Medizinrecht

Nichtannahmebeschluss: Versammlungsrechtliche Auflage muss verhältnismäßig, insb angemessen sein – Veranstalter muss auf Unzumutbarkeit der Auflagenerfüllung hinweisen, wenn dies nicht ohne weiteres erkennbar ist – hier: Auflage über Anzahl der aufzubringenden Ordner in Relation zu erwarteter Teilnehmerzahl

Aktenzeichen  1 BvR 1791/14

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160629.1bvr179114
Normen:
Art 8 Abs 1 GG
Art 8 Abs 2 GG
§ 90 BVerfGG
§ 15 Abs 1 VersammlG
§ 25 Nr 2 VersammlG
Spruchkörper:
1. Senat 3. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend OLG Stuttgart, 30. Mai 2014, Az: 1 Ss 307/14, Beschlussvorgehend LG Stuttgart, 31. Januar 2014, Az: 38 Ns 4 Js 104002/10, Urteilvorgehend OLG Stuttgart, 3. April 2013, Az: 1 Ss 114/13, Urteil

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1
Die angegriffenen Entscheidungen halten sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
2
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt der fachgerichtlichen Prüfung. Die Gerichte sind zu Recht davon ausgegangen, dass die Nichtbeachtung einer sofort vollziehbaren Auflage nur dann gemäß § 25 Nr. 2 VersG unter Strafe gestellt ist, wenn diese rechtmäßig ist, und dass die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 25 Nr. 2 VersG eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit durch die Strafgerichte bedingt (vgl. BVerfGE 87, 399 ).
3
Allerdings ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Auflage auch ihre Verhältnismäßigkeit mit in den Blick zu nehmen. Insbesondere muss die Auflage angemessen sein. Von daher können die Versammlungsbehörden insbesondere bei Großdemonstrationen nicht ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten der Veranstalter schematisch eine feste Relation von Ordnern und Versammlungsteilnehmern zugrunde legen, denn eine versammlungsrechtliche Auflage darf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht leerlaufen lassen.
4
Die angegriffenen Entscheidungen berücksichtigen dies. Hinsichtlich der Angemessenheit für den Beschwerdeführer stellen sie darauf ab, dass er bei den Kooperationsgesprächen gewusst habe, dass die Versammlungsbehörde für 50 erwartete Teilnehmer einen Ordner ansetze, und dennoch auf seine Schwierigkeiten, eine entsprechend große Anzahl von Ordnern zu stellen, nicht hingewiesen habe. Zwar habe er der Behörde gegenüber geltend gemacht, dass er diese Zahl für zu hoch halte. Er habe aber nicht erkennen lassen, dass es ihm unmöglich oder unzumutbar sei, die Ordnerzahl aufzubringen und der Behörde vielmehr mitgeteilt, man arbeite daran, die Vorgaben der Versammlungsbehörden zu erfüllen. Dieser Darstellung tritt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Deswegen ist es vorliegend verfassungsrechtlich vertretbar, dass die Gerichte der Versammlungsbehörde zubilligen, dass diese sich dann für ihre Entscheidung auf das Kooperationsgespräch stützen und von der Erwartung ausgehen darf, dass die Auflage verhältnismäßig ist. Unterlässt es der Betroffene, vor der Versammlung auf die für ihn bestehende Unzumutbarkeit der Auflagenerfüllung hinzuweisen, obgleich ihm dies ohne Weiteres zumutbar und möglich gewesen wäre, und war die Unzumutbarkeit der Auflagenerfüllung für die Versammlungsbehörde auch nicht aus sich heraus erkennbar, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte die entsprechende Auflage als rechtmäßig beurteilen.
5
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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