Medizinrecht

Unterlassungsanspruch in Bezug auf die gesundheitsbezogene Angabe, der Taillenumfang werde reduziert

Aktenzeichen  3 U 118/17

Datum:
3.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 44
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 1924/2006 Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 5 Abs. 1a, Art. 10 Abs. 1, Art. 12 lit. a, Art. 28 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Die Werbeaussage, die Einnahme eines Produktes führe zur Reduzierung des Taillenumfangs, setzt einen Wirkzusammenhang zwischen Einnahme und dem Fettstoffwechsel voraus und begründet die Annahme, dass die Aussage gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO (EG) 1924/2006 enthält.  (Rn. 9) (red. LS Dirk Büch)
2 Wird zum Beweis der gesundheitsfördernden Wirkungen eine fremdsprachige Studie vorgelegt, ist diese hinsichtlich der Studienbedingungen und Untersuchungsmethodik schriftsätzlich aufzuarbeiten.  (Rn. 14) (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

1 HKO 54/17 2017-07-04 Urt LGASCHAFFENBURG LG Aschaffenburg

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 04.07.2017, Az. 1 HK O 54/17 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die diesem Beschluss beigefügte Anlage K 1 Bestandteil des vorgenannten Ersturteils wird.
II. Die Verfügungsbeklagte hat Gelegenheit, hierzu bis zum 29.11.2017 Stellung zu nehmen.

Gründe

Auf Antrag des Verfügungsklägers, eines Verbraucherschutzverbandes, hat das Landgericht durch Urteil vom 04.07.2017 im Wege der einstweiligen Verfügung der Verfügungsbeklagten untersagt, das von ihr hergestellte und vertriebene Produkt „A. C. Kapseln“ mit den in Anlage 1 wiedergegebenen Werbeaussagen zu bewerben.
Die beanstandeten Werbeaussagen – im Wesentlichen: die Einnahme des Produkts bewirke eine Verringerung des Taillenumfangs – verstießen gegen die Marktverhaltensregel des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1924/2006 (HCVO), weil sie gesundheitsbezogene Angaben enthielten und weder das Produkt selbst noch der darin enthaltene Wirkstoff Morosil (Blutorangenextrakt) in der Liste der zugelassenen Stoffe nach Art. 13, 14 HCVO aufgenommen seien. Soweit nach der gemäß Art. 28 Abs. 5 HCVO zur Anwendung kommenden Übergangsvorschrift gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 13 Abs. 1 lit. a HCVO verwendet werden dürfen, fehle es aber an einem ausreichendem Nachweis der ernährungsphysiologischen Wirksamkeit des Präparats gemäß Art. 5 Abs. 1 a HCVO.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Verfügungsbeklagte wendet sich mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen das Urteil und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Sie rügt im Wesentlichen, dass die beanstandeten Werbeaussagen keine gesundheitsbezogene Angaben enthielten, sondern nur kosmetische Aspekte berührt seien. Die Voraussetzungen der Art. 28 Abs. 5 iVm Art. 5 Abs. 1a HCVO seien erfüllt; die streitigen Werbeaussagen seien wissenschaftlich valide belegt durch die als Anlage AG 6 vorgelegte placebo-kontrollierte klinische Studie. Dem beweisbelasteten Verfügungskläger sei es nicht gelungen, diese Studie zu entkräften.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung verwiesen.
Der Verfügungskläger beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsbeklagten einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.
Das Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis und auch in der Begründung richtig. Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen Folgendes auszuführen:
1. Das Landgericht hat zu Recht in den beanstandeten Werbeaussagen gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO erkannt. Auch wenn in den streitigen Werbeaussagen mit keinem Wort die Gesundheit angesprochen wird, so wird mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass die Einnahme des beworbenen Produkts „C.“ zu einer Verringerung des Taillenumfangs führen soll. Da dies denknotwendigerweise eine Gewichtsreduzierung voraussetzt, wird ein Wirkungszusammenhang zwischen der Einnahme des Produkts und dem Fettstoffwechsel impliziert. Außerdem wird in Ziffer 8. der beanstandeten Werbeaussagen „Arbeitet der Fetteinlagerung und der Gewichtszunahme entgegen“ ausdrücklich ein Wirkungszusammenhang dargestellt. Im Übrigen behauptet die Verfügungsbeklagte mit der vorgelegten Studie zum Wirkungsnachweis selbst, dass „die aktiven Bestandteile in dem Morosaft einen synergetischen Effekt auf die Fettakkumulation im Menschen haben und der Morosaft-Extrakt im Gewichtsmanagement und in der Prävention der humanen Adipositas verwendet werden kann“. Da hiermit ein einem wissenschaftlichen Nachweis zugänglicher Wirkungszusammenhang zwischen einem Nährstoff, einer Substanz, einem Lebensmittel oder einer Lebensmittelkategorie einerseits und einer konkreten Körperfunktion andererseits behauptet wird, ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.04.2016, GRUR 20126, 1200 ff – Repair-Kapseln eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO zweifelsohne gegeben.
Hinzu kommt, dass der Unionsgesetzgeber mit der Regelung des Art. 12 lit. a HCVO, wonach Angaben über die Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme nicht zulässig sind, solche Angaben ausdrücklich als gesundheitsbezogen eingeordnet hat (vgl. auch Rathke/Hahn in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Art. 10 Verordnung (EG) 1924/2006, C 111 Rn. 5).
Die beklagtenseits in Bezug genommene Entscheidung des OLG Hamburg, Pharma Recht 2000, 134, die weit vor Inkrafttreten der hier maßgeblichen HCVO ergangen ist, vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal sie die Abgrenzung zwischen einem Arzneimittel und einem – äußerlich anzuwendenden ! – Schuppenshampoo, das dort als Kosmetikpräparat beworben worden ist, zum Gegenstand hat.
2. Das Landgericht hat weiterhin die beanstandeten Werbeaussagen ohne Rechtsfehler auch nicht nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 iVm Art. 5 Abs. 1a HCVO als zulässig angesehen.
a) Insbesondere teilt der Senat die Bedenken des Landgerichts gegen die als Anlage AG 6 in englischer Sprache vorgelegte Studie.
Zutreffend hat sich das Landgericht hinsichtlich der Anforderungen an die Einführung von fremdsprachigen wissenschaftlichen Studien in den Prozess auf die Entscheidung des OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 293 Tz. 45, der sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 12.02.2012, Az. 3 U 192/13 (= WRP 2014, 609) angeschlossen hat, gestützt. Insoweit hat die Verfügungsbeklagte im Schriftsatz vom 07.06.2017 zwar aus der Studie zitiert und auf positive Stellungnahmen verwiesen. Zu Recht hat das Landgericht jedoch die schriftsätzliche Aufarbeitung der Studie hinsichtlich Studienbedingungen und Untersuchungsmethodik vermisst.
Entgegen der Berufungsrüge hat das Landgericht auch nicht einen falschen juristischer Prüfungsmaßstab angelegt und eine „doppelblinde“ Studie gefordert. Es hat die vorgelegte Studie letztlich am eigenen Maßstab der Verfügungsbeklagten gemessen, die in der beanstandeten Werbeaussage unter Ziffer 9. sich auf eine „Placebo-Doppelblind-Studie“ bezieht.
Schließlich stellt die Studie kein klares Ergebnis auf. Die Verfügungsbeklagte übersetzt zwar „It could be suggested“ mit „Es konnte daraus geschlossen werden.“ und stützt darauf die Meinung, dass damit die Autoren der Studie ausdrücklich eine signifikante Wirkung des beworbenen Stoffes Morosil bestätigt hätten.
Zutreffend hat indessen das Landgericht diesen Passus mit „Es könnte daraus geschlossen werden“ übersetzt. Im Englischen wird „could“ konjunktivisch im Sinne von „könnte“ verwendet. „Could“ ist nur dann simple past von „can“, wenn es im Sinne von „to be able to“, als zu etwas fähig sein, verwendet wird: „He could ride = He was able to ride“. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Damit liegt schon keine eindeutige Schlussfolgerung der Studie, sondern lediglich eine Vermutung über einen Wirkungszusammenhang vor.
b) Soweit die Verfügungsbeklagte meint, dass bloße Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Studien nicht genügen würden, gilt dies nur für den Fall, dass die vom Werbenden in Bezug genommene Studie wissenschaftlich abgesichert ist. Insoweit hat das OLG Frankfurt, GRUR-RR 2016, 257 Rn. 44, ausgeführt:
Mit der einem Lebensmittel beigelegten, fachlich umstrittenen gesundheitsfördernden Wirkung darf grundsätzlich nur geworben werden, wenn diese Wirkung durch mindestens eine Studie nach dem „Goldstandard“ wissenschaftlich abgesichert ist; hierfür ist der Werbende im Prozess darlegungsund beweispflichtig. Legt der Beklagte eine diesen Anforderungen inhaltlich genügende Studie vor, ist es Sache des Klägers, die Unvertretbarkeit der aus der Studie gezogenen Schlüsse darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Allein fehlt es im vorliegenden Fall schon an einer wissenschaftlich abgesicherten Studie der Verfügungsbeklagten. Auch die in Bezug genommene Rechtsprechung des OLG Hamburg, NJOZ 2003, 2783, betraf Arzneimittel, die nach dem AMG nur zugelassen werden, wenn der Hersteller durch entsprechende Studien die Wirkungen nachgewiesen hat.
Damit verbleiben die Darlegungs- und Beweislast bzw. die Last zur Glaubhaftmachung auf der Beklagtenseite.
III.
Da sich das angefochtene Urteil somit als zutreffend erweist, kann die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben und wird zurückzuweisen sein.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
1. Soweit Rechtsfragen zur Entscheidung anstehen, sind diese in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Der Senat weicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Oberlandesgerichte nicht ab. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Der vorliegende Rechtsstreit ist geprägt durch die ihm innewohnenden Besonderheiten. Eine Zulassung der Revision kommt im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne dies nicht in Betracht (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO).
2. Eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache ebenfalls nicht geboten. Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen. Die vorliegende Entscheidung enthält auch keine Gesichtspunkte, die nicht bereits Gegenstand einer mündlichen Verhandlung waren.
3. Der Senat regt deshalb – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die (kostengünstigere) Rücknahme des Rechtsmittels an und weist auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (Kostenverzeichnis Nr. 1220, 1222) hin.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festzusetzen (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG).


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