Medizinrecht

Hinweisbeschluss – Kein Behandlungsfehler durch Unterlassen einer CT-Aufnahme

Aktenzeichen  1 U 3074/16

Datum:
28.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129065
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1, § 823

 

Leitsatz

1. Es liegt kein Behandlungsfehler durch Unterlassen einer CT-Aufnahme vor, soweit nach einem Sachverständigengutachten davon auszugehen ist, dass ausreichende Klarheit über die Knochenstruktur vorlag und von einem CT kein weitergehender Aufschluss mehr zu erwarten gewesen wäre. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beweislast dafür, inwieweit der Kläger über Risiken und Behandlungsalternativen aufzuklären war und ob er darüber aufgeklärt worden ist, trägt der operierende Arzt. Bei der Beweiswürdigung kann nicht nur der unterschriebene Aufklärungsbogen sondern auch die Einlassung des Patienten und von Zeugen herangezogen werden. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 O 18711/13 2016-06-15 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15.06.2016, Az. 9 O 18711/13, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert auf 565.932,04 € festzusetzen.
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen dieser Frist zu prüfen (im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gem. Nr. 1222 Satz 2 KV-GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0).

Gründe

I.
Zum Vorwurf eines Behandlungsfehlers:
1. Die Vorwürfe, die Operation sei nicht indiziert gewesen und schlecht durchgeführt worden, werden von der Berufungsbegründung nicht mehr weiterverfolgt. Der Senat macht sich insoweit ausdrücklich die Ausführungen des angefochtenen Urteils ab Seite 7 zu eigen und verweist auf diese Punkte.
2. Als Behandlungsfehler gerügt wird damit nur noch das Unterlassen einer CT-Aufnahme des oberen und unteren Sprunggelenkes vor der Operation. Die Berufungsbegründung sieht insofern einen Widerspruch zwischen dem Privatgutachten vom 12.03.2012 des Dr. K. (Anlage K 18) einerseits, des gerichtlichen Sachverständigen andererseits und wirft dem Landgericht vor, es habe sich mit diesem Widerspruch nicht auseinandergesetzt, vgl. Berufungsbegründung (BB) Seite 8/Bl. 216.
Das Landgericht folgt in dieser Frage dem Sachverständigen Dr. Ko., welcher auf Seite 20 seines Gutachtens (Bl. 120) darlegt, dass die von ihm selbst gesehenen Röntgenbilder und ein vorliegendes MRT die Indikation stellen ließen und ausführt, dass insoweit ausreichende Klarheit über die Knochenstruktur vorlag und von einem CT kein weitergehender Aufschluss mehr zu erwarten gewesen wäre.
Dr. K. führt in dem vorgelegten Privatgutachten auf Seite 54 aus: „Meiner Ansicht nach wurden die gängigen diagnostischen Maßnahmen und Befunderhebungen durchgeführt. Wünschenswert wäre eine computertomographische Untersuchung … gewesen.“
Vor diesem Hintergrund kann der BB von vorneherein nicht gefolgt werden, wenn sie behauptet, Dr. K. halte eine solche Untersuchung für „erforderlich“. Einen Widerspruch, der nicht besteht, brauchte das Landgericht in seinen Urteilsgründen nicht abzuarbeiten, insbesondere deswegen auch kein weiteres Gutachten einzuholen, wie es die BB meint.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die BB nicht darlegt, welches Ergebnis ein vor der Operation gefertigtes CT gezeitigt hätte und auch Dr. K. beschäftigt sich mit dieser Frage nicht.
II.
Aufklärung:
Das angefochtene Urteil setzt sich intensiv und überzeugend damit auseinander, inwieweit der Kläger über Risiken und Behandlungsalternativen aufzuklären war und ob er darüber aufgeklärt worden ist.
Soweit es dabei auf die medizinische Beurteilung ankommt, soweit es also darum ging, welche Risiken der Eingriff in sich trug und welche Alternativen grundsätzlich bestanden haben, ist ein Widerspruch zwischen dem Privatgutachten des Dr. K. und den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Gutachten bzw. seiner mündlichen Anhörung nicht zu erkennen.
Zur Frage, ob dieses Spektrum von Chancen und Risiken dem Kläger vor dem Eingriff angemessen dargestellt wurde wirft die BB dem Landgericht vor, es habe die Ausführungen des Zeugen Dr. D. zu großzügig im Sinne einer „Immer-So-Rechtsprechung“ verwertet und die Schilderungen der Zeugin H., die Ehefrau des Klägers, überhaupt nicht berücksichtigt.
Dies trifft so nicht zu: Zunächst hat das Landgericht die Beweislast zutreffend auf der Seite der Beklagten gesehen. Es setzt sich sodann mit dem vom Kläger unterschriebenen Aufklärungsbogen auseinander (welchen der Kläger für längere Zeit in Händen hatte) und verkennt dabei nicht, dass dort keine handschriftlichen Eintragungen außer zur Art der Operation enthalten sind.
Zulässig bezieht sich das Landgericht in diesem Zusammenhang dann allerdings darauf, dass der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, der Kläger selbst habe ihm anlässlich seiner Exploration berichtet, dass der Beklagte zu 2) auch Skizzen über die Operation gefertigt habe Urteil S. 12 Mitte).
Im Gegensatz zum Vorwurf der BB berücksichtigt das Landgericht in seiner Beweiswürdigung durchaus die Einlassung des Klägers selbst und auch die Ausführungen der Zeugin H. und setzt sich damit auseinander (Urteil S. 13 ff.). Insbesondere wird dort die Aussage der Zeugin wiedergegeben, wonach sie nur eingeschränkte Erinnerungen habe, nur bei einem von mehreren Aufklärungsgesprächen anwesend gewesen sei und keinen der beteiligten Ärzte wieder erkennen konnte. Die Zeugin hat dann weiter ausgesagt, sie könne sich an Details nicht erinnern, sie und ihr Mann hätten nach dem Gespräch das Fuß-Schema mit nach Hause bekommen und dieses immer wieder besprochen. Insofern könne sie sich an mindestens zwei lose Blätter mit Fuß-Skizzen bzw. Zeichnungen mit Pfeilen darauf erinnern, nicht aber an ein Textblatt. Von Risiken habe sie nichts gewusst.
Auch im Übrigen arbeitet das Landgericht zutreffend heraus, dass mehrere Gespräche zwischen dem Kläger und dem Zeugen Dr. D. bzw. der Beklagten zu 3) und dem Beklagten zu 2) stattgefunden haben müssen.
Insgesamt legt damit das Landgericht sehr überzeugend dar, weshalb es die Beweislast der Beklagten für eine ausreichende Aufklärung – auch hinsichtlich der Risiken – für erfüllt ansieht.

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