Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anfechtung der Jahresabrechnung durch Altverwalter

Aktenzeichen  36 S 1863/17 WEG

Datum:
14.12.2017
Fundstelle:
LSK – 2017, 147807
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 49a
WEG § 21 Abs. 4, § 28 Abs. 3, Abs. 5
BGB § 242

 

Leitsatz

1 Ergibt der Kontoanfangsbestand plus Einnahmen minus Ausgaben nicht den Kontoendbestand und ist die Differenz nicht nachvollziehbar erläutert, ist die Jahresabrechnung rechnerisch nicht schlüssig und entspricht damit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aufgrund der Bedeutung und des Stellenwerts des Rechts auf Abwehr fehlerhafter Beschlüsse kann einer Anfechtung nur in extremen Ausnahmefällen Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB entgegenstehen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der anfechtende Eigentümer handelt nicht treuwidrig, wenn er sich auf einen Fehler der Jahresabrechnung beruft, der aus dem von ihm selbst als Altverwalter erstellten Abrechnungsentwurf übernommen worden ist, wenn der Neuverwalter eine eigenständige vertragliche Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung übernommen hat. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
4 Übernimmt ein berufsmäßiger Verwalter die Verwaltertätigkeit von einem Laien, so hat er in besonderem Maße zu überprüfen, ob ein vom Vorverwalter vorgelegter Jahresabrechnungsentwurf den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 C 727/16 WEG 2016-12-30 Urt AGSTARNBERG AG Starnberg

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 30.12.2016, Az. 3 C 727/16 WEG, dahingehend abgeändert, dass über die Ungültigerklärung der Beschlüsse zu TOP 3 und TOP 4 hinaus auch der Beschluss zu TOP 2 b) der Eigentümerversammlung vom 10.05.2016 für ungültig erklärt wird.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen. Die Kostenentscheidung in Ziffer III des Urteils des Amtsgerichts Sternberg vom 30.12.2016, Az. 3 C 727/16 WEG, wird aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.047,21 € festgesetzt.

Gründe

I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil nicht in Betracht kommt. Die Revision wurde nicht zugelassen, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen, da die mit der Revision geltend zu machende Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht übersteigen kann.
II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Berufung gegen das Endurteil des Amtsgerichts Starnberg ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht gemäß §§ 517, 519 ZPO eingelegt und gemäß § 520 ZPO begründet. Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreitet 600 Euro, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Berufung ist auch begründet, da der unter TOP 2 b) in der Eigentümerversammlung vom 10.05.2016 gefasste Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2013/14 nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und dem Kläger entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die Erhebung der Anfechtungsklage auch nicht aufgrund Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB verwehrt ist.
1. Der unter TOP 2 b) gefasste Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2013/14 entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Wie das Amtsgericht in seinem Endurteil zutreffend ausgeführt hat, weist die Jahresabrechnung eine Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Kontenendstand und dem rechnerischen Kontenendstand auf, die nicht in der Jahresabrechnung erläutert wird. Ergibt der Kontoanfangsbestand plus Einnahmen minus Ausgaben nicht den Kontoendbestand und ist die Differenz nicht nachvollziehbar erläutert, ist die Jahresabrechnung rechnerisch nicht schlüssig und entspricht damit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung (vgl. LG München I, ZMR 2011, 64; ZWE 2010, 138; T. Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl. 2017, § 28 Rn. 32).
2. Dem Kläger ist die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 2 b) über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2013/14 entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht aufgrund Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB verwehrt.
Das Amtsgericht hat die Anwendung von § 242 BGB damit begründet, dass der Kläger im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum selbst Verwalter der WEG gewesen sei; er habe in dieser Zeit die Konten auf seinen eigenen Namen geführt und von diesen Umbuchungen und Barabhebungen getätigt, die laut der nachvollziehbaren schriftlichen Aufstellung des neuen und beigeladenen Hausverwalters in keiner Weise nachvollziehbar seien. Der Bitte des Hausverwalters, die Diskrepanzen zu erläutern, sei der Kläger nicht nachgekommen. Auch in der Hausgeldabrechnung, die der Kläger selbst für den Zeitraum 13/14 erstellt hatte, seien diese Diskrepanzen enthalten und nicht erläutert. Ohne Mitwirkung des Klägers sei die Erläuterung der Abweichung von rechnerischem und tatsächlichem Kontoendstand nicht möglich. Dass der neue Hausverwalter eine pauschale Entschädigung für die Jahresabrechnung erhalten habe, ändere nichts daran, dass der Kläger als Vorverwalter zum Nachweis seiner Kontenbewegungen/Entnahmen verpflichtet sei; dies gehöre zu den nachvertraglichen Pflichten eines Verwalters. Ein Vorverwalter, der selbst Miteigentümer sei, könne eine Jahresabrechnung nicht aus Gründen anfechten, die auf seiner Auskunftsverweigerung beruhten; dies verstoße gegen die Treuepflicht der Miteigentümer aus § 242 BGB.
Diese Begründung hält der Überprüfung durch das Berufungsgericht nicht stand.
Eine Rechtsausübung kann nach § 242 BGB ausnahmsweise aufgrund widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich sein, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen, etwa wenn das Verhalten des Berechtigten zu einem unlösbaren Selbstwiderspruch führt; es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig sind (vgl. Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl., § 242 Rn. 55 ff.).
Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass das subjektive Recht eines jeden Wohnungseigentümers zur Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse gemäß § 46 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 4 WEG zum Kernbestand seiner Mitgliedschaftsrechte gehört und unabhängig davon besteht, ob der Wohnungseigentümer an der Versammlung teilgenommen hat, von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen ist oder dem Beschluss selbst zugestimmt hat (vgl. Bärmann/Roth, Wohnungseigentumsgesetz, 13. Aufl., § 46 Rn. 32 m.w.N.). Aufgrund der Bedeutung und des Stellenwerts des Rechts auf Abwehr fehlerhafter Beschlüsse kann diesem daher nur in extremen Ausnahmefällen Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB entgegenstehen. So hat das Landgericht München I entschieden, dass sich ein Wohnungseigentümer auf eine unzulässige Abweichung des Wirtschaftsjahres/der Jahresabrechnung vom Kalenderjahr gemäß § 242 BGB nicht berufen dürfe, wenn eine langjährige Übung bestehe, der anfechtende Wohnungseigentümer zuvor noch nicht ernsthaft und nachhaltig eine Änderung verlangt habe und ihm keine erheblichen Nachteile durch die Abweichung drohen (vgl. LG München I, Beschluss vom 10.11.2008, ZMR 2009, 398). Diese Entscheidung ist hier jedoch nicht einschlägig, da sich der Kläger hier nicht auf die Abweichung des Wirtschaftsjahres und der Jahresabrechnung vom Kalenderjahr beruft.
Trotz der hier vorliegenden besonderen Umstände vermag die Kammer einen derartigen Ausnahmefall hier nicht zu erkennen.
a) Dass der Kläger im streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum selbst Verwalter der WEG war und in dieser Zeit die drei Konten der WEG auf seinen eigenen Namen geführt hat, rechtfertigt den Rückgriff auf § 242 BGB nicht.
Denn der Kläger hat dem neuen Verwalter die Kontoauszüge für die drei Konten für das Wirtschaftsjahr 2013/14 ausgehändigt und ist damit zumindest insoweit seiner nachvertraglichen Pflicht zur Rechnungslegung nachgekommen. Aus den Kontoauszügen der drei WEG-Konten waren sämtliche Geldab- und -zuflüsse für die WEG ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass von den Konten auch eigener Zahlungsverkehr des Klägers ohne Bezug zur WEG abgewickelt worden wäre, sieht die Kammer nicht. Daher ist es für die streitentscheidende Frage, ob dem Kläger die Berufung auf die Unschlüssigkeit der Jahresabrechnung gemäß § 242 BGB verwehrt ist, irrelevant, dass der Kläger die Konten auf seinen eigenen Namen geführt hat.
b) Die Umbuchungen und die Barabhebung, die der Kläger im streitgegenständlichen Wirtschaftsjahr auf den WEG-Konten vorgenommen hat, deren fehlende Nachvollziehbarkeit vom neuen Verwalter beanstandet wurden, standen auch ohne Erläuterung durch den Kläger der Erstellung einer schlüssigen Jahresabrechnung nicht entgegen.
Wie zutreffend in der Berufungsbegründung ausgeführt, war aus den Kontoauszügen für jede Buchung ersichtlich, ob es sich um eine interne Umbuchung auf ein anderes WEG-Konto oder eine wirkliche Ausgabe für die WEG gehandelt hat. Rein interne Konto-Umbuchungen zwischen den drei Konten sind für die Jahresabrechnung ohne Bedeutung, da derartige Umbuchung weder zu einem Zufluss zum noch zu einem Abfluss vom WEG-Vermögen führen.
Anders als vom Amtsgericht angenommen weisen die Kontoauszüge nur eine einzige Barauszahlung in Höhe von 1.600 € vom 05.12.2013 aus. Diese Summe hätte die Hausverwaltung als Ausgabe in die Jahresabrechnung einstellen müssen – und zwar unabhängig davon, ob die Auszahlung rechtmäßig war oder nicht.
c) Die Kammer verkennt nicht, dass auch der vom Kläger erstellte Abrechnungsentwurf (Anlagen B 1 und B 2), den die Hausverwaltung Besser ihrer Jahresabrechnung 2013/14 zugrunde gelegt hat, unschlüssig war. Dass der vom Kläger erstellte Abrechnungsentwurf nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist auch aus dem Begleitschreiben vom 11.07.2014, das der Kläger zusammen mit dem Abrechnungsentwurf an die übrigen Eigentümer übersandt hat, erkennbar, in dem explizit ausgeführt wird, dass nicht alle Zahlungen und Einnahmen in die Jahresabrechnung aufgenommen worden sind.
Die Kammer sieht es dennoch nicht als treuwidrig an, dass sich der Kläger auf einen Fehler in der von der Hausverwaltung B. erstellten Abrechnung beruft, der aus dem von ihm selbst erstellten Abrechnungsentwurf übernommen worden ist.
Denn es ist zu berücksichtigen, dass die neue Hausverwaltung eine eigenständige vertragliche Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabrechnung 2013/14 übernommen hat und hierfür aufgrund des Beschlusses zu TOP 2 a) der Eigentümerversammlung vom 10.05.2016 eine pauschale Vergütung in Höhe von 357 € erhalten hat. Durch die Übernahme dieser Verpflichtung schuldete die Hausverwaltung B. den Eigentümern nicht die Erstellung einer Jahresabrechnung unter bloßer Übernahme des Entwurfs des Klägers als Vorverwalter, sondern eine eigenständige Erstellung einer Jahresabrechnung, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, insbesondere also schlüssig ist und sämtliche Einnahmen und Ausgaben der WEG enthält. Wie das Schreiben der Hausverwaltung B. an den Kläger vom 02.09.2014 (Anlage B 3) zeigt, war dem neuen Verwalter auch bewusst, dass in dem Abrechnungsentwurf des Klägers nicht alle Ausgaben und Einnahmen der WEG aufgeführt waren; außerdem hatte die Hausverwaltung B. in der Eigentümerversammlung vom 14.01.2015 den Beschlussvorschlag zur Abstimmung gestellt, dass die vom Kläger erstellte Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 14/15 gerade nicht genehmigt werde. Auf die Frage, ob auch der Kläger noch zum Erstellen der Jahresabrechnung 2013/14 verpflichtet war oder nicht, kommt es nicht an.
Die Kammer ist – anders als das Amtsgericht – davon überzeugt, dass der Hausverwaltung B. die Erstellung einer schlüssigen Jahresabrechnung trotz der schwierigen Kommunikation mit dem Vorverwalter anhand der vorliegenden Kontoauszüge auch möglich gewesen wäre. Dass die Aufschlüsselung der Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Kontenendstand und dem rechnerischen Kontenendstand auch ohne Mitwirkung des Klägers möglich war, zeigt die von einer Miteigentümerin erstellte Tabelle, die allein auf den Kontoauszügen beruht und in der die Diskrepanz aufgeklärt wird (Anlage B 6). Außerdem handelt es sich um eine sehr kleine Wohnungseigentümergemeinschaft mit nur sechs Parteien und einer überschaubaren Anzahl von Vermögensab- und -zuflüssen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger als Vorverwalter – anders als die neue Hausverwaltung – kein berufsmäßiger Verwalter war. Übernimmt ein berufsmäßiger Verwalter die Verwaltertätigkeit von einem Laien, so hat er in besonderem Maße zu überprüfen, ob ein vom Vorverwalter vorgelegter Jahresabrechnungsentwurf den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Einen Anspruch darauf, dass die vom neuen Verwalter erstellte Jahresabrechnung schlüssig ist, hat jeder Wohnungseigentümer, damit auch der Kläger. Ebenso wie es der Anfechtung eines Beschlusses nicht entgegensteht, wenn der Anfechtende dem Beschluss selbst zugestimmt hat, ist es dem Kläger daher auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf Fehler in der vom berufsmäßigen neuen Verwalter erstellten Jahresabrechnung zu berufen, auch wenn diese Fehler in dem vom Kläger als Laien selbst erstellten Abrechnungsentwurf bereits enthalten waren und auch wenn der Kläger zuvor seinen eigenen Abrechnungsentwurf gegenüber den anderen Miteigentümern als richtig bezeichnet hatte. Ebenso steht der Anfechtung durch den Kläger nicht entgegen, dass die Eigentümer in der Vergangenheit regelmäßig ebenfalls unschlüssige, vom Kläger erstellte Jahresabrechnungen genehmigt und den Beschluss nicht angefochten haben.
d) Dass der Kläger die vom Hausverwalter B. in den Schreiben vom 02.09.2014 (Anlage B 3) und 09.09.2014 (Anlage B 4) gestellten Fragen in der Sache nicht beantwortet hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Das Schreiben vom 09.09.2014 betraf die Jahresabrechnung 2012/13 und daher nicht den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Auch die Nichtbeantwortung der im Schreiben vom 02.09.2014, das die Jahresabrechnung 2013/14 betraf, gestellten Fragen lässt die jetzige Berufung auf die Unschlüssigkeit der Jahresabrechnung 2013/14 nicht treuwidrig erscheinen. Denn die Hausverwaltung B. hat in dem Schreiben vom 02.09.2014 lediglich um die Aufklärung einer nach Auffassung der neuen Hausverwaltung nicht nachvollziehbaren Entnahme aus der Instandhaltungsrücklage in Höhe von 4.858,91 € gebeten. Die Ausführungen in dem Schreiben betreffen allein den Stand der Rücklage, wobei die Hausverwaltung B. das gesamte auf den drei Konten befindliche Vermögen der WEG unzutreffend der Rücklage zugerechnet hat. Der Entwurf des Klägers für die Jahresabrechnung 2013/14 enthält dagegen keinerlei Angaben zur Rücklage. Konkrete Fragen zu den aus den Kontoauszügen ersichtlichen Kontobewegungen enthält des Schreiben nicht.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Beantwortung der vom neuen Hausverwalter gestellten Fragen zur Rücklagenentwicklung durch den Kläger nicht für die Erstellung einer schlüssigen Jahresabrechnung durch die Hausverwaltung B. erforderlich war. Wie bereits oben dargelegt, wäre die Erstellung einer schlüssigen Jahresabrechnung durch den neuen Hausverwalter nach Auffassung der Kammer allein auf Grundlage der vorgelegten Kontoauszüge möglich gewesen, auch wenn dies bei Mitwirkung des Klägers möglicherweise einfacher und weniger zeitaufwendig gewesen wäre.
Die Ansicht des Amtsgerichts, dass die Erläuterung der Abweichung von rechnerischem und tatsächlichem Kontoendstand nicht ohne Mitwirkung des Klägers gewesen sei, teilt die Kammer daher nicht. Die Gründe, aufgrund derer der Kläger den Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2013/14 angefochten hat, beruhen entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht auf der Auskunftsverweigerung des Klägers.
e) Besonderes Gewicht hat nach Auffassung der Kammer dagegen, dass der Klägervertreter in der Eigentümerversammlung vom 10.05.2016 vor der Genehmigung der Jahresabrechnung durch die übrigen Eigentümer ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die von der Hausverwaltung B. vorgelegte Jahresabrechnung unschlüssig und damit anfechtbar ist. Die übrigen Eigentümer, die somit sehenden Auges eine unschlüssige Jahresabrechnung genehmigt haben, durften daher nicht darauf vertrauen, dass der Kläger den Genehmigungsbeschluss aufgrund seiner eigenen Rolle bei der Erstellung der Jahresabrechnung nicht anfechten würde; ein Vertrauenstatbestand, der das Verhalten des Klägers treuwidrig erscheinen lassen würde, ist daher gerade nicht entstanden. Zwar mag es verständlich erscheinen, wenn die übrigen Eigentümer die unschlüssige Jahresabrechnung genehmigt haben, um „einen Schlussstrich zu ziehen“; dies vermag jedoch nicht das Anfechtungsrecht des Klägers auszuschließen.
Dass der Kläger auch in der Eigentümerversammlung vom 10.05.2016 keine Auskünfte über die nun gerügte Diskrepanz erteilt hat, ist insoweit ohne Bedeutung; es ergibt sich auch nicht aus dem Versammlungsprotokoll, dass die übrigen Eigentümer in dieser Eigentümerversammlung konkrete Auskünfte vom Kläger verlangt hätten.
f) Die Kammer erkennt durchaus die besonderen Umstände beim Zustandekommen der streitgegenständlichen Jahresabrechnung, insbesondere die Mitwirkung des Klägers durch Erstellen eines unschlüssigen Entwurfs und die Nichtbeantwortung von Fragen des neuen Verwalters. Jedoch genügen diese Umstände nach Abwägung durch die Kammer unter Berücksichtigung der Bedeutung und des Stellenwerts des subjektiven Rechts auf Abwehr fehlerhafter Beschlüsse und des Hinweises auf die Unschlüssigkeit in der Eigentümerversammlung vor der Genehmigung auch in einer Gesamtschau nicht, um dem Kläger eine Berufung auf die Unschlüssigkeit der Jahresabrechnung 2013/14 als treuwidrig gemäß § 242 BGB zu verwehren.
III.
1. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit unterbleibt auch dann nicht, wenn die Revision nicht zugelassen wird (vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 708 Rn. 11).
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechte oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung.
4. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 49 a GKG und entspricht der zutreffenden und unbeanstandet gebliebenen Streitwertfestsetzung durch das Erstgericht.
Gemäß § 49 a Abs. 1 GKG ist der Streitwert auf 50 Prozent des Interesses der Parteien und aller Beigeladener festzusetzen, wobei er das wirtschaftliche Interesse des Klägers nicht unterschreiten und das Fünffache dieses Betrags nicht überschreiten darf.
Das Gesamtinteresse alter Eigentümer an dem unter TOP 2 b) gefassten Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2013/14 beläuft sich auf den vollen Nennbetrag der Jahresabrechnung (vgl. BGH, NJW 2017, 913). Ein Abzug in Höhe eines bestimmten Prozentbetrags ist nicht vorzunehmen. Die Jahresabrechnung 2013/14 enthält Gesamtausgaben in Höhe von 18.094,42 €, die Hälfte hiervon beträgt 9.047,21 €. Auf letzteren Betrag ist der Streitwert festzusetzen, da das fünffache Klägerinteresse über diesem Betrag liegt.


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