Medizinrecht

Revisionszulassung; Verfahrensmangel; Konkurrentenklage im Krankenhausplanungsrecht

Aktenzeichen  3 B 16/20, 3 B 16/20 (3 C 1/22)

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2022:250122B3B16.20.0
Normen:
§ 132 Abs 2 Nr 3 VwGO
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 22. Januar 2020, Az: 5 A 97/18, Urteilvorgehend VG Dresden, 24. Oktober 2017, Az: 7 K 1971/16, Urteil

Tenor

Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision in seinem Urteil vom 22. Januar 2020 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 17 500 € festgesetzt.

Gründe

I
1
Die Klägerin ist Trägerin eines Fachkrankenhauses für Neurologie. Sie wendet sich gegen die Aufnahme der Beigeladenen in den Krankenhausplan des Freistaates Sachsen mit Betten der Neurologischen Frührehabilitation Phase B. Der Beklagte hat die Planaufnahme für die 11. Fortschreibung und während des Berufungsverfahrens für die 12. Fortschreibung des Krankenhausplans festgestellt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Der Klägerin fehle sowohl für die Anfechtung des ursprünglichen als auch des in zulässiger Weise einbezogenen späteren Bescheids das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
2
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützt ist.
II
3
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Die Revision ist wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
4
1. Das Oberverwaltungsgericht hat ein Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung des an die Beigeladene gerichteten (späteren) Bescheids vom 4. September 2018 verneint, weil es an einer Klage “in eigener Sache” fehle (UA Rn. 34 ff.). Mit ihrer beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage 7 K 2269/18 gegen den Bescheid vom 4. September 2018 für ihr eigenes Krankenhaus begehre die Klägerin eine Erhöhung der Planbettenzahl ausschließlich rückwirkend für die Geltungszeit der 11. Fortschreibung des Krankenhausplans; für die 12. Fortschreibung habe sie die Planaufnahme mit 150 Betten akzeptiert.
5
Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel, dass das Oberverwaltungsgericht ihr Begehren im Verfahren 7 K 2269/18 nicht vollständig erfasst habe (Beschwerdebegründung unter D.II.1). Der neue Bescheid sei insgesamt, also auch soweit er eine Aufnahme in die 12. Fortschreibung des Krankenhausplans mit mehr als 150 Betten ablehne, Gegenstand ihres Klagebegehrens.
6
Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klageschrift des Verfahrens 7 K 2269/18 in einer mit §§ 82 Abs. 1, 88 VwGO, §§ 133, 157 BGB nicht vereinbaren Weise ausgelegt. Die Klägerin hat Klage “gegen den als Anlage … beigefügten Änderungs-Feststellungs-Bescheid des Beklagten vom 04.09.2018 (Aktenzeichen Az: 34-5441.10-222/23)” erhoben. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte das Krankenhaus der Klägerin mit Wirkung ab 1. September 2018 mit einer Kapazität von 150 Betten im Fachgebiet Neurologie/Neurologische Frührehabilitation Phase B in den Krankenhausplan aufgenommen und den weitergehenden Antrag der Klägerin abgelehnt. Die Klägerin hat Klage gegen den Bescheid erhoben, ohne die Aufnahme in die 12. Fortschreibung des Krankenhausplans mit (nur) 150 Betten auszunehmen. Zur Begründung hat sie zwar dargelegt, sie akzeptiere grundsätzlich die Anerkennung von 150 Planbetten ab dem 1. September 2018; Streitpunkt sei allerdings weiterhin die rückwirkende Ausweisung dieser 150 Planbetten. Diese Ausführungen könnten, wenn der Beklagte in dem Bescheid die Aufnahme des Krankenhauses der Klägerin in den Krankenhausplan für die Zeit vor dem 1. September 2018 überhaupt geregelt haben sollte, auf eine Beschränkung des Klagebegehrens hindeuten; eindeutig ist dies aber nicht. Dass die Klägerin die Aufnahme in die 12. Fortschreibung des Krankenhausplans mit 150 Betten “grundsätzlich” akzeptiert, kann auch ein Hinweis auf ihre Position in den außergerichtlichen Verhandlungen zur gütlichen Regelung der Gesamtangelegenheit sein, die die Beteiligten bei Klageerhebung geführt haben. Auf die Verhandlungen hat die Klägerin in der Klageschrift zur Begründung ihres Antrags, das Ruhen des Verfahrens 7 K 2269/18 anzuordnen, hingewiesen. Um sich für die Verhandlungen alle Möglichkeiten offen zu halten, kann es interessengerecht sein, den Feststellungsbescheid umfassend anzufechten, und die Klage gegebenenfalls je nach dem Ergebnis der Verhandlungen ganz oder teilweise mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO zurückzunehmen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Oberverwaltungsgerichts hat die Klägerin der Annahme, ihre Klage in eigener Sache sei nur auf eine rückwirkende Erhöhung der Planbettenzahl für die Geltungsdauer der 11. Fortschreibung des Krankenhausplans gerichtet, ausdrücklich widersprochen. Über diese Erklärung hätte sich das Oberverwaltungsgericht nicht hinwegsetzen dürfen. Ist – wie hier – nicht eindeutig, ob ein Planaufnahmebescheid ganz oder teilweise Gegenstand der Klage sein soll, obliegt es dem Kläger, sein Klagebegehren zu bestimmen. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und den sonstigen Umständen ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Mai 2020 – 6 B 53.19 – juris Rn. 3 und vom 17. August 2021 – 7 B 16.20 – juris Rn. 7).
7
Die Abweisung der Klage gegen den an die Beigeladene gerichteten Bescheid als unzulässig kann auf der fehlerhaften Auslegung der Klage in eigener Sache beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hat ein Rechtsschutzinteresse zwar mit einer zweiten – selbständig tragenden – Begründung verneint. Auch insoweit liegt aber ein Grund für die Zulassung der Revision vor.
8
2. Das Oberverwaltungsgericht hat ein Rechtsschutzinteresse für die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. September 2018 auch deshalb verneint, weil der Vollzug der Planaufnahme des Krankenhauses der Beigeladenen nicht zu erheblichen Veränderungen zu Lasten der Klägerin führe. Die Beigeladene habe lediglich fünf zusätzliche Planbetten erhalten; die Zahl der Planbetten der Klägerin sei von 100 auf 150 erhöht worden, weshalb sie die Begünstigte der Veränderungen sei (UA Rn. 42).
9
Insoweit kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren kann zur Klärung der Frage beitragen, ob das Rechtsschutzbedürfnis für eine Konkurrentenklage im Krankenhausplanungsrecht davon abhängt, mit welcher Anzahl von Planbetten das konkurrierende Krankenhaus im streitgegenständlichen Fachgebiet in den Krankenhausplan (zusätzlich) aufgenommen worden ist.
10
3. Die Zulassung der Revision ist nicht auf die Klage gegen den Bescheid vom 4. September 2018 über die Planaufnahme des Krankenhauses der Beigeladenen mit Wirkung ab 1. September 2018 (12. Fortschreibung) zu beschränken. Die Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid könnte auch davon abhängen, welche Regelungen er im Verhältnis zum Bescheid vom 16. Juni 2016 (11. Fortschreibung) trifft und inwieweit die Klage gegen diesen Bescheid zulässig ist.
11
Die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben