Medizinrecht

Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher Bedeutung

Aktenzeichen  L 11 AS 176/17 NZB

Datum:
28.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 107407
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. Abs. 2, § 145
EStG § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 u. Abs. 2 S. 1
SGB II § 11b

 

Leitsatz

Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens einer grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob Parkgebühren für einen Parkplatz nahe der Arbeitsstelle vom Einkommen des Alg II Beziehers abzuziehen sind.

Verfahrensgang

S 16 AS 381/16 2016-12-15 Urt SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.12.2016 – S 16 AS 381/16 – wird zurückgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Streitig ist, ob die Kosten für einen Stellplatz in der Nähe der Arbeitsstelle als berufsbedingte Aufwendungen vom Einkommen abzuziehen sind und sich somit der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosgeld II – Alg II) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhöht.
Die in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Klägerin bezieht Alg II und ist bei einer Hausverwaltung teilzeitbeschäftigt. Mit Weiterbewilligungsantrag vom 23.05.2016 für die Zeit ab 01.06.2016 machte sie die Kosten für einen ab 01.02.2016 angemieteten Stellplatz in einer Tiefgarage im Stadtzentrum nahe ihrer Arbeitsstelle geltend (59,50 € monatlich). Im Rahmen des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide (wohl) vom 13.08.2016 sowie vom 23.08.2016 berücksichtigte der Beklagte unter anderem das Einkommen der Klägerin unter Abzug der Freibeträge, der Entfernungspauschale und (zuletzt) der Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung. Als Ausgabe nicht berücksichtigt wurde unter anderem die Stellplatzmiete in Höhe von 59,50 € monatlich. Es gebe in zumutbarer Entfernung kostenfreie Parkplätze.
Mit der dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Berücksichtigung der Stellplatzkosten als Abzugsposten vom Einkommen begehrt. Für ihren Arbeitgeber müsse sie Außentermine wahrnehmen und ins Büro zurückkehren. Sie könne ihre Arbeit nicht bewältigen, wenn sie jeweils eine halbe Stunde Fußweg zurücklegen müsse, um zum Auto zu kommen. Sie arbeite in der Regel vier Stunden an fünf Tagen pro Woche. Vom früheren Arbeitgeber seien Stellplätze zur Verfügung gestellt worden, nach Verkauf der Firma erfolge dies aber durch den neuen Arbeitgeber nicht mehr.
Das SG hat mit Urteil vom 15.12.2016 die Klage abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens seien die Bescheide vom 25.05.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 13.08.2016 und 23.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2016. Die Mietkosten für den Stellplatz seien nicht als notwendige und damit vom Einkommen abzugsfähige Ausgaben anzusehen. Die Parkplatzkosten seien bereits mit der Entfernungspauschale abgegolten. Zudem sei ein Parken auf einem kostenfreien Parkplatz mit anschließendem Fußweg zumutbar. Arbeitsvertraglich sei die Klägerin nicht zur Anmietung eines Stellplatzes verpflichtet. Im Übrigen ließen sich die angegebenen zahlreichen Außentermine nicht nachvollziehen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Stellplatzmiete sei als notwendige Ausgabe zur Erzielung von Einkommen anzusehen. Nach Verkauf der Firma werde vom Arbeitgeber kein Parkplatz zur Verfügung gestellt. Ihrer Aufgabe zur Objektbetreuung könne sie aber nicht nachkommen, wenn sie keinen gesicherten, kurzfristig zur Verfügung stehenden Stellplatz habe. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Klärung der Rechtsfrage, ob zwingend anfallende Kosten der Parkplatzmiete vom Einkommen abzusetzen seien, wenn die Arbeitsstelle funktional von einem nahegelegenen und zu den Arbeitszeiten verfügbaren Parkplatz abhänge und aus dem Arbeitsvertrag kein Anspruch auf einen Stellplatz bestehe. Es gebe hierzu keine Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die Rechtsfrage sei auch von allgemeiner Bedeutung und entscheidungserheblich.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).
Vorliegend macht die Klägerin alleine eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Verfahrensfehler bzw. ein Abweichen von der obergerichtlichen Rechtsprechung werden nicht benannt und sind für den Senat auch nicht ersichtlich.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung scheitert jedoch daran, dass eine solche nicht gegeben ist. Die gestellte Rechtsfrage muss über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig sowie im konkreten Fall klärungsfähig sein (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 160a Rn. 14). Es sind also zunächst Ausführungen etwa zur Breitenwirkung und zu den die Allgemeinheit betreffenden Auswirkungen erforderlich (vgl. Leitherer, a.a.O, Rn. 14b).
An einer Breitenwirkung fehlt es aber vorliegend. Es handelt sich nämlich um einen Einzelfall, der abhängig ist u.a. vom Ort der Arbeitsstelle, der Art der Arbeit, der Parkplatzsituation, der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Verhalten des Arbeitgebers. Zudem aber ist die Klärungsbedürftigkeit bereits deshalb nicht gegeben, da die Kosten für einen Stellplatz bereits in der Entfernungspauschale enthalten sind. Hierzu ist als Vergleich § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) heranzuziehen. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist diese Frage hinsichtlich der Werbungskosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit bereits geklärt (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 35. Auflage, § 9 Rn. 196).
Zum anderen ist aber auch eine Klärungsfähigkeit nicht gegeben. Eine Prüfung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage ist nämlich ggf. nicht erforderlich, weil bislang ungeklärt ist, ob der Arbeitgeber längere Arbeitszeiten für Außentermine durch einen längeren Fußweg zum Kfz nicht akzeptieren würde oder gar müsste und ob es nicht Aufgabe des Arbeitgebers ist, die Kosten für einen Parkplatz zu tragen, wenn er eine entsprechende Flexibilität des Arbeitnehmers fordert. Zudem ist der tatsächliche Umfang der von der Klägerin angegebenen zu erbringenden Außentätigkeit zweifelhaft. Dies hat bereits das SG angesprochen. Die Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage erscheint daher vorliegend nicht als notwendig (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 14a ff).
Nach alldem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel