Kosten- und Gebührenrecht

Untersagung privater Hundehaltung

Aktenzeichen  9 C 15.2201

Datum:
22.1.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 41772
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 114 S. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG § 40

 

Leitsatz

Spricht einiges dafür, dass der angefochtene Bescheid  nicht auf hinreichenden Ermessenserwägungen beruht und damit die Erfolgsaussichten als offen zu beurteilen sind, so genügt dies für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht iSd § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 15.854 2015-09-01 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Den Klägern wird unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 1. September 2015 Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Malte Magold bewilligt.

Gründe

I.
Die Kläger begehren Prozesskostenhilfe für ihre Klage gegen den Bescheid des Landratsamts …-… vom 27. April 2015, mit dem ihnen die Nutzung ihres Grundstücks FlNr. 147/6 Gemarkung W. zur Haltung von mehr als zwei Hunden vier Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids untersagt wurde. Das Grundstück der Kläger, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 13 „S.“ des Marktes W., der hier ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Die Kläger halten insgesamt vier eigene Hunde. Nach Angaben ihres Bevollmächtigten vom 9. Januar 2015 werden „interimsweise“ vier weitere Hunde betreut und sämtliche Hunde zur Nachtzeit im Haus gehalten.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die verfügte Begrenzung der Hundehaltung auf dem Grundstück der Antragsteller auf zwei Hunde sei nicht zu beanstanden, da die Haltung von mehr als zwei Hunden im Wohnhaus der Kläger bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Kläger haben einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im ersten Rechtszug, da sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen können und die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Die Beiordnung des Bevollmächtigten beruht auf § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.
1. Die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen liegen vor.
Ausweislich ihrer Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse können die Kläger die Kosten der Prozessführung nicht, auch nicht teilweise oder in Raten, selbst aufbringen. Der Kläger hat sein durchschnittliches Nettoerwerbseinkommen nicht zur Prozessführung einzusetzen. Denn nach Abzug des Mehrbedarfs für Erwerbstätige (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO), der Kosten für Unterkunft (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO), der besonderen Belastungen aus Abzahlungsverpflichtungen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO) und der Unterhaltsfreibeträge (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO) verbleibt kein einzusetzendes Einkommen mehr. Das Einkommen der Klägerin ist aufgrund der geringen Höhe ebenfalls nicht einzusetzen.
2. Die Klage bietet nach dem im Verfahren der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Prognosemaßstab hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Im Rahmen der Prüfung hinreichender Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dürfen die eigentliche Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Hauptsacheverfahren in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert werden und die Anforderungen nicht überspannt werden (BVerfG, B. v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – juris Rn. 12). Der Erfolg muss nicht gewiss sein; es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage kommt, wie ein Unterliegen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26). Hinreichend ist die Erfolgsaussicht jedenfalls dann, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint. Nach diesem Maßstab bietet die Rechtsverfolgung durch die Kläger hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Beklagte stützte die mit Bescheid vom 27. April 2015 verfügte Untersagung der Haltung von mehr als zwei Hunden auf Art. 76 Satz 2 BayBO. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann danach diese Nutzung untersagt werden. Erforderlich ist insoweit eine pflichtgemäße Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG), die vom Verwaltungsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO).
Im vorliegenden Fall berufen sich die Kläger darauf, dass nur eine private Hundehaltung innerhalb des Wohnhauses vorliege und keine baulichen Anlagen zur Hundehaltung auf dem Grundstück errichtet seien. Es sind deshalb hier nicht nur die Anzahl der Tiere insgesamt, sondern auch die Umstände der Haltung zu berücksichtigen und zu prüfen, ob sich insoweit gegenüber der Haltung außerhalb des Wohnhauses, z. B. in Zwingern, gegebenenfalls ein anderer Maßstab ergibt. Zwar hat das Verwaltungsgericht in seinen Ausführungen auf die zutreffend heranzuziehenden Überlegungen hinsichtlich der (geringen) Größe des Wohnhauses und der Eigenart des Baugebiets abgestellt, entsprechende Erwägungen zur Haltung der Tiere im Wohnhaus finden sich jedoch im Ausgangsbescheid des Beklagten nicht. Der Beklagte stellt in seinen Ermessenserwägungen lediglich auf die Gesamtzahl der Hunde der Kläger im allgemeinen Wohngebiet ab, trifft aber keine Aussagen zum Halten der Tiere im Wohnhaus und den maßgeblichen Rahmenbedingungen. Der Bescheid lässt ferner auch Ausführungen zur Rasse, zur Größe und ggf. zum Platzbedarf der Hunde vermissen. Es spricht daher einiges dafür, dass der Bescheid des Beklagten vom 27. April 2015 in der angefochtenen Fassung nicht auf hinreichenden Ermessenserwägungen beruht und damit die Erfolgsaussichten als offen zu beurteilen sind. Dies genügt für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. BayVGH, B. v. 2.8.2010 – 9 C 10.343 – juris Rn. 5), um sicherzustellen, dass den Klägern ein weitgehend gleicher Zugang zu Gericht ermöglicht wird.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, da die Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet werden (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO) und Gerichtsgebühren nur bei einer Zurückweisung der Beschwerde anfallen (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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