Medizinrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines zu Recht geforderten ärztlichen Gutachtens

Aktenzeichen  AN 10 S 17.01478

Datum:
10.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Anlage 4 FeV
FeV FeV § 11 Abs. 2, Abs. 8

 

Leitsatz

1 Insbesondere bei Niereninsuffizienz mit Dialysebehandlung und Begleiterkrankungen besteht die Fahreignung im Regelfall nicht und kann daher nur nach ärztlicher Beurteilung und weiteren Bedingungen bejaht werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Konkrete Verdachtsmomente für eine Begutachtung bestehen, wenn der Antragsteller ein halbes Jahr Dialysepatient ist, ehe er einen Unfall verursacht und dabei über Atembeschwerden und Schmerzen im Brustbereich geklagt hat, nachdem er seine Medikamente gegen Bluthochdruck nicht eingenommen hatte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem ihm seine Fahrerlaubnis entzogen wurde. Der Antragsteller hatte gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt. Der Antragsteller war zuletzt im Besitz der Fahrerlaubnisklassen B, BE, M, L, S. Früher war er auch im Besitz der Fahrerlaubnisklassen C1E und C1. Deren Geltungsdauer war jedoch schon abgelaufen.
Der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin wurde folgender Sachverhalt zur Kenntnis gebracht:
Am 19. September 2016 um 7:15 Uhr fuhr der Antragsteller die … Straße in Fahrtrichtung …entlang, in … Er fuhr mit geringer Geschwindigkeit. Auf der Höhe der Ampel, die grün zeigte, an der Kreuzung zur …, fuhr er über die Haltelinie und führte dann eine Vollbremsung durch. Der Fahrer dahinter konnte nicht mehr bremsen und fuhr auf. Der Antragsteller klagte nach dem Vorfall über Schmerzen im Brustbereich. Er gab an, dass er seit Februar 2016 Dialysepatient sei, und klagte zudem über Atembeschwerden und Schmerzen im Brustbereich, da sich dort ein Vorhofkatheter befinde. Ein Notarzt stellte erhöhten Bluthochdruck fest. Der Antragsteller führte zudem aus, dass er seine Medikamente gegen Bluthochdruck nicht eingenommen hätte.
Aufgrund dieses Sachverhalts ordnete die Antragsgegnerin mit Schreiben unter dem 8. März 2017 die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) erfüllt, an.
Es sollte zu folgender Fragestellung Stellung genommen werden:
„1a. Liegt bei Herrn … eine Erkrankung vor, die nach Nummer 4, 10 der Anlage 4* der FeV die Fahreignung in Frage stellt?
1b. Wenn ja, ist Herr … (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 vollständig gerecht zu werden?
2. Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance, z.B. Krankheitseinsichtigkeit, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme -Hinweise auf ggf. selbstinduzierte Unter- oder Überdosierungusw.) vor?
3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden? Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen, Nachuntersuchung) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen, wenn ja, warum?
4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Erkrankung, je Fahrerlaubnisgruppe) Nachtuntersuchung** i.S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand?
5. Falls eine Dauerbehandlung mit fahreignungsrelevanten Arzneimitteln erfolgt: Liegt die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges je Fahrerlaubnisklassengruppe vor? Ist andernfalls eine Kompensation zu prüfen oder wird die Möglichkeit einer Kompensation (z.B. wegen Kumulation von Mängeln) ausgeschlossen? Ist unter Berücksichtigung besonderer Umstände (z.B. grenzwertige Prozentränge, gesundheitliche Risikofaktoren, altersbedingter Leistungsabbau) eine fachlich einzelfallbegründete Nachuntersuchung der Leistungsfähigkeit (je Fahrerlaubnisgruppe) notwendig? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand?“
Es wurde eine Frist zur Beibringung des Gutachtens bis zum 8. Mai 2017 gesetzt, eine Vorlage des Gutachtens erfolgte trotz Fristverlängerung nicht.
Es wurde lediglich ein einfaches ärztliches Attest vorgelegt.
Nach Anhörung erließ die Antragsgegnerin unter dem 20. Juli 2017 den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1E, C1, M, L und S mit sofortiger Wirksamkeit entzogen wurde, er verpflichtet wurde, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben, andernfalls ihm unmittelbarer Zwang angedroht wurde. Weiterhin wurde sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins angeordnet.
Der Bescheid wurde im Wesentlichen mit der Nichtvorlage des zu Recht geforderten Gutachtens begründet.
Gegen den Bescheid wurde am 31. Juli 2017 Widerspruch bei der Regierung von Mittelfranken eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Juli 2017 beantragte der Antragsteller Folgendes:
1. Die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 31.07.2017, dem Antragsgegner zugegangen am 31.07.2017, gegen die in Nr. 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 20.07.2017, Az. …, enthaltene Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen C1E, C1, BE, B, M, L und S, wird wiederhergestellt.
2. Die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 31.07.2017, dem Antragsgegner zugegangen am 31.07.2017, gegen die in Nr. 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 20.07.2017, Az. …, enthaltene Verpflichtung des Antragstellers zur Ablieferung seines Führerscheins und gegen die in Nr. 3 des Bescheides des Antragsgegners vom 20.07.2017, Az. …, dazu enthaltene Androhung unmittelbaren Zwangs wird angeordnet.
3. Die aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 31.07.2017, dem Antragsgegner zugegangen am 31.07.2017, gegen die in Nr. 3 des Bescheides des Antragsgegners vom 20.07.2017, Az. …, enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des vorgenannten Bescheides wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.
4. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Zur Antragsbegründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Vorfall eine Gutachtensanforderung nicht rechtfertige, da der Antragsteller seitdem unfallfrei fahre, bis zur Gutachtensanforderung zu viel Zeit verstrichen sei, der Antragsteller seitdem seine Bluthochdrucktabletten nimmt und zudem der Vorhofkatheter, der dem Antragsteller große Probleme bereitet haben solle, entfernt worden sei.
Die Antragsgegnerin erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 9. August 2017 und beantragte
Antragsablehnung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Soweit der Antrag sich gegen die Fahrerlaubnisentziehung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides richtet, so ist er zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Der Antrag ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 zu sehen. Im Rahmen dieses Antrags trifft das Gericht seine eigene originäre Ermessensentscheidung, bei der es das Aussetzungsinteresse des Antragstellers mit dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin abwägt. Wesentliches Indiz bei dieser Abwägungsentscheidung sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Bleibt nach einer summarischen Prüfung die Hauptsache voraussichtlich erfolglos, so ist auch der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erfolglos.
So liegt der Fall hier. Nach summarischer Prüfung stellt sich die auf § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), § 46 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig dar.
Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, so finden die Vorschriften über Maßnahmen zur Vorbereitung von Entscheidungen in den §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
Es liegt hier ein Fall des § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnisverordnung vor. Der Antragsteller hat ein von der Antragsgegnerin gefordertes ärztliches Gutachten zur Abklärung im Hinblick auf Eignungszweifel aufgrund von Krankheiten nicht fristgerecht vorgelegt. Die Fahrerlaubnisbehörde durfte daher auf die Nichteignung des Betroffenen nach dieser Vorschrift schließen. Der Antragsteller ist auf diese Rechtsfolge auch bei der Anforderung des ärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen worden.
Die zugrundeliegende Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens war auch rechtmäßig, wie es Voraussetzung für die Anwendung des § 11 Abs. 8 FeV ist (BVerwG NJW 2005, 3081).
Die Voraussetzung für die Anordnung des ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 FeV liegen vor. Wenn danach Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkung oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.
Nach Ziffer 4.2.1 der Anlage 4 zur FeV schließt erhöhter Blutdruck mit zerebraler Symptomatik und/oder Sehstörungen die Fahreignung im Regelfall aus. Hohe Blutdruckwerte mit über 180 systolisch und über 110 diastolisch können fahreignungsrelevant sein, im Regelfall besteht jedoch eine Fahreignung. Nach Ziffer 10.1 der Anlage 4 zur FeV schließt eine schwere Niereninsuffizienz mit erheblicher Beeinträchtigung die Fahreignung aus. Nach Ziffer 10.2 der Anlage 4 zur FeV besteht bei einer Niereninsuffizienz in Dialysebehandlung zwar im Regelfall eine Fahreignung, jedoch nur, wenn keine Komplikationen auftreten und keine Begleiterkrankungen ersichtlich sind. Nach Anlage 4a zur FeV sind Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen die Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Verkündungsblatt S. 110) in der Fassung vom 31. März 2017 (Verkündungsblatt S. 226). Diese Begutachtungsleitlinien dienen auch dem Gericht als Orientierung, da sie unter Mitwirkung sachverständiger Kreise zustande gekommen sind. Hier ist unter Ziffer 3.6 zu Nierenerkrankungen Folgendes ausgeführt: Wer danach wegen einer Niereninsuffizienz in ständiger Dialysebehandlung steht, ist nur unter besonderen Bedingungen in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, also kleineren Fahrzeugen, die mit dem Führerschein der Klasse B gefahren werden können, gerecht zu werden, sofern nicht bestimmte Komplikationen und/oder Begleiterkrankungen ein sicheres Verhalten bei Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr einschränken oder ausschließen. Als Begleiterkrankung ist ausdrücklich der Bluthochdruck genannt. Es ist zudem weiter ausgeführt, dass die Annahme, ein Betroffener könne sich sicher beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr verhalten, eine entsprechende positive Begutachtung voraussetzt und außerdem mit der Bedingung einer ständigen ärztlichen Betreuung und Kontrolle zu verbinden sei.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass insbesondere bei Niereninsuffizienz mit Dialysebehandlung und Begleiterkrankungen die Fahreignung im Regelfall nicht besteht und nur nach ärztlicher Beurteilung und weiteren Bedingungen bejaht werden kann.
Voraussetzung für die Anordnung eines Gutachtens ist jedoch weiter, dass konkrete Tatsachen bekannt werden, die nachvollziehbar den Verdacht rechtfertigen, bei dem Betroffenen kann eine Ungeeignetheit oder eingeschränkte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen. Eine Untersuchungsanordnung ohne belegte Tatsachen aufgrund bloßen Verdachts wäre rechtswidrig (OVG Koblenz, NJW 2002, 2581).
Derartige konkrete Verdachtsmomente bestehen hier jedoch, da der Antragsteller am 19. September 2016 um 7:15 Uhr einen Unfall verursachte. Außerdem gab er an, seit Februar 2016 Dialysepatient zu sein. Er klagte über Atembeschwerden und Schmerzen im Brustbereich, da sich dort der hierfür erforderliche Vorhofkatheter befinde. Außerdem wurde erhöhter Bluthochdruck festgestellt. Der Antragsteller hatte seine Medikamente gegen Bluthochdruck nicht eingenommen.
Es besteht daher ein konkreter Verdacht, dass bei dem Antragsteller die Fahreignung ausschließende Erkrankungen vorliegen. Diese Erkrankung hat vorliegend bereits zu Beeinträchtigungen des Verkehrs und der Verkehrssicherheit geführt, ohne dass dies für die Annahme eines konkreten Verdachts von fahreignungsausschließenden Mängeln, die bereits in den angegebenen Krankheiten begründet sind, erforderlich wäre. Denn diese Tatsachen begründen den Verdacht einer Niereninsuffizienz, verbunden mit einer Begleiterkrankung, die wie beschrieben fahreignungsrechtlich relevant ist und im Zweifel zum Ausschluss der Fahreignung führt, wenn nicht eine ärztliche Untersuchung ergibt, dass dies nicht der Fall ist.
Die vorgelegten ärztlichen Atteste räumen diesen Verdacht nicht aus, sie bestätigen gerade die Niereninsuffizienz des Antragstellers sowie auch seine Bluthochdruckerkrankung. Die bis zur Gutachtensaufforderung vergangene Zeit nach dem Vorfall räumt daher ebenfalls den Verdacht der mangelnden Fahreignung nicht aus. Dies gilt auch, obwohl der Vorhofkatheter, der möglicherweise für den Unfall ursächlich war, mittlerweile ausgesetzt wurde. Denn dies ändert nichts an der fahreignungsrechtlich relevanten Grunderkrankung. Es bedurfte daher eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 FeV. Ein solches Gutachten wird immer von einem Gutachter mit verkehrsmedizinischer Qualifikation eingeholt, da nur dieser die Einordnung des medizinischen Befunds in dem fahreignungsrechtlichen Kontext leisten kann. Ein reines ärztliches Attest ist daher nicht ausreichend.
Das hinsichtlich der Gutachtensanordnung auszuübende Ermessen wurde ordnungsgemäß ausgeübt, bei der gerichtlichen Prüfung beachtliche Ermessensfehler (§ 114 VwGO) sind nicht ersichtlich. Die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin hat zutreffend ausgeführt, dass die bekannt gewordenen Umstände fahreignungsrechtlich relevant sind und eine ärztliche Begutachtung erfordern. Angesichts dessen, dass der bekannt gewordene Verdacht nur durch ein ärztliches Gutachten mit verkehrsmedizinischem Sachverstand ausgeräumt werden kann, ging die Behörde auch zutreffend davon aus, dass die Eignungszweifel nicht anderweitig ausgeräumt werden konnten und die Anordnung des Gutachtens das geeignetste und verhältnismäßigste Mittel zur Gewinnung von Erkenntnissen über die Fahreignung darstellt. Die Fahrerlaubnisbehörde durfte im Rahmen ihres Auswahlermessens auch bestimmen, dass das Gutachten von einem Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV erstellt werden soll, da insoweit am ehesten die Gewähr für ein neutrales und sachverständiges Gutachten gewährleistet ist.
Die gewählte Fragestellung ist überdies auch anlassbezogen und verhältnismäßig (zu diesem Erfordernis: VGH Mannheim, NJW 2011, 3259).
Anderes wurde weder vorgetragen noch ist nach Prüfung durch das Gericht ersichtlich. Die Fragestellung beschränkt sich auf Erkrankungen nach Nr. 4 und 10 der Anlage 4 zur FeV. Sie fragt darüber hinaus noch nach Maßnahmen, die erforderlich sein könnten, um eine Fahreignung auch bei Vorliegen dieser Erkrankungen bejahen zu können. Angesichts der bekannt gewordenen Erkrankungen war diese Fragestellung daher anlassbezogen und verhältnismäßig, da sie nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Eignungszweifel abzuklären.
Wegen der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens durfte die Fahrerlaubnisbehörde somit gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung schließen. Daran ändert auch die verstrichene Zeit zwischen dem Vorfall und der Gutachtensanordnung nichts, da weiter von dem Verdacht des Vorliegens der fahreignungsrelevanten Krankheiten auszugehen war und der bloße Zeitablauf diese organischen Erkrankungen nicht entfallen lässt. In den Begutachtungsleitlinien ist zudem weiter ausgeführt, dass eine ärztliche Begutachtung bei diesen Krankheiten, vor allem wenn sie zusammen auftreten, erforderlich ist, um die Fahreignung zu bejahen. Es ist daher nicht ausreichend, wenn keine weiteren Zwischenfälle im Verkehr aufgetaucht sind.
Die Fahrerlaubnisentziehung war daher vorzunehmen, da die Vorschrift des § 3 Abs. 1 und § 46 Abs. 1 FeV bei Eignungszweifeln kein Ermessen vorsieht. Die Fahrerlaubnisentziehung durfte auch die Klassen C1E und C1 mit einschließen, da deren Geltungsdauer bereits abgelaufen war und deren Entzug somit nur zur Klarstellung erfolgte und den Antragsteller nicht weiter beschwert.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist auch im Hinblick auf die Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids erfolglos, da die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nach § 47 Abs. 1 FeV zu Recht erfolgte.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist auch erfolglos, er gegen die Androhung unmittelbaren Zwangs gemäß Art. 29, 30, 34, 36 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) gerichtet ist, da Rechtsfehler insoweit nicht ersichtlich sind.
Die Anordnung des Sofortvollzugs im Hinblick auf die Fahrerlaubnisentziehung und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins ist ebenso rechtmäßig. Sie wahrt die Begründungsanforderungen für die Eilbedürftigkeit nach § 80 Abs. 3 VwGO.
Es ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer ausreichend, dass die Anordnung des Sofortvollzugs im Bereich des Fahrerlaubnisrechts mit den Gründen begründet wird, die die Maßnahme bzw. den Eingriff selbst rechtfertigen. Darüber hinausgehende Gründe für die Eilbedürftigkeit brauchen nicht vorgetragen werden. Dies liegt daran, dass das Fahrerlaubnisrecht eine Materie des Sicherheitsrechts ist und das Fahrerlaubnisrecht dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer, also besonders hochrangigen Rechtsgütern, dient. Es liegt daher auf der Hand, dass bei einer Person, gegen die Eignungszweifel bestehen bzw. die Fahreignung nicht mehr bejaht werden kann, die Fahrerlaubnisentziehung sofort vollziehbar zum Tragen kommen muss und private Interessen des Antragstellers zurücktreten müssen, da andernfalls die Verkehrssicherheit nicht gewährleistet werden kann. Wegen dieser Interessenlage ist es auch rechtmäßig, den Sofortvollzug in Hinblick auf die Abgabe des Führerscheins damit zu begründen, dass mit der Entziehung des Führerscheins auch der Anschein der Fahreignung beseitigt wird. Denn die Polizei kann daher nicht über das Vorhandensein eines Führerscheins getäuscht werden, und mögliche Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer werden minimiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 52 Abs. 1 sowie § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes, sowie Ziffer 1.5 und Ziffer 56.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da der Antragsteller nur noch im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse BE war, ist diese für den Streit prägend. Die Klassen M, L und S werden von der Fahrerlaubnisklasse BE, ebenso die einfache Klasse B eingeschlossen.


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