Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Benachteiligung eines Wohnungseigentümers durch Standort von Mülltonnen

Aktenzeichen  481 C 17917/19 WEG

Datum:
6.7.2020
Fundstelle:
GE – 2021, 1136
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 14, § 22

 

Leitsatz

Es stellt eine Benachteiligung eines Eigentümers dar, wenn der Stellplatz für die Mülltonnen in die Nähe der Schlafzimmerfenster der Kläger verlegt wird und zumindest in den Sommermonaten der Mittagssonne ausgesetzt ist, so dass mit Geruchsbeeinträchtigungen zu rechnen ist. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 24.09.2019 zu TOP 4 (Erneuerung straßenseitiger Zaun einschließlich Neugestaltung der Mülltonnenstellplätze) wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten. 
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.150,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, § 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG.
Sowohl die einmonatige Klage- als auch die 2-monatige Klagebegründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG wurden eingehalten.
Der zu TOP 4 gefasste Beschluss war für ungültig zu erklären, da er die Kläger über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus benachteiligt und daher nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Die Verlegung der Mülltonnenanlage (Mülltonnen samt Einhausungsboxen) ist eine bauliche Veränderung i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG. Eine solche kann gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG weder nach § 21 Abs. 3 WEG mit Stimmenmehrheit beschlossen noch gemäß § 21 Abs. 4 WEG von einem einzelnen Wohnungseigentümer verlangt werden. Es ist dazu vielmehr die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich, es sei denn, deren Rechte werden durch die Veränderung nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt, § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG (vgl. BayObLG ZWE 2002, 213).
Unter einem Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen, wobei es dazu auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Maßstab ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (vgl. LG Hamburg ZWE 2015, 184 m.w.N.). Es ist nicht zu bestreiten, dass eine Mülltonnenanlage in der Regel mit Beeinträchtigungen verbunden ist (vgl. BayObLG ZWE 2002, 213).
Der neu gewählte Standort für die Mülltonnen bzw. von 2 Mülltonnen befindet sich an der südlichen Grundstücksgrenze in kürzest möglicher Entfernung zum klägerischen
Schlafzimmerfenster. Die Rückwand eines 80 cm tiefen Mülltonnenhäuschens wäre damit ca. 4,20 m vom Schlafzimmerfenster der Kläger entfernt. Eine Bepflanzung zwischen Schlafzimmerfenster und Rückwand des Mülltonnenhäuschens ist nicht vorhanden und nach dem angegriffenen Beschluss auch nicht vorgesehen. Aufgrund der Inaugenscheinnahme durch das Gericht steht fest, dass die Mülltonnenhäuschen zumindest in den Sommermonaten der Mittagssonne ausgesetzt sind. Die Kläger dürfen daher verständlicherweise davon ausgehen, dass Geruchsbeeinträchtigungen entstehen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Entfernung von mehr als 3 m eingehalten wird und der Eigentümer der Erdgeschoßwohnung rechts, vor dessen Fenstern sich derzeit die Mülltonnenhäuschen befinden, bislang keine Beeinträchtigung feststellen konnte. Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich zwischen den Fenstern der Erdgeschoßwohnung rechts und der Rückwand der derzeitigen Mülltonnenhäuschen (Hecken-)Pflanzen befinden.
Das Gericht hat demnach keine Zweifel daran, dass der beschlossene neue Standort der Mülltonnenhäuschen für die Kläger nachteilig ist. Dieser Nachteil ist auch nicht unvermeidbar, sondern geht über das in § 14 Nr. 1 WEG hinnehmbare Maß hinaus. Dabei handelt es sich um eine Auslegungsfrage. Die Auslegung muss in den Grenzen billigen Ermessens unter Beachtung des Gebotes der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen erfolgen (vgl. BGH vom 10.09.1998, V ZB 11/98).
Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Beklagten steht den Parteien für die Neugestaltung der Mülltonnenstellplätze die ca. 30 m lange straßenseitige Grundstücksgrenze zur Verfügung. Der Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung ist keine Regelung zu entnehmen, wonach der Standort der Mülltonnen im Aufteilungsplan verbindlich festgelegt worden ist.
Für eine Verlegung des derzeitigen Mülltonnenstandortes spricht, dass damit eine Sichtverbesserung nach rechts bei der Tiefgaragenausfahrt verbunden wäre. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass es bislang nach dem übereinstimmenden Parteivortrag zu keinem Unfall infolge einer Sichtbehinderung wegen der Mülltonnen gekommen ist.
Ein Mülltonnenhäuschen mit jeweils 2 Mülltonnen links und rechts des Zugangsweges anzuordnen stellt jedoch nicht die einzige Möglichkeit dar, die durch die Mülltonnen bislang bestehende Sichtbehinderung bei der Tiefgaragenausfahrt zu beseitigen.
Wie sich auch aus Anlage K6 ergibt, bestehen verschiedene Möglichkeiten, die Mülltonnen samt Einhausungen neu anzuordnen. Ein Lichtmast der Landeshauptstadt München hindert nach Auffassung des Gerichts die Neuanordnung der Mülltonnen in diesem Bereich nicht. Durch entsprechende (etwas längere) bauliche Gestaltung des Mülltonnenhäuschens kann den örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. Darüber hinaus erscheint auch eine Anordnung der Mülltonnen entlang der straßenseitigen Grundstücksgrenze im westlichen Bereich des Grundstücks durchaus möglich, ohne dass die Gefahr besteht, dass der in der südwestlichen Grundstücksecke stehende Ahornbaum Schaden nimmt. Auch ist es beispielsweise möglich, ein Mülltonnenhäuschen mit jeweils 2 Mülltonnen im Bereich der südöstlichen Grundstücksgrenze und ein weiteres mit jeweils 2 Mülltonnen im Bereich der südwestlichen Grundstücksgrenze anzuordnen und dabei einen größeren Abstand der Mülltonnen zu dem klägerischen Schlafzimmerfenster herzustellen. Die Eigentümer haben insofern einen weiten Ermessensspielraum. Mit dem zu TOP 4 gefassten Beschluss vom 24.09.2019 haben sie jedoch unter Missachtung des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme die Interessen der Kläger nicht hinreichend berücksichtigt, so dass der gefasste Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht und für ungültig zu erklären war.
Da die Kläger ihr Rechtsschutzziel erreichen, bedarf es keiner Stellungnahme zum Hilfsantrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. §§ 63 Abs. 2, 49a Abs. 1 GKG auf das hälftige Gesamtinteresse der Parteien, dass sich vorliegend an den kalkulierten Kosten von 10.300,00 € orientiert festgesetzt.


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