Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Außerordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Taubenfütterns

Aktenzeichen  14 C 7772/15

Datum:
8.4.2016
Fundstelle:
WuM – 2017, 150
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 543 Abs. 1, Abs. 3, § 546 Abs. 1, § 569 Abs. 2

 

Leitsatz

Regelmäßiges Taubenfüttern trotz Abmahnung stellt eine erhebliche Verletzung des Hausfriedens dar und kann eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 18.11.2015 wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. des Versäumnisurteils (Räumung) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.050,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Vollstreckung im Übrigen kann der Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
4. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.09.2016 gewährt.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.349,76 € festgesetzt.

Gründe

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 18.11.2015 war aufrechtzuerhalten. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
Es besteht ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung des Beklagten gemäß § 546 Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis der Parteien jedenfalls durch die außerordentliche Kündigung vom 27.08.2015 beendet wurde.
I.
Das der Kündigung vom 27.08.2015 zugrundeliegende Verhalten des Beklagten, nämlich das Taubenfüttern an sieben Tagen, teilweise mehrmals am Tag, stellt eine erhebliche nachhaltige Pflichtverletzung durch den Beklagten dar, so dass ein außerordentlicher Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 1 BGB i.V.m. § 569 Abs. 2 BGB gegeben ist.
Ein Grund für eine fristlose Kündigung liegt vor, da durch die Taubenfütterungen des Beklagten dieser die zur Wahrung des Hausfriedens erforderlichen Verhaltenspflichten derart verletzt hat, dass dies zu einer Beeinträchtigung des Vermieters und anderer Mietparteien geführt hat. Der Kündigungstatbestand des § 569 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass eine der beiden Vertragsparteien des Mietvertrages den Hausfrieden stört, dass die Störung nachhaltig ist, dass die Störung wegen ihrer Nachhaltigkeit zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führt, dass der Störende vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt worden ist (§ 543 Abs. 3 BGB) und dass zwischen der Störung und dem Ausspruch der Kündigung ein zeitlicher Zusammenhang besteht (§ 314 Abs. 3 BGB).
1. Der Hausfrieden ist gestört, wenn die zur Wahrung des Hausfriedens erforderlichen Verhaltenspflichten verletzt werden und dies zu einer Beeinträchtigung des Vermieters oder einer anderen Mietpartei geführt hat. Der Begriff des Hausfriedens orientiert sich in diesem Zusammenhang an der Erwägung, dass die Nutzung von Wohn- und Geschäftsräumen durch mehrere Mietparteien ein gewisses Maß an Rücksichtnahme voraussetzt. Jede Mietpartei muss sich daher bei der Nutzung der Mieträume so verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr beeinträchtigt werden, als dies nach den konkreten Umständen unvermeidlich ist (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage, § 569, Rn. 19).
Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Beklagte an sämtlichen in der Kündigung vom 27.08.2015 aufgeführten Zeitpunkten, also an sieben Tagen, teilweise fünfmal an einem Tag, die Tauben gefüttert hat, indem er aus einem Fenster seiner Wohnung Futter auf das Fensterbrett gestreut hat. Hierdurch wurden jeweils 20 bis 50 Tauben angelockt.
Die Zeugin …, die das selbe Anwesen wie der Beklage bewohnt, hat die Fütterungen glaubwürdig und in sich widerspruchsfrei geschildert und gab dem Gericht keinerlei Anlass ihr nicht zu glauben. Die Zeugin hat geschildert, dass sie aus dem Küchenfenster ihrer Wohnung ein Fenster der Wohnung des Beklagten sehen kann. Sie hat beobachtet, dass der Beklagte seit ca. fünf Jahren aus diesem Fenster Tauben füttert und nach einer Pause seit ca. drei Jahren jeden Tag regelmäßig im Abstand von 5 bis 25 Minuten Tauben aus einem Fenster füttert und Futter herausstreut. Insbesondere hat die Zeugin auch angegeben, dass sie sich die Zeitpunkte und Anzahl der Tauben aufgeschrieben hat und die Liste vom 29.07.2015, die der Beklagtenvertreter im Verhandlungstermin am 18.03.2016 dem Gericht vorgelegt hat, angefertigt hat. Sie hat die in dieser Liste aufgeführten Taubenfütterungen vollumfänglich bestätigt. Somit sind sämtliche Vorfälle, die im Kündigungsschreiben vom 27.08.2015 aufgeführt sind, durch die Zeugin … nachgewiesen.
2. Bei den Störungen durch die Taubenfütterungen handelt es sich um nachhaltige Störungen. Beide Zeugen haben übereinstimmend und überzeugend angegeben, dass der Beklagte seit Jahren regelmäßig die Tauben aus seiner Wohnung füttert. Es handelt sich daher nicht um vereinzelte Vorfälle, sondern regelmäßige Verhaltensweisen des Beklagten. Der Beklagte hat auch selbst im Verhandlungstermin am 29.01.2016 auf Nachfrage des Gerichts angegeben, dass er sich nicht vorstellen könne, auf die Taubenfütterungen zu verzichten.
3. Die Taubenfütterungen stellen auch eine nachhaltige Störung dar, aufgrund derer die Vertragsfortsetzung für den Kläger nicht zumutbar ist. Für die Frage der Zumutbarkeit ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen maßgeblich. So sind die Interessen des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses einerseits und die Interessen des Vermieters an der Vertragsbeendigung andererseits gegeneinander abzuwägen. Bei der Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verschulden der Vertragsparteien zu berücksichtigen. So war zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass der Beklagte seit 2013 regelmäßig vom Kläger aufgefordert wird, die Taubenfütterungen zu unterlassen und auch im August 2013 schriftlich gegenüber dem Vermieter bestätigt hat, die Taubenfütterungen zu unterlassen. Ungeachtet dessen hat der Beklagte weiter die Tauben gefüttert. Die Fütterungen sind auch derart häufig und intensiv, dass eine ganz erhebliche Störung vorliegt. Die Zeugen … und … haben beide bestätigt, dass der Beklagte mehrmals am Tag seit Jahren unbeeindruckt die Tauben füttert. Auch das Vorverfahren, ein Räumungsverfahren wegen Taubenfütterungen über zwei Instanzen hat den Beklagten nicht davon abgehalten, weiter etliche Male am Tag die Tauben zu füttern. Die Fütterungen führen auch zu einer erheblichen Verschmutzung des Anwesens, des Hofes und der Nachbaranwesen und zu etlichen Beschwerden. So hat der Zeuge … als Eigentümer und Bewohner des Nachbarhauses angegeben, dass er den Vermieter der Wohnung ausfindig gemacht hat und den Kläger aufgefordert hat, gegen die Taubenfütterungen des Beklagten vorzugehen. Der Zeuge hat geschildert, dass die Tauben während einer Wohnungsrenovierung in seinem Anwesen auf dem Balkon dieser Wohnung genistet haben, sich seine Mieter über die angelockten Tauben beschweren und gerade die Kinder im Haus durch den Taubenkot im Hof vor den Fenstern gestört werden. Auch die Zeugin … hat mehrfach den Kläger aufgefordert, für ein Unterlassen der Taubenfütterungen zu sorgen, da sie sich erheblich gestört sieht. Sie hat glaubhaft angegeben, wegen des ständigen Taubenkots keine Wäsche ungeschützt vor dem Küchenfenster trocknen zu können und dass sie erheblich störe, dass während des Lüftens der Wohnung Staub und kleine Federn von den Tauben in ihre Wohnung gelangen.
Demgegenüber steht das Interesse des alleinlebenden Beklagten am Erhalt seiner Wohnung in welcher er bereits seit 1970, also über einen sehr langen Zeitraum lebt. Aufgrund der Erheblichkeit der Verstöße und der Beharrlichkeit der Taubenfütterungen durch den Beklagten muss das Interesse des Beklagten jedoch gegenüber den Interessen des Klägers an der Sicherung des Hausfriedens zurücktreten. Dies auch, wenn man die streitige gesundheitliche Beeinträchtigung des Beklagten zugrunde legen würde. Die Störung des Beklagten gegenüber dem Kläger, der anderen Bewohner des Hauses und der Nachbarhäuser überwiegt das Interesse des Beklagten.
4. Der Beklagte wurde auch wirksam abgemahnt. Die Kündigung vom 06.07.2015 ist in eine wirksame Abmahnung umzudeuten. Die Kündigung wurde auf Taubenfütterungen am 13.06.2015 gestützt. Diese Taubenfütterungen sind nachgewiesen durch die glaubhaften Angaben des Zeugen Z., der eine Dachterrassenwohnung schräg gegenüber der vom Beklagte bewohnten Wohnung bewohnt. Dieser hat glaubhaft geschildert, dass er den Beklagten mehrfach beobachtet hat, wie dieser jeden Tag im zwei bis drei Stunden-Rhythmus aus einem bestimmten Fenster zur Straßenseite die Tauben füttert und Körner fallen lässt. Die Tauben warten schon und sammeln sich vor den Fütterungszeiten und tänzeln vor den Fenstern. Er habe versucht, die Tauben zu zählen und ist auf 24 bis 36 Tauben bei einer Fütterung gekommen. Desweiteren hat er angegeben, dass er auch am 13.06.2015 nachmittags zweimal beobachtet hat, dass der Beklagte die Tauben gefüttert hat. Dies hat der Zeuge seinen Angaben nach, dem Kläger zunächst telefonisch und dann per E-Mail mitgeteilt.
5. Die Kündigung wurde auch in zeitlichem Zusammenhang zwischen der Störung und dem Ausspruch der Kündigung erklärt gemäß § 314 BGB. Die Kündigungserklärung vom 27.08.2015 steht noch in ausreichend engem zeitlichen Zusammenhang zu den Fütterungen vom 21. bis 29.07.2015. Auch die Vorfälle, die die Abmahnung betreffen vom 13.06.2015 stehen in ausreichend engem zeitlichen Verhältnis zur Abmahnung vom 06.07.2015.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 7, Nr. 11, 711 ZPO.
Dem Beklagten war gemäß § 721 ZPO eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist zu gewähren, damit er Gelegenheit hat, sich eine andere Wohnung zu suchen. Bei der Bemessung der Frist wurde berücksichtigt, dass eine Anmietung einer Ersatzwohnung in einem vergleichbaren Preissegment jedenfalls nicht gänzlich unproblematisch sein dürfte. Es wurde weiterhin berücksichtigt, dass der Beklagte bereits seit 1970 im streitgegenständlichen Anwesen gelebt hat. Auch hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung sich davon überzeugt, dass der Beklagte gesundheitlich eingeschränkt ist und somit eine gewisse Zeit benötigt, um sich eine Ersatzwohnung zu verschaffen. Nach alledem war davon auszugehen, dass es auch auf dem Wohnungsmarkt der Stadt Nürnberg bei Entfaltung angemessener Bemühungen möglich ist, sich bis 30.09.2016 eine andere vergleichbare Wohnung zu beschaffen, weshalb eine entsprechende Räumungsfrist zur gewähren war.


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