen kann, sind nicht nur Fähigkeiten wie Urteilsvermögen, Entschlusskraft, Standfestigkeit, Verhandlungsgeschick und wirtschaftliches Verständnis, sondern vor allem uneingeschränkte Wahrhaftigkeit und Redlichkeit.
8
In dem auf die Besetzung einer Notarstelle gerichteten Verwaltungsverfahren besteht nicht zugunsten des Bewerbers eine “Eignungsvermutung”, vielmehr ist die persönliche Eignung des Bewerbers für das Notaramt positiv festzustellen. Hat die Justizverwaltung begründete Zweifel an der persönlichen Eignung, darf sie ihn nicht oder noch nicht zum Notar bestellen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. März 1997 – NotZ 19/96 – DNotZ 1997, 891, 893, vom 31. Juli 2000 aaO und vom 17. November 2008 aaO). Die persönliche Eignung für dieses Amt ist als unbestimmter Rechtsbegriff zu qualifizieren, dessen Interpretation durch die Landesjustizverwaltung gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Landesjustizverwaltung verbleibt allerdings bei der Prognose, ob der Bewerber aufgrund seiner richtig festgestellten und rechtlich zutreffend bewerteten persönlichen Umstände für das Amt geeignet ist, ein Beurteilungsspielraum (vgl. Senat BGHZ 134, 137, 139 ff.; Senatsbeschluss vom 12. Juli 2004 – NotZ 1/04 – DNotZ 2005, 146, 147). Dabei ist für die Beurteilung grundsätzlich der Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist maßgeblich (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Juli 2000 aaO S. 944 m.w.N. sowie vom 17. November 2008 aaO).
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2. Derzeit ist die persönliche Eignung des Antragstellers nicht gegeben, was nach den vorbeschriebenen Grundsätzen einer Bestellung des Antragsstellers zum Notar entgegensteht.
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Der Antragsteller hat als amtlich bestellter Notarvertreter gegen die einem Notar obliegende Pflicht verstoßen, die Mitwirkung an Geschäften zu verweigern, mit denen die Parteien erkennbar unredliche oder unerlaubte Zwecke verfolgen (§§ 95, 14 Abs. 2 BNotO). Gleichzeitig hat er sich an der Begehung einer Steuerstraftat beteiligt:
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a) Aufgrund der von dem Antragsgegner und dem Senat für Notarsachen des Oberlandesgerichts Celle angestellten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Antragsteller am 23. April 2008 wissentlich einen zu niedrigen Grundstückskaufpreis beurkundet hat, um dem Käufer, dem ihm bekannten Zeugen M., die Zahlung eines Teils der Grunderwerbsteuer zu ersparen:
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Nach Scheitern ihrer Ehe mit dem Zeugen L. H. wollte die Zeugin S. H. ein im Jahr 2002 für 255.000 Euro gemeinsam erworbenes, von ihr mit ihrer Tochter nunmehr allein bewohntes Haus veräußern, da sie die laufenden Verbindlichkeiten auf Dauer nicht mehr bedienen konnte. Käufer sollte der Zeuge M., der neue Lebensgefährte der Zeugin H. sein. Auf dessen Empfehlung suchte die Zeugin H. am 3. April 2008 den Antragsteller auf mit der Vorstellung, das Haus, dessen Wert ein Maklerbüro auf ca. 240.000 Euro taxiert hatte, zum Anschaffungspreis von 255.000 Euro zu veräußern. Dementsprechend fertigte Rechtsanwalt und Notar G., der bei dem Besprechungstermin am 3. April 2008 nicht zugegen gewesen war, auf der Grundlage der vom Antragsteller gemachten Notizen am 9. April 2008 einen der Zeugin H. übersandten Entwurf eines Kaufvertrags; der Kaufpreis von 255.000 Euro sollte in eine Zahlung von 155.000 Euro und eine zinslose, durch Grundschuld abgesicherte Stundung von 100.000 Euro aufgeteilt werden.
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Am 15. April 2008 suchten die Zeugen H. und M. den Antragsteller gemeinsam auf, wobei alle Anwesenden übereinkamen, zwecks Grunderwerbsteuerersparnis einen Kaufpreis von nur 150.000 Euro zu beurkunden. Dieser Betrag entsprach den noch auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten. Der restliche Kaufpreis von 100.000 Euro sollte – um bei einer eventuellen Notarprüfung nicht aufzufallen – durch eine bei einem anderen Notar zu beurkundende Grundschuld abgesichert werden. Entsprechend beurkundete der Antragsteller als amtlich bestellter Notarvertreter am 23. April 2008 zur UR-Nr. 126/2008 den Grundstückskaufvertrag zu einem Preis in Höhe von 150.000 Euro.
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Nachdem sich die Zeugen H. und M. um die Jahreswende 2008/2009 endgültig getrennt hatten, kam es – obwohl schon ein entsprechender Notartermin vereinbart war, den der Zeuge M. nicht einhielt – nicht mehr zur Bestellung der Grundschuld zugunsten der Zeugin H. Gleichwohl zahlte der Zeuge M. auf anwaltliche Anforderung des restlichen “Kaufpreises” von 100.000 Euro am 25. März 2009 einen entsprechenden Betrag an die Zeugin H., wobei er zur Finanzierung eine Grundschuld über 100.000 Euro an dem erworbenen Grundstück bestellen musste. Die Beurkundung erfolgte durch den Antragsteller als amtlich bestellter Notarvertreter.
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b) Soweit der Antragsteller abweichend unter Berufung auf den Zeugen M. behauptet, die Parteien hätten am 15. April 2008 übereinstimmend einen Kaufpreis von nur 150.000 Euro angegeben, von einer möglichen Grunderwerbsteuerersparnis sei niemals die Rede gewesen, wird dies durch die Aussage der Zeugin H. widerlegt. Anders als der Zeuge M., den mit dem Antragsteller eine “Duz-Bekanntschaft” verbindet und der dem Verdacht einer Steuerhinterziehung ausgesetzt ist, hatte die Zeugin H. keine Veranlassung zugunsten oder zulasten des ihr zuvor unbekannten Antragstellers falsch auszusagen. Sowohl bei ihrer Vernehmung durch den Antragsgegner als auch bei ihrer Aussage vor dem Oberlandesgericht Celle hat die Zeugin davon berichtet, bereits am 3. April 2008 auf Empfehlung des Zeugen M. den Antragsteller mit einer Kaufpreisvorstellung von 255.000 Euro aufgesucht zu haben. Dies war dem Antragsteller seiner eigenen Einlassung zufolge auch bei dem Besprechungstermin am 15. April 2008 noch aktuell bewusst, unabhängig davon, ob sich zu diesem Zeitpunkt der von dem Notar G. am 9. April 2008 nach seinen Notizen gefertigte Entwurf eines Kaufvertrags über einen Kaufpreis von 255.000 Euro bei den Akten befunden hat oder nicht. Eine (scheinbare) Kaufpreisreduzierung um 105.000 Euro binnen weniger Tage erklärt sich mit dem allseitigen Bestreben, dem Käufer Grunderwerbsteuer zu “sparen”. Diese Möglichkeit der “Steuerersparnis” ist bei der Besprechung am 15. April 2008 in Gegenwart des Antragstellers von dem Erwerber M. thematisiert worden, was sich aus den glaubhaften Bekundungen der Zeugin H. ergibt. Auch ihr Ehemann, der Zeuge H., hat – insoweit allerdings nur als Zeuge vom Hörensagen – bei seiner Vernehmung durch den Antragsgegner berichtet, Motiv für eine Beurkundung eines Kaufpreises von nur 150.000 Euro sei die mögliche “Grunderwerbsteuerersparnis” gewesen. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin H. spricht vor allem ihre wiederholte Bekundung, der Antragsteller habe bei dem Gespräch am 15. April 2009 eine Beurkundung der vereinbarten Grundschuld über 100.000 Euro abgelehnt und sie an einen anderen Notar verwiesen mit der Begründung, “wenn er eine Revision ins Haus bekäme, dann wäre er dran”. Dass die in Notarangelegenheiten unerfahrene Zeugin H. eine solche Äußerung erfunden haben könnte, liegt fern, zumal auch der Zeuge H. in seiner Vernehmung vor dem Antragsgegner bestätigt hat, die im Kaufvertrag nicht beurkundete Restsumme von 100.000 Euro sollte “woanders beurkundet werden”. Die Aussage der Zeugin H. findet eine objektive Bestätigung darin, dass der Zeuge M. zunächst mit der Beurkundung einer Grundschuld einverstanden war, bevor er am 9. Oktober 2008 den vereinbarten Notartermin “platzen” ließ. Ferner vor allem dadurch, dass der Zeuge M. auf anwaltliche Anforderung des “Restkaufpreises” von 100.000 Euro diesen Betrag unter Aufnahme eines Kredits am 25. März 2009 tatsächlich an die Zeugin H. zahlte. Einen auch nur annähernd plausiblen anderen Zweck für diese Zahlung konnte der Zeuge M. nicht darlegen.
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3. Nach alledem handelte es sich bei dem beurkundeten Vorgang um ein Scheingeschäft nach § 117 BGB, das – wie dem Antragsteller bewusst war – unredlichen Zwecken diente. Seine persönliche Eignung zum Notar ist damit derzeit nicht gegeben, so dass seine Bewerbung nicht in das Auswahlverfahren gemäß § 6 Abs. 3 BNotO einzubeziehen war.
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