Medizinrecht

B 12 KR 2/21 B

Aktenzeichen  B 12 KR 2/21 B

Datum:
17.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:170521BB12KR221B0

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1
I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2009 bis 30.4.2010 aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
2
Der Kläger ist als Netzwerkplaner, IT-Netzwerkarchitekt und IT-Projektkoordinator tätig. Die Beigeladene zu 1. ist ein Unternehmen für Beratung und Dienstleistung in der Informationstechnologie. Zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber einem Dritten bediente sie sich auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 30.9.2009 des Klägers. Auf ihren Statusfeststellungsantrag stellte die Clearingstelle der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag. Das SG Frankfurt (Oder) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.3.2018). Das LSG Berlin-Brandenburg hat nach Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG zurückgewiesen (Beschluss vom 16.12.2020). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.
3
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
4
In seiner Beschwerdebegründung vom 21.3.2021 bezeichnet der Kläger den allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
5
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 – B 13 RJ 179/03 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 – B 5a/5 R 382/06 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4; jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 – B 1 KR 21/07 B – juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 – 3 RJ 219/56 – SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 – 11 BA 166/78 – SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
6
Der Kläger behauptet einen Verstoß “gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs aufgrund mangelnder Anhörung vor Erlaß des Gerichtsbescheides”. Im Hinweisschreiben des LSG seien die entscheidenden Umstände nicht genannt worden. Daher sei er nicht in der Lage gewesen, auf die erst in der Entscheidung enthaltenen Argumente zu reagieren. Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte er von der Rügemöglichkeit Gebrauch machen können. Aufgrund der Entscheidung durch Gerichtsbeschluss seien ihm jedoch diese prozessualen Möglichkeiten unter Verstoß gegen grundsätzliche Werte von Verfassungsrang abgeschnitten worden. Die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Sachverhalte, die aus seiner Sicht gegen eine Beschäftigung sprächen. Es handele sich mithin um eine allenfalls kursorische und sehr einseitige Würdigung des Akteninhaltes unter Verstoß gegen die Verpflichtung, die vorgefundenen Tatsachen einer objektiven und im Einklang mit den Denkgesetzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung schlüssig und widerspruchsfrei zu würdigen.
7
1. Soweit der Kläger vorträgt, er hätte bei einem umfangreicheren Hinweis im Rahmen der beabsichtigten Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 SGG seinen Vortrag ergänzt, setzt er sich nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Umfang gerichtlicher Hinweispflichten auseinander. Danach gibt es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern und zwar weder in einer mündlichen Verhandlung noch in der einem Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorgeschriebenen Anhörungsmitteilung (vgl BSG Beschluss vom 13.10.1993 – 2 BU 79/93 – SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3 = juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.9.2006 – B 12 KR 24/06 B – juris RdNr 9). Art 103 Abs 1 GG gebietet lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BSG Urteil vom 16.3.2016 – B 9 V 6/15 R – SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26). Die im Raum stehende Rüge des Verfahrensmangels einer Überraschungsentscheidung ist nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (vgl BSG Beschluss vom 7.6.2016 – B 13 R 40/16 B – juris RdNr 9). Diesen Anforderungen wird der Kläger nicht gerecht.
8
Die Beschwerdebegründung arbeitet nicht heraus, welche tragenden Urteilsgründe aus Sicht des Klägers neu und unter vermeintlicher Verletzung der Gewährung rechtlichen Gehörs verwendet worden sind. Der Kläger macht umfangreiche Ausführungen zu Umständen, die nach seiner Rechtsauffassung für das von ihm präferierte Ergebnis vermeintlich von Relevanz sind. Hierdurch greift er jedoch in erster Linie die Entscheidungsgründe (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) an. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann hierauf jedoch nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Auch befasst sich der Kläger nicht damit, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs die Gerichte nicht dazu verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.10.2009 – 1 BvR 1729/09 – NZS 2010, 497). Im Kern seines Vorbringens macht der Kläger zusammenfassend geltend, dass die Entscheidung “rechtsfehlerhaft” (Seite 3 der Beschwerdebegründung) bzw unter keinem rechtlichem Gesichtspunkt vertretbar sei (vgl Seite 6 der Beschwerdebegründung). Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 – B 12 KR 62/04 B – SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
9
2. Soweit der Kläger die Eignung des Verfahrens für eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG anzweifeln will, ist ebenfalls kein Verfahrensfehler dargetan. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, also sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüft werden (stRspr; BSG Beschluss vom 23.6.2016 – B 3 KR 4/16 B – SozR 4-1500 § 140 Nr 3 RdNr 11 mwN). Nur in Ausnahmefällen ist das dem LSG bei der Frage eines Verfahrens nach § 153 Abs 4 SGG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 153 RdNr 15b mwN). Entsprechende Ausführungen hierzu sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
10
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
11
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben