Medizinrecht

Unverzüglichkeit des Prüfungsrücktritts

Aktenzeichen  Au 3 K 15.1851

Datum:
19.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG
RaPO § 9 RaPO

 

Leitsatz

1 Eine Rücktrittserklärung wegen Prüfungsunfähigkeit erfordert eine eindeutige Willenserklärung gegenüber der Prüfungsbehörde mit dem Ziel der Annullierung der Prüfung. Die bloße Äußerung gesundheitlicher Problem während einer Prüfung ist nicht ausreichend, zumal wenn die Prüfung fortgesetzt und die Klausur abgegeben wird. (redaktioneller Leitsatz)
2 Erkennt der Prüfling während der Prüfung seine gesundheitliche Beeinträchtigung (hier: Kopfschmerzattacken), muss er seine Prüfungsunfähigkeit noch in der Prüfung anzeigen und die Prüfung abbrechen. Der am selben Tag durch Einreichen eines ärztlichen Attestes erfolgte konkludente Rücktritt ist nicht mehr unverzüglich. (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus einem ärztlichen Attest zum Nachweis der Prüfungsunfähigkeit muss sich ergeben, ob es auf einer Untersuchung am Prüfungstag beruht, wie schwer die Erkrankung war und inwieweit sie sich auf das Leistungsvermögen in der Prüfung ausgewirkt hat. Bestehen in der Hochschule bekanntgemachte Regelungen zu den Anforderungen an ein ärztliches Attest, besteht keine Pflicht der Prüfungs-behörde, auf die Unzulänglichkeit eines Attestes hinzuweisen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Soweit es die inmitten stehende Prüfungsentscheidung betrifft, ist die mit Bescheid der Hochschule K. vom 8. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2015 als Körperschaft – vgl. Art. 12 Abs. 2 BayHSchG – getroffene Feststellung, dass der Kläger die Prüfungsleistung „Wirtschaftsmathematik“ aus dem Grund- bzw. Basisstudium des Bachelor-Studiengangs Betriebswirtschaft auch im zweiten Wiederholungsversuch – und damit endgültig, § 10 Abs. 1 RaPO i. V. m. § 12 Abs. 2 der Allgemeinen Prüfungsordnung der Hochschule für angewandte Wissenschaften K. (APO) – nicht bestanden hat, rechtlich einwandfrei. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Verpflichtung der Hochschule zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens durch Einräumung einer weiteren Wiederholungsprüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Bewertung der gegenständlichen Prüfung des Klägers am 20. Juli 2015 im Fach „Wirtschaftsmathematik“ als nicht bestanden ist rechtsfehlerfrei. Denn ein wirksamer Rücktritt von der genannten Prüfung i. S. v. § 9 RaPO ist nicht gegeben.
a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 RaPO wird bei Rücktritt von einer Prüfung, die bereits angetreten wurde, die Note „nicht ausreichend“ erteilt, es sei denn, der Rücktritt erfolgte aus vom Studierenden nicht zu vertretenden Gründen. Die Prüfung ist mit Stellung der Prüfungsaufgabe angetreten, § 9 Abs. 1 Satz 2 RaPO.
Die Gründe für den Rücktritt nach § 9 Abs. 1 RaPO müssen der Hochschule nach § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Eine während einer Prüfungsleistung eintretende Prüfungsunfähigkeit muss unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht werden; die Verpflichtung zur Anzeige und Glaubhaftmachung der Gründe bleibt unberührt (§ 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO). Bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit ist nach § 9 Abs. 3 Satz 3 RaPO ein ärztliches Attest vorzulegen, das auf einer Untersuchung beruhen muss, die grundsätzlich am Tag der jeweiligen Prüfung erfolgt ist.
Nach § 9 Abs. 3 Satz 4 RaPO i. V. m. § 8 Abs. 4 Satz 5 RaPO legt der Prüfungsausschuss fest, welche Angaben das ärztliche Attest enthalten muss; die Regelung ist hochschulöffentlich bekanntzugeben. Vorliegend hat der Prüfungsausschuss der Hochschule K. folgende Regelungen erlassen und am 11. Mai 2011 per Aushang hochschulöffentlich bekannt gemacht (Blatt 62 der Gerichtsakte):
„Formale Anforderungen an ärztliche Atteste
[1]) Beantragt ein(e) Student(in) aus gesundheitlichen Gründen Prüfungsunfähigkeit, muss dem Studienamt unverzüglich ein ärztliches Attest (keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) vorgelegt werden. Die ärztliche Untersuchung muss grundsätzlich spätestens am Tag der versäumten Prüfung erfolgen.
[2]) Das ärztliche Attest muss die aktuellen krankheitsbedingten und zugleich prüfungsrelevanten körperlichen, geistigen und/oder seelischen Funktionsstörungen aus ärztlicher Sicht so konkret und nachvollziehbar beschreiben, dass die Hochschule entscheiden kann, ob am Prüfungstag tatsächlich Prüfungsunfähigkeit bestanden hat. Aus diesem Attest müssen die Hindernisse, an der Prüfung teilzunehmen, schlüssig hervorgehen (z. B. notwendige Bettruhe; objektive Unfähigkeit, sich ohne erhebliche Beschwerden oder ohne die Krankheitserscheinungen zu verschlimmern, der Prüfung zu unterziehen, zum Prüfungsamt zu begeben o.ä.).
Eine Diagnose im ärztlich medizinischen Sinne ist nicht erforderlich.
[3]) Am Schluss des Attestes soll der Arzt feststellen, ob er aus ärztlicher Sicht Prüfungsunfähigkeit annimmt.
[4]) Zusätzlich ist (sofern notwendig) ein formloser Antrag auf Fristverlängerung über das Studienamt einzureichen. Die bloße Einreichung/Vorlage des ärztlichen Attestes bewirkt keine Fristverlängerung.
[5]) Ärztliche Atteste, die erst nach Notenbekanntgabe eingereicht/vorgelegt werden, werden grundsätzlich nicht anerkannt.“
b) Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben ist vorliegend kein wirksamer Rücktritt des Klägers von der streitgegenständlichen Prüfung i. S. v. § 9 RaPO gegeben. Die Prüfung ist daher gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 RaPO mit der Note „nicht ausreichend“ zu bewerten.
aa) Zunächst ist klarzustellen, dass vorliegend ein Rücktritt von einer bereits angetretenen Prüfung i. S. v. § 9 Abs. 1 RaPO inmitten steht, da der Rücktritt unstreitig erst nach Stellung der Prüfungsaufgabe erfolgte.
Insoweit ist festzustellen, dass eine (konkludente) Rücktrittserklärung des Klägers erst im – nach Prüfungsende, allerdings noch am Prüfungstag erfolgten -Einlegen des ärztlichen Attests in das Fach des zuständigen Professors zu sehen ist. Dass der Kläger tatsächlich noch am 20. Juli 2015 ein ärztliches Attest – hierbei dürfte es sich um das ärztliche Attest vom 20. Juli 2015 (Blatt 32b der Verwaltungsakte) handeln – in das Fach des Professors gelegt hat, hat der betreffende Professor in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2016 (Blatt 59 der Gerichtsakte) bestätigt und dürfte nunmehr zwischen den Beteiligten unstreitig sein.
Während der Prüfung selbst ist hingegen keine hinreichend eindeutige Rücktrittserklärung des Klägers erfolgt.
Eine ordnungsgemäße Rücktrittserklärung wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit erfordert eine eindeutige Willenserklärung gegenüber der Prüfungsbehörde mit dem Ziel der Annullierung der Prüfung (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 7 ZB 06.509 – juris Rn. 13; U.v. 3.11.1992 – 7 ZB 91.541 – juris Rn. 86; VG Ansbach, U.v. 1.2.2007 – AN 2 K 06.23 u. a. – juris Rn. 35).
Zwar hat vorliegend der aufsichtsführende Professor in seiner genannten Stellungnahme vom 2. Februar 2016 (Blatt 59 der Gerichtsakte) auch bestätigt, dass der Kläger im letzten Drittel der Klausur gesundheitliche Probleme geäußert hat (so auch der Vortrag der Klagebegründung, Blatt 37 der Gerichtsakte). Eine hinreichend eindeutige (unbedingte) Rücktrittserklärung mit dem Ziel der Annullierung der Prüfung liegt im bloßen mündlichen Äußern gesundheitlicher Probleme jedoch nicht. Denn hierfür hätte der Kläger unter Verweis auf eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit die Prüfung abbrechen müssen, ohne jedoch – wie geschehen – die Bearbeitung der Aufgaben fortzusetzen und die Bearbeitung am Prüfungsende bei der aufsichtsführenden Person abzugeben (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2010 – 7 ZB 09.1921 – juris Rn. 11). In diesem Sinne ist eine formale Rücktrittserklärung des Klägers auch im Prüfungsprotokoll vom 20. Juli 2015 (Blatt 39a der Verwaltungsakte) nicht vermerkt, das jedoch die krankheitsbedingte Entlassung einer anderen Prüflingsteilnehmerin aus dem Prüfungsraum ausweist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Prüfling die Beweislast (auch) dafür trägt, dass er hinreichend eindeutig einen Prüfungsrücktritt erklärt hat.
Insoweit ist auch nicht von Relevanz, dass einer der beiden aufsichtsführenden Professoren in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2016 (Blatt 59 der Gerichtsakte) eingeräumt hat, dass er sich aufgrund des offenbar kontroversen Falls der anderen Prüflingsteilnehmerin dem gesundheitliche Probleme äußernden Kläger zeitlich nicht (mehr) habe widmen können; gleiches gilt für den Umstand, dass der betreffende aufsichtsführende Professor offenbar der aus Sicht der Hochschule unzutreffenden Auffassung gewesen ist, dass Prüflinge den Prüfungsraum nicht vorzeitig verlassen dürfen. Denn zum einen hätte der Kläger eine etwaige eindeutige Rücktrittserklärung auch an die andere Aufsichtsperson richten können. Zum anderen hätte der Kläger für einen hinreichend eindeutigen Rücktritt noch während der Prüfung jedenfalls seine Klausurbearbeitung nicht – wie geschehen (siehe hierzu die Klausur des Klägers, Blatt 39b – 39j der Verwaltungsakte) – nach Ende der Bearbeitungszeit regulär abgeben dürfen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger vielmehr gegenüber den die Klausurbearbeitungen einsammelnden Aufsichtspersonen einen Rücktritt formal zu Protokoll geben können und müssen. Dies hat er vorliegend jedoch unterlassen.
bb) Hiervon ausgehend hat der Kläger – entgegen § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO – eine nach seinem Vortrag während der Prüfungsleistung eingetretene Prüfungsunfähigkeit bereits nicht unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht.
(1) An die Unverzüglichkeit des Prüfungsrücktritts i. S.v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Prüfling muss, nachdem er seine zur Prüfungsunfähigkeit führende gesundheitliche Belastung erkannt hat, alsbald ohne weitere Verzögerung zum frühestmöglichen, ihm zumutbaren Zeitpunkt seinen Rücktritt erklären und dabei auch unverzüglich die Gründe hierfür mitteilen. Diese Obliegenheit ist Teil der auf dem Prüfungsrechtsverhältnis beruhenden Pflicht des Prüflings, im Prüfungsverfahren mitzuwirken, die ihren Rechtsgrund in dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben hat. Daher ist es auch Sache des Prüflings, sich rechtzeitig vor der Prüfung, aber auch insbesondere während der Prüfung Klarheit über seine Prüfungsfähigkeit zu verschaffen und ggf. unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen und Prüfungsunfähigkeit spätestens dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist, geltend zu machen. Zur Mitwirkungspflicht des Prüflings gehört auch, dass er sich bei Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen selbst um die Frage seiner Prüfungsfähigkeit und eines evtl. erforderlichen Rücktritts kümmert und dass diese Frage bei auftauchenden Zweifeln sofort geklärt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Prüfling die genaue krankheitsbedingte Ursache seiner Prüfungsunfähigkeit kennt und dass er die Krankheitssymptome richtig deuten und alle Auswirkungen der Krankheit zutreffend einschätzen kann. Vielmehr muss er sich bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht, also wenn ihm erhebliche Beeinträchtigungen seines Leistungsvermögens im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen geblieben sind, unverzüglich selbst um eine Aufklärung seines Gesundheitszustandes bemühen. Unterlässt er dies, obwohl es ihm zuzumuten ist, und nimmt er (weiter) an der Prüfung teil, ist es dem Prüfling verwehrt, sich nachträglich auf eine Erkrankung am Prüfungstag zu berufen. Ein Prüfling trägt die materielle Beweislast nicht nur für die den Rücktrittsgrund, sondern auch für die Unverzüglichkeit des Rücktritts (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 14; B.v. 26.11.2009 – 7 ZB 09.1423 – juris Rn. 11; B.v. 7.1.2009 – 7 ZB 08.1478 – juris Rn. 11; B.v. 23.1.2007 – 7 ZB 06.509 – juris Rn. 12; U.v. 23.9.2004 – 7 B 03.1192 – juris Rn. 16 zu § 21 Abs. 4 Satz 1 RaPO a. F.; B.v. 22.7.2003 – 7 CE 03.1872 – juris Rn. 11; VG Würzburg, U.v. 14.5.2014 – W 2 K 13.963 – juris Rn. 19; VG Augsburg, U.v. 24.1.2006 – Au 3 K 05.1950 – juris Rn. 20).
Bei Vorliegen eines Rücktrittsgrunds ist ein Prüfling somit gehalten, vor Abgabe der Arbeit die Prüfung abzubrechen und eine Prüfungsunfähigkeit unverzüglich ärztlich feststellen zu lassen (§ 9 Abs. 3 Satz 2 und 3 RaPO). Nach Abgabe der Arbeit kann ein Prüfling jedoch ohne ausreichenden Nachweis einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit nicht mehr damit durchdringen, er habe die Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen und seine Prüfungsfähigkeit unterschätzt. Ein Wahlrecht zwischen Nichtantritt oder Abbruch der Prüfung wegen erkannter Prüfungsunfähigkeit und nachträglichem Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit steht dem Prüfungsteilnehmer nicht zu. Es widerspräche dem Grundsatz der Chancengleichheit, einem Prüfling, der trotz der für ihn erkennbaren Beeinträchtigung seiner Prüfungsfähigkeit an der Prüfung in der Hoffnung teilnimmt, einen Erfolg erreichen zu können, im Falle des Nichtbestehens eine weitere Prüfungsmöglichkeit einzuräumen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 18).
Auch die Gefahr, dass der geltend gemachte Rücktrittsgrund von der Prüfungsbehörde letztlich nicht anerkannt werden könnte, macht die Pflicht eines Prüflings aus § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO zur unverzüglichen Rücktrittserklärung nicht unzumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2010 – 7 ZB 09.1921 – juris Rn. 12).
(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist vorliegend kein unverzüglicher Rücktritt des Klägers i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO gegeben.
Den Vortrag der Klägerseite als wahr unterstellt ist bei diesem während der Klausur eine Clusterkopfschmerzattacke aufgetreten; er hat sodann versucht, die Klausur zu Ende zu schreiben, was ihm aufgrund der starken Kopfschmerzen jedoch nicht möglich gewesen ist (siehe E-Mail des Klägers v. 13.11.2015, Blatt 43b der Verwaltungsakte). Der Kläger hat insoweit im letzten Drittel der Klausur gegenüber der Prüfungsaufsicht gesundheitliche Probleme geäußert (siehe Stellungnahme eines aufsichtsführenden Professors v. 2.2.2016, Blatt 59 der Gerichtsakte).
Den Vortrag der Klägerseite zugrunde gelegt ist somit davon auszugehen, dass der Kläger seinen beeinträchtigten Gesundheitszustand zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorgetragenen Kopfschmerzattacke grundsätzlich wahrgenommen hat und auch zutreffend einordnen konnte. Hierfür spricht zum einen, dass der Kläger bereits seit zehn Jahren an der gegenständlichen chronischen Symptomatik leidet (siehe ärztliches Attest v. 20.4.2016, Blatt 54 der Gerichtsakte). Zum anderen hatte der Kläger bereits eine Woche vor der streitgegenständlichen Klausur den Rücktritt von einer anderen Prüfungsleistung ebenfalls wegen Cluster-Kopfschmerzen erklärt (siehe Schreiben des Klägers v. 13.7.2015, Blatt 31a der Verwaltungsakte). Insoweit ist maßgeblich zu bedenken, dass Kenntnis einer Erkrankung bereits dann vorliegt, wenn für den Prüfling – wie hier – Anlass bestand, Zweifel an seiner uneingeschränkten Prüfungsfähigkeit zu haben, ihm also bewusst ist, dass sein Gesundheitszustand nicht unerheblich beeinträchtigt ist; nicht erforderlich ist dagegen, dass der Prüfling die erkannten Krankheitssymptome medizinisch und juristisch zutreffend unter den Begriff einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit subsumiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 3.11.1992 – 7 B 91.541 – juris Rn. 90). Nach alledem ist eine unerkannte Prüfungsunfähigkeit des Klägers vorliegend nicht gegeben.
Aufgrund seiner – den klägerischen Vortrag erneut als wahr unterstellt – subjektiv erkennbaren Kopfschmerzattacke hat sich der Kläger sodann zwar unstreitig im letzten Drittel der Prüfung an einen aufsichtsführenden Professor gewandt und gesundheitliche Probleme geäußert. Eine einen Rücktritt bedingende Prüfungsunfähigkeit hat er jedoch – wie dargelegt – gegenüber der Prüfungsaufsicht während der gesamten Prüfungszeit nicht hinreichend eindeutig geltend gemacht, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre. Der Kläger hat vielmehr – letztlich auf eigenes Risiko – weiter an der Prüfung teilgenommen und sogar seine Klausurbearbeitung regulär abgegeben (siehe oben). Wie ausgeführt ist an die Unverzüglichkeit des Rücktritts i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit ein strenger Maßstab anzulegen. Ein Wahlrecht zwischen Abbruch der Prüfung wegen erkannter Prüfungsunfähigkeit und nachträglichem Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit steht dem Prüfungsteilnehmer nicht zu. Der Kläger trägt – wie ausgeführt – letztlich die Beweislast (auch) für die Unverzüglichkeit des Rücktritts; einen hinreichend eindeutigen Rücktritt bereits während der Prüfung hat er jedoch vorliegend nicht substantiiert dargelegt, was letztlich zu seinen Lasten geht. Die (unstreitige) Einlegung des ärztlichen Attests in das Fach des zuständigen Professors später am Prüfungstag als erstmalige eindeutige Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit war demgegenüber nicht mehr unverzüglich – d. h. ohne schuldhaftes Zögern, vgl. § 121 BGB – i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass § 9 Abs. 3 Satz 2 RaPO ausweislich seines Wortlauts vorsieht, dass eine – wie hier – während einer Prüfungsleistung eintretende Prüfungsunfähigkeit durch den Prüfling unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht (Hervorhebung nicht im Original) geltend gemacht werden muss; die Norm geht daher ersichtlich davon aus, dass – abgesehen von Fällen nicht erkennbarer Prüfungsunfähigkeit – bei einer während einer Prüfung eintretenden Prüfungsunfähigkeit jedenfalls noch während der Prüfungszeit gegenüber der Prüfungsaufsicht ein Prüfungsrücktritt zu erklären ist.
cc) Unabhängig davon ist der Rücktritt des Klägers jedenfalls deshalb unwirksam, da er die Gründe hierfür gegenüber der Hochschule entgegen § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO nicht unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht hat.
An den Nachweis von Rücktrittsgründen durch Vorlage eines ärztlichen Attests ist ein strenger Maßstab anzulegen; nur so können Missbräuche mit dem Ziel der Verbesserung der Prüfungschance verhindert werden. Der Nachweis ist nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling ihn nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt erbringt, zu dem er von ihm zumutbarer weise hätte erwartet werden können. Zwar ist es nicht Sache des Arztes, sondern Aufgabe des Prüfungsamts, darüber zu befinden, ob eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit vorliegt. Das hierzu vom Prüfungsteilnehmer beizubringende ärztliche Attest ist jedoch für die Prüfungsbehörde die wesentliche Entscheidungsgrundlage. Es muss daher die krankhafte Beeinträchtigung des Prüflings und ihre Auswirkungen auf dessen Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung so beschreiben, dass die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt wird, auf der Grundlage des Attests zu entscheiden, ob ein ausreichender Rücktrittsgrund nachgewiesen ist. Das ärztliche Attest muss auch ausweisen, ob der Prüfling am Ausstellungstag des Attests überhaupt ärztlich untersucht wurde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 6.8.1996 – 6 B 17/96 – BayVBl 1997, 411 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 15; B.v. 22.3.2012 – 7 ZB 11.2859 – juris Rn. 11; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Auflage 2010, Rn. 278).
Hiervon ausgehend sind etwaige Rücktrittsgründe des Klägers der Hochschule gegenüber jedenfalls nicht unverzüglich i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO glaubhaft gemacht worden.
Das durch den Kläger in das Fach des zuständigen Professors noch am Prüfungstag eingelegte ärztliche Attest vom 20. Juli 2015 (Blatt 32b der Verwaltungsakte) enthält lediglich auf zweieinhalb Textzeilen die Feststellung, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Prüfung an einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke gelitten habe; der Cluster-Kopfschmerz sei bekannt, die Attacken würden anfallsartig auftreten und längstens zwei Stunden dauern. Das Attest enthält jedoch keinerlei Angaben, ob das Attest auf einer ärztlichen Untersuchung am Prüfungstag – und wenn ja zu welchem genauen Zeitpunkt – beruht (vgl. auch § 9 Abs. 3 Satz 3 RaPO). Es nimmt auch nur pauschal auf das Vorliegen einer Cluster-Kopfschmerz-Attacke „zum Zeitpunkt der Prüfung“ Bezug, ohne jedoch die Prüfungszeitspanne zeitlich näher zu konkretisieren. Auch wird der Schweregrad des Kopfschmerz-Anfalls nicht näher spezifiziert. Letztlich fehlt es an der erforderlichen genauen Beschreibung, ob und ggf. inwieweit sich die Cluster-Kopfschmerz-Attacke auf das Leistungsvermögen des Klägers in der konkreten Prüfung beeinträchtigend ausgewirkt hat.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass in der Verwaltungsakte der Hochschule das klägerseitig in Bezug genommene ärztliche Beiblatt zum Attest vom 20. Juli 2015, das detailliert die klägerischen Erkrankungssymptome beschrieben habe, nicht enthalten ist. Die Klägerseite trägt sowohl für die behauptete Existenz dieses Beiblatts an sich als auch für die Behauptung, dass das Beiblatt dem der Hochschule nach der Prüfung übermittelten Attest vom 20. Juli 2015 tatsächlich beigefügt war, die Beweislast, da es sich um eine für sie günstige Tatsache handelt. Einen Beweis hat die Klägerseite insoweit jedoch nicht führen können. Die den Kläger behandelnde Allgemeinmedizinerin hat in ihrem ergänzenden Attest vom 20. April 2016 (Blatt 54 der Gerichtsakte) bereits die Existenz des fraglichen Beiblatts nicht bestätigt; sie hat insoweit lediglich den unstreitigen Umstand bestätigt, dass es zur Untersuchung vom 20. Juli 2015 ein kurzes ärztliches Attest gegeben hat und sodann die – unzutreffende – Vermutung geäußert, dass dieses wohl auf dem auf dem Weg zur Hochschule postalisch verloren gegangen sei. Ohnehin gilt, dass selbst wenn man zugunsten des Klägers von einer Übermittlung auch des Beiblatts an die Hochschule ausginge, eine hinreichende unverzügliche Glaubhaftmachung der Rücktrittsgründe i. S. v. § 9 Abs. 3 Satz 1 RaPO durch das Gericht nicht bejaht werden könnte; denn das behauptete Beiblatt liegt nicht mehr – etwa in Kopie – vor (Schriftsatz der Klägerseite v. 22.4.2016, Blatt 53 der Gerichtsakte), sein Inhalt ist somit vollständig unklar und rechtlich nicht bewertbar.
Die Fürsorge- und Hinweispflicht der Prüfungsbehörde hat es vorliegend auch nicht geboten, den Kläger auf die Unzulänglichkeit des ärztlichen Attests vom 20. Juli 2015 hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Denn in den gemäß § 9 Abs. 3 Satz 4 RaPO i. V. m. § 8 Abs. 4 Satz 5 RaPO durch den Prüfungsausschuss festgelegten und durch Aushang hochschulöffentlich bekanntgemachten Regelungen (Blatt 62 der Gerichtsakte) sind unter Nr. 2 und 3 detailliert nochmals die sich im Kern bereits aus der Rechtsprechung zum Prüfungsrecht ergebenden Anforderungen an ein aussagekräftiges ärztliches Attest aufgeführt. Die genannten maßgeblichen Ziffern sind wortgleich auch im Internet veröffentlicht (Blatt 63 der Gerichtsakte). Von einem Studenten muss erwartet werden, dass er sich Kenntnis von den rechtlichen Rahmenbedingungen seines Studiums verschafft (vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, U.v. 26.11.2013 – Au 3 K 13.1339 – juris Rn. 27 f.).
Ohnehin war der Kläger vorliegend bereits mit E-Mail der Hochschule vom 21. Juli 2014 (Blatt 18 der Verwaltungsakte) mit Blick auf die bereits damals erfolgte Vorlage eines unzureichenden ärztlichen Attests auf die oben genannten Regelungen des Prüfungsausschusses hingewiesen worden; in der E-Mail waren die maßgeblichen Regelungen unter Nr. 2 und 3 im kompletten Wortlaut abgedruckt. Entgegen der Behauptung des Klägers in der Widerspruchsbegründung trifft damit auch nicht zu, dass die Hochschule in der Vergangenheit niedrigere Anforderungen an ärztliche Atteste gestellt habe. Soweit der Kläger insoweit auf die dem Schreiben vom 13. Juli 2015 beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Blatt 31a f. der Verwaltungsakte) verweisen sollte, so war hier aus Sicht der Hochschule von vornherein keine Vorlage eines ärztliches Attests erforderlich; dies wurde dem Kläger auch telefonisch mitgeteilt.
Das klägerseitig vorgelegte Attest vom 20. Juli 2015 erfüllt nach alledem nicht die Anforderungen des § 9 Abs. 3 Satz 1 und 3 RaPO hinsichtlich einer unverzüglichen Glaubhaftmachung der Rücktrittsgründe. Das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte ergänzende Attest vom 20. April 2016 (Blatt 54 der Gerichtsakte) war demgegenüber ersichtlich nicht mehr unverzüglich, so dass dessen inhaltliche Aussagekraft offen bleiben kann.
2. Soweit es die ausgesprochene Exmatrikulation betrifft, ist der durch die Hochschule K. als staatliche Einrichtung – vgl. Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG -erlassene Bescheid vom 8. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2015 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektivöffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG sind Studierende von der Hochschule u. a. dann zwingend zu exmatrikulieren, wenn sie eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden haben. Für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation kommt es nicht auf die Bestandskraft der Prüfungsentscheidung an (BayVGH, B.v. 22.5.2013 – 7 ZB 12.2542 u. a. – juris Rn. 5; B.v. 30.10.2012 – 7 C 12.1641 – juris Rn. 2).
Die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat – wie ausgeführt – die Prüfung im Fach „Wirtschaftsmathematik“, das nach dem in Anlage 1 zu § 4 Abs. 1 der Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften K. (SPO BA BW) festgelegten Studienplan eine im Grund- bzw. Basisstudium erforderliche Prüfung (Pflichtfach i. S. v. § 4 Abs. 2 SPO BA BW) darstellt, endgültig nicht bestanden. Als Folgeentscheidung war der Kläger nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG zwingend zu exmatrikulieren (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 – AN 2 K 12.1567 u. a. – juris Rn. 33).
3. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013). Dort ist in Nr. 18.1 für Streitigkeiten hinsichtlich einer Exmatrikulation der Auffangwert von EUR 5.000,- vorgesehen, in Nr. 18.6 für Streitigkeiten hinsichtlich eines hochschulrechtlichen Leistungsnachweises der halbe Auffangwert von EUR 2.500,-. Insgesamt war daher vorliegend ein Betrag von EUR 7.500,- als Streitwert festzusetzen (vgl. VG Ansbach, U.v. 29.1.2013 – AN 2 K 12.1567/1568 – juris Rn. 36).

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