Medizinrecht

Corona-Pandemie (“5. Welle”)

Aktenzeichen  3 EN 59/22

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2022:0308.3EN59.22.00
Normen:
§ 18 Abs 1 CoronaVInfSchV TH 4
§ 18 Abs 2 CoronaVInfSchV TH 4
§ 47 Abs 6 VwGO
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Einem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO auf Außervollzugsetzung von außer Kraft getretenen und in der aktuellen Fassung der Verordnung nicht mehr vorgesehenen Regelungen fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.Ein Antrag auf Normergänzung ist im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO unstatthaft.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der von der Antragstellerin zuletzt gestellte Antrag,
1. „Die Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 Thüringer-SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO – vom 24. November 2021 bzw. 24. Februar 2022, ist durch eine Vorschrift zu ergänzen, die bestimmt, dass eine jegliche Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer politischen oder sonstigen Anschauungen oder aufgrund ihres Gesundheitszustandes mit Ausnahme des Vorliegens eines nachgewiesenen infektiösen körperlichen Zustands, der zu einer individuellen Betrachtung führen muss, zu unterbleiben hat.
2. Die in Ziffer 1 genannte Verordnung ist im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Nr. 2h der Verordnung rechtswidrig und wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.
3. Die in Ziffer 1 genannte Verordnung ist im Hinblick auf § 18 Abs. 2 Nr. 1a, 1b und 2a der Verordnung rechtswidrig und wird vorläufig außer Vollzug gesetzt“,
hat keinen Erfolg, da er bereits unzulässig ist.
Die Antragstellerin kann im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) geltend machen.
Wie jedes verwaltungsgerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse besteht. Dieses ist regelmäßig zu verneinen, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller mit der vorläufigen (Teil-)Unwirksamkeitserklärung der Norm seine Rechtsstellung nicht verbessern kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – 3 BN 1.15 – juris Rn. 4; Beschluss des Senats vom 29. Oktober 2020 – 3 EN 601/20 – juris Rn. 22). Dies ist hier der Fall.
Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist auf eine Ergänzung und eine Außervollzugsetzung der Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer-SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO -) vom 24. November 2021 in Gestalt der Vierten Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 4. Februar 2022, speziell des § 18 Abs. 1 Nr. 2h (3G-Zugangsbeschränkung in geschlossenen Räumen bei Versammlungen sowie religiösen, weltanschaulichen oder parteipolitischen Veranstaltungen) und des § 18 Abs. 2 Nr. 1a, 1b und 2a (2G-Zugangsbeschränkung in geschlossenen Räumen und außerhalb geschlossener Räume bei der Durchführung verschiedener sonstiger Veranstaltungen) ausgerichtet. Diese Regelungen sind mit der Thüringer Verordnung zur Anpassung infektionsrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 28. Februar 2022 am 1. März 2022 jedoch außer Kraft getreten und in der aktuellen Verordnung – angesichts der Lockerungen der infektionsschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen – in dieser Gestalt auch nicht mehr vorgesehen.
Eine Umdeutung des Antrags scheidet aus. Die in der neuen Verordnung enthaltenen Regelungen für Versammlungen und Veranstaltungen sind weder wortgleich noch inhaltlich identisch mit den angegriffenen Normen. Die von der Antragstellerin begehrte Außervollzugsetzung der Bestimmungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO könnte ihr mithin nach aktueller Rechtslage keinen Vorteil mehr vermitteln.
Auf diesen Umstand hat die Antragstellerin weder selbstständig von sich aus noch auf den richterlichen Hinweis vom 1. März 2022 reagiert.
Abgesehen davon ist die von der Antragstellerin begehrte Ergänzung der Thüringer-SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 in Gestalt der Vierten Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 4. Februar 2022 aber auch unstatthaft.
Nach § 47 Abs. 5 VwGO ist das Normenkontrollgericht auf die Erklärung der (Teil-)Unwirksamkeit, mithin auf die (Teil-)Kassation von Rechtsvorschriften, beschränkt. Eine Ergänzung des Tenors über die Feststellung der (Teil-)Unwirksamkeit hinaus ist nicht möglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 4 BN 8.11 – juris Rn. 5). Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist es dem Normgeber vorbehalten, zu entscheiden, welche Konsequenzen er aus der gerichtlich festgestellten Fehlerhaftigkeit der Norm zieht (vgl. u. a. Beschluss des Senats vom 9. März 2021 – 3 EN 146/21 – juris Rn. 5; Beschluss des Senats vom 12. Mai 2020 – 3 EN 287/20 – juris Rn. 6). Entsprechendes gilt für den – hier vorliegenden – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG -. Eine Halbierung des Wertes auf die Hälfte ist wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt.
Hinweis:Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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