Medizinrecht

Angriff gegen erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufungsbegründung

Aktenzeichen  13 U 3187/16

Datum:
22.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137213
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
§ 520 Abs. 3, § 529 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ersetzt die Klägerin in der Berufungsbegründung im Wesentlichen nur die gerichtliche Überzeugungsbildung durch ihre eigene, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf, der vom Berufungsgericht zu korrigieren wäre.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

41 O 18959/14 2016-07-01 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.07.2016, Az. 41 O 18959/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 128.316,00 € festzusetzen.
3. Der Senat stellt der Klägerin anheim, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
4. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.
1. Die Berufung der Klägerin hat nicht aufzeigen können, dass das angefochtene Urteil des Erstgerichts auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) beruht oder dass nach § 529 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
a) Die Klägerin greift mit ihrer Berufung lediglich die Beweiswürdigung des Landgerichts an und wendet sich dabei gegen die Würdigung des Gutachtens und der mündlichen Ausführungen des Sachverständigen . . Damit vermag sie ihrer Berufung jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Zunächst ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Berufungsinstanz ist keine Wiederholung der Tatsacheninstanz, sondern dient primär der Rechtsfehlerkontrolle (vgl. §§ 513, 529 ZPO; Zöller – Heßler, 30. Aufl., § 529 Rn. 1). Grundsätzlich sind gemäß § 529 Abs. 1 S.1 ZPO für die rechtliche Überprüfung durch das Berufungsgericht die Tatsachen zugrunde zu legen, die das Erstgericht festgestellt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Tatsachenfeststellung selbst unvollständig oder aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft ist oder ausnahmsweise (§§ 529 Abs. 1 Nr.2, 531 ZPO) die Berücksichtigung neuer Tatsachen zulässig ist. Bestehen Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung, muss das Berufungsgericht eine Beweisaufnahme durchführen bzw. diese wiederholen (vgl. ZöllerHeßler, 30. Auflage, § 529 Rn. 4 ff.) Hat das Erstgericht die entscheidungserheblichen Tatsachen aber vollständig und rechtsfehlerfrei festgestellt, ist die Überzeugungsbildung des Erstgerichts durch die Würdigung der von ihm erhobenen Beweise und die Würdigung des Sachvortrags der Parteien durch das Berufungsgericht nur eingeschränkt zu überprüfen. Ist die Tatsachenfeststellung bzw. Beweiswürdigung als solche rechtsfehlerfrei, kann sie in der Berufungsinstanz grundsätzlich nicht mit Erfolg angegriffen werden. Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung, die das Berufungsgericht zu beachten hat, liegen insbesondere vor, wenn das Erstgericht Bedeutung und Grenzen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (vgl. §§ 286, 287 ZPO) missachtet, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt.
Vorliegend hat das Erstgericht allerdings zutreffend das Beweismaß des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugrunde gelegt und die dafür geltenden Regeln beachtet. Auch Verstöße gegen allgemeine Denkgesetze bzw. die Gesetze der Logik liegen nicht vor. Die vom Erstgericht vorgenommene Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen ist ohne Rechtsfehler. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare (vgl. RGZ 15, 339; OLG München NZV 2006, 261) – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grundlegend BGHZ 53, 245, 256 – „Anastasia“; st. Rspr.).
Weder hat hier der Senat Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Tatsachenfeststellung durch das Erstgericht, noch vermag er in dem ausführlich begründeten Urteil des Landgerichts München I Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung zu erkennen. Letztlich werden solche Rechtsfehler von der Klägerin auch nicht gerügt. Vielmehr ersetzt die Klägerin in der Berufungsbegründung im Wesentlichen nur die gerichtliche Überzeugungsbildung durch ihre eigene. Dass sie zu einer anderen Überzeugung gelangt als das Erstgericht, begründet für sich allein aber keinen Rechtsfehler, der vom Berufungsgericht zu korrigieren wäre. Der bloße Wunsch der Klägerin, das Berufungsgericht möge die Beweise und den Sachvortrag der Parteien anders als das Erstgericht würdigen und deshalb zu einem anderen Ergebnis kommen, führen nicht dazu, dass der Senat eine erneute bzw. ergänzende Beweisaufnahme durchführen muss (vgl. Zöller – Heßler, 30. Aufl., § 529 Rn. 7). Insbesondere liegen hier die Voraussetzungen für die Einholung eines Obergutachtens nicht vor.
Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vermeintliche Widersprüche im Gutachten des Sachverständigen bzw. Widersprüche zwischen seinen mündlichen Ausführungen und dem schriftlichen Gutachten rügt, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Die Klägerin übersieht, dass – anders als sie behauptet – der Sachverständige auf Seite 8 des Gutachtens (= Bl. 63 d.A.) sehr wohl Schäden an der Innenoberfläche festgestellt hat, und zwar nach der Auftrennung des Schlauches. So heißt es dann wörtlich: „Auf der Innenoberfläche zeigten sich dann im Bereich der Schlauchschelle zwei parallele in Umfangsrichtung verlaufende Risse…“. Diese Feststellung hat der Sachverständige somit keineswegs erst „im Nachgang“ getroffen. Ergänzend hat er lediglich in der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2016 angegeben, dass solche Schäden, die durch das Anbringen der Schelle entstehen, „systemimmanent“ seien (Bl. 113 d. A.).
Die Klägerin übersieht in ihren weiteren Ausführungen außerdem, dass der Sachverständige nicht die Risse als schadensursächlich im eigentlichen Sinne angesehen hat. Vielmehr ist die Rissbildung gleichsam eine „Zwischenstation“ zum konkreten Schadenseintritt. Was die eigentliche (erste) Ursache für das Platzen des Kühlwasserschlauches war, ließ sich laut Gutachten nicht mehr feststellen. Eine hohe Wahrscheinlichkeit spreche aber für eine „ungünstige Verlegung“ (vgl. S. 14 des Gutachtens = Bl. 69 d. A.), wobei der Sachverständige aber mehrere Ursachen für möglich hält, nämlich – neben einer ungünstigen Verlegung bzw. einer Knicklage des Schlauches – auch Druckstöße, Hitzeeinflüsse aus nahen Leitungen sowie eine mangelnde Kontrolle des Schlauches im laufenden Betrieb (vgl. dazu Urteil S. 6, 2. Absatz).
In seiner mündlichen Anhörung gibt er an, dass die beginnende Schädigung und Blasenbildung [im laufenden Betrieb] hätte erkannt werden können.
Damit bleibt es dabei, dass die Klägerin eine mangelhafte Werkleistung, die zu den behaupteten Schäden führte, nicht hat beweisen können. Das allein ist entscheidend.
b) Soweit die Klägerin auf Seite 11, vorletzter Absatz der Berufungsbegründung rügt, die unterbliebene Vernehmung des Zeugen . hätte ergeben, dass irgendwelche Veränderungen im streitgegenständlichen Bereich nach Abschluss der Arbeiten nicht vorgenommen worden seien, handelt es sich schon nicht um eine Verfahrensrüge, die in der nach §§ 529 Abs. 2 Satz 1, 520 Abs. 3 ZPO erforderlichen Weise geltend gemacht wurde.
Im Übrigen ist der diesbezügliche Vortrag der Klägerin auch unbehelflich. Wie zuvor ausgeführt, kommen mehrere Schadensursachen in Betracht. Selbst wenn man unterstellt, der Zeuge . hätte bekundet, dass es einen Biegeknick nicht gegeben hat (vgl. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.06.2016 = Bl. 117 d.A.), hätte damit die Klägerin angesichts der übrigen, nachvollziehbaren Feststellungen und Folgerungen des Sachverständigen immer noch nicht bewiesen, dass die Beklagte den Mangel zu verantworten hat. Auch die Aussagekraft des Gutachtens würde dadurch nicht gemindert, da der Sachverständige einen „Knick“ nur als eine denkbare Ursache angesehen hat. Entscheidend bleibt, dass sich die Ursache für das Platzen des Kühlwasserschlauches nicht eindeutig feststellen ließ und die Klägerin daher beweisfällig geblieben ist.
2. Zudem weist der Senat gem. § 139 ZPO darauf hin, dass vieles dafür spricht, dass die streitgegenständlichen Ansprüche verjährt sind.
Anders als das Landgericht (vgl. S.2 des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 29.05.2015) ist der Senat nicht der Auffassung, dass es sich vorliegend um einen Bauvertrag handelt. Streitgegenständlich sind von der Klägerin behauptete Mängel bei dem von der Beklagten vorgenommenen Anschluss von Schläuchen an sogenannte Temperiergeräte, deren Aufgabe es ist, die Temperatur der Werkzeuge einer sogenannten RTM-Presse gleichmäßig zu halten. Dabei handelt es sich – auch unter Berücksichtigung der Fotos auf den Seiten 18 – 21 des Sachverständigengutachtens vom 23.09.2015 – nach derzeitiger Auffassung des Senats nicht um ein Bauwerk. Deshalb konnte trotz des entsprechenden Passus auf Seite 3 sowohl der Bestellung (Anlage K 3) wie auch der Auftragsbestätigung (Anlage K 3) die Geltung bzw. Einbeziehung der VOB/B für den hier in Rede stehenden Auftrag nicht vereinbart werden. Für die Verjährung gilt daher § 634 a Abs. 1 Nr.1 BGB. Somit gilt eine zweijährige Verjährungsfrist.
Gegebenenfalls mögen die Parteien dazu ergänzend vortragen, insbesondere zur Abnahme, die für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist maßgeblich ist. Derzeit ist allerdings beabsichtigt, die Zurückweisung der Berufung allein auf die Ausführungen unter Ziffer I.1 zu stützen.
II.
Da der Senat die Berufung für offensichtlich unbegründet hält, stellt er der Klägerin anheim, sie aus Kostengründen zurückzunehmen. Im Falle der Rücknahme sind gem. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz nur zwei Gerichtsgebühren zu zahlen statt vier Gerichtsgebühren gem. Nr. 1220 KV-GKG.

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