Kosten- und Gebührenrecht

Unzulässige Berufung anstelle Antrags auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  23 B 20.1965

Datum:
2.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26761
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 4, § 125 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Umdeutung einer nicht statthaften Berufung in einen statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung kommt nicht in Betracht, wenn ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter diese Rechtsmittelerklärung abgegeben hat. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 18.2003 2020-06-23 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird verworfen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.593,37 Euro festgesetzt.

Gründe

Die am 14. August 2020 vom zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegte Berufung gegen das ihrem erstinstanzlichem Prozessbevollmächtigten am 20. Juli 2020 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Juni 2020 (Az. RO 4 K 18.2003) ist mangels Statthaftigkeit unzulässig und deshalb nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zu verwerfen (§ 125 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung ist nicht statthaft. Das Rechtsmittel der Berufung gegen Endurteile steht den Beteiligten nach der Verwaltungsgerichtsordnung nur dann zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht (bzw. Verwaltungsgerichtshof) zugelassen wird (§ 124 Abs. 1 VwGO). Obwohl eine Zulassung der Berufung hier nicht erfolgt ist, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin entgegen der zutreffenden und vollständigen Rechtsmittelbelehrungin dem angefochtenen Urteil keinen vorliegend allein statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil gestellt, sondern hiergegen ausdrücklich Berufung eingelegt. Diese ist mangels Statthaftigkeit jedoch unzulässig (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 10 B 19.1067 – juris Rn. 6).
Eine Auslegung als Zulassungsantrag gemäß § 124a Abs. 4 VwGO ist angesichts der ausdrücklichen Bezeichnung des Rechtsmittels als Berufung und mangels jeglichen Anhaltspunkts für einen davon abweichenden Willen weder möglich noch zulässig. Gegen eine (versehentliche) Falschbezeichnung („falsa demonstratio non nocet“) sprechen auch die im Schriftsatz vom 14. August 2020 weiter verwendeten Begriffe „Berufungsführerin“, „Berufungsbeklagte“ und „Berufungsbegründung“ (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2008 – 6 C 32.07 – juris Rn. 23; OVG Berlin-Bbg, B.v. 24.11.2009 – 9 B 38/09 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 10 B 19.1067 – juris Rn. 7).
Auch eine Umdeutung der nicht statthaften Berufung in einen statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung kommt nicht in Betracht. Eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter abgegeben hat, ist einer Umdeutung durch das Gericht grundsätzlich unzugänglich (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2008 – 6 C 32.07 – juris Rn. 25; B.v. 19.4.2010 – 9 B 4.10 – juris Rn. 5; B.v. 21.6.2013 – 8 B 16.13 – juris Rn. 2; B.v. 2.5.2016 – 9 B 12.16 – juris Rn. 8; BGH, B.v. 23.11.2015 – NotZ (Brfg) 3/15 – juris Rn. 11; B.v. 2.6.2017 – AnwZ (Brfg) 26/16 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 10 B 19.1067 – juris Rn. 8). Die Berufung umfasst nicht zugleich auch den Antrag auf Zulassung der Berufung. Beide Rechtsbehelfe betreffen nämlich unterschiedliche Gegenstände. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung wird allein die Zulassung dieses Rechtsmittels durch den Verwaltungsgerichtshof begehrt. Die Berufung richtet sich hingegen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind auch nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen, so dass eine unzulässige Berufung nicht in einen fristwahrenden Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2016 – 9 B 12.16 – juris Rn. 7). Eine Umdeutung ist nur dann möglich, wenn innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO das wirkliche Begehren klargestellt wird (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2008 – 6 C 32.07 – juris Rn. 25; B.v. 19.4.2010 – 9 B 4.10 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 10 B 19.1067 – juris Rn. 9). Nach Zustellung des Urteils am 20. Juli 2020 endete die Frist für den Zulassungsantrag am 20. August 2020 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), ohne dass bis dahin eine derartige Klarstellung erfolgt wäre. Eine Umdeutung der unstatthaften Berufung in einen statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung scheidet daher aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).


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