Medizinrecht

Ärztliches Attest zur Reisefähigkeit bei geplanter Rückführung

Aktenzeichen  M 9 S7 16.50537

Datum:
10.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Ein an paranoider Schizophrenie erkrankter, reisefähiger Asylbewerber kann nach Italien rücküberstellt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 11. Februar 2016 (M 9 S 16.50072) und vom 23. Februar 2016 (M 9 S7 16.50170) wurden Eilanträge des Antragstellers abgelehnt. Auf die Beschlüsse wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2016 beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers erneut gemäß § 80 Abs. 7 VwGO:
Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. Februar 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage M 9 K 16.50071 anzuordnen.
Beigefügt ist ein Attest des Klinikums der …, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom …April 2016 zur Vorlage bei Behörden, wonach der Antragsteller sich seit dem 17. März 2016 in stationär-psychiatrischer Behandlung wegen der psychiatrischen Hauptdiagnose paranoide Schizophrenie befinde. Der Antragsteller sei mit imperativen Stimmen zur Aufnahme gekommen und freiwillig auf der geschützten Station verblieben. Der somatische Befund sei unauffällig. Nach dem psychopathologischen Befund bei der Aufnahme würden akustische Halluzinationen im Sinne imperativer Stimmen bestehen, sich selbst oder andere zu verletzen oder zu töten sowie Verfolgungserleben und diesbezügliche Ängste. Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft läge vor. Aus ärztlicher Sicht sei die Weiterbehandlung des Antragstellers in Deutschland dringend indiziert. Eine mögliche Abschiebung könne mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Destabilisierung führen, woraus sich eine akute Gefährdung für den Antragsteller ergeben könnte. Eine medikamentöse Akuttherapie erfolge.
Rückfragen durch das Gericht haben ergeben, dass der Antragsteller nicht stationär untergebracht ist. Im Zusammenhang mit Ausreiseaufforderungen seit Februar 2016 habe sich der Antragsteller mit Anfällen freiwillig in die Klinik begeben; die psychiatrische Klinik habe jeweils Kostenübernahmezusagen für den Antragsteller verlangt. Das Bundesamt habe die Überstellungsfrist bis 11. August 2017 verlängert, da der Antragsteller zwischendurch aus seiner Unterkunft verschwunden sei und deshalb abgemeldet wurde. Das zuständige Ausländeramt habe ein Gutachten über die Reisetauglichkeit des Antragstellers eingeholt, das die Reisetauglichkeit des Antragstellers bestätige. Dieses Gutachten sei zur Überprüfung und Rücksprache mit den italienischen Behörden dem Bundesamt vorgelegt worden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Im vorliegenden Fall hat sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht geändert. Der Antragsteller ist entgegen dem Eindruck, den er und seine Bevollmächtigte durch Vorlage eines veralteten Attestes zunächst erweckt haben, nicht stationär untergebracht. Er hat sich nach Aktenlage wiederholt mit unterschiedlichen Symptomen in stationäre psychiatrische Behandlung begeben und jeweils ohne organische Auffälligkeiten schwer überprüfbare Symptome gezeigt. Nach dem diesmal vorgelegten ärztlichen Attest benötigte der Antragsteller im April 2016 lediglich Medikamente und keine sonstige Therapie. Aussagen darüber, dass der Antragsteller reiseunfähig sein könnte, sind dem Attest nicht zu entnehmen. Es erschließt sich nicht, wieso ein von zwei Fachärzten unterschriebenes psychiatrisches Attest zu dem Ergebnis kommt, dass außer der Einnahme von Medikamenten für einen nicht näher bezeichneten Zeitraum ohne jede sonstige Therapie- oder Behandlungsbedürftigkeit die dringende Weiterbehandlung des Klägers in Deutschland indiziert sei. Was aus fachlicher Sicht unter „engmaschigen ambulant-psychiatrischen Kontakten“ oder „adäquater Therapie“ zu verstehen ist, bleibt offen.
Da Gründe, die eine Rückführung nach Italien wegen fehlender Reisefähigkeit oder fehlender medizinischer Behandlungsmöglichkeit entgegenstehen könnten, nach dem Attest nicht festzustellen sind, war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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