Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Berufung in einer Landwirtschaftssache auf Feststellung des Fortbestands eines Landpachtvertrages trotz außerordentlicher Kündigungen: Zulässigkeitsvoraussetzungen bei Anfechtung des Ersturteils insgesamt bei dessen Begründung mit unterschiedlichen Teilen des Streitstoffs

Aktenzeichen  LwZR 22/09

Datum:
26.11.2010
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 511 ZPO
§ 520 ZPO
§ 522 ZPO
§ 585 BGB
§ 112 Nr 2 InsO
Spruchkörper:
Senat für Landwirtschaftssachen

Verfahrensgang

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 17. November 2009, Az: 3 U 89/08, Urteilvorgehend AG Schleswig, 28. Oktober 2008, Az: 2 Lw 98/08, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats – Senat für Landwirtschaftssachen – des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. November 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen der auf eine vertragswidrige Unterverpachtung gestützten Kündigung abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Schleswig vom 28. Oktober 2008 als unzulässig verworfen.
Es wird klargestellt, dass die Berufung des Beklagten im Übrigen zurückgewiesen bleibt.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Mit schriftlichem Formularvertrag vom 8. September 2006 pachtete der spätere Insolvenzschuldner von dem Beklagten landwirtschaftlich genutzte Flächen zur Größe von 49,5945 ha für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2018 für eine Jahrespacht von 18.300 Euro. In § 12 Abs. 1 heißt es:
“Der Pächter darf nur mit schriftlicher Erlaubnis des Verpächters die Nutzung der Pachtsache einem anderen überlassen, insbesondere die Pachtsache unterverpachten oder die Pachtsache ganz oder teilweise einem landwirtschaftlichen Zusammenschluss zur gemeinsamen Nutzung überlassen. Der Verpächter erteilt jedoch bereits mit Abschluss dieses Vertrages die Erlaubnis,
die Nutzung der Pachtsache einem anderen zu überlassen, insbesondere die Pachtsache unterzuverpachten;
die Pachtsache ganz oder teilweise einem landwirtschaftlichen Zusammenschluss zur gemeinsamen Nutzung zu überlassen.”
2
Handschriftlich sind an dieser Stelle die Worte “nur an Unternehmen an denen der Pächter beteiligt ist” eingefügt.
3
§ 13 lautet:
“(1) Wenn eine Vertragspartei Vertragspflichten schwer oder wiederholt erheblich verletzt, so ist die andere Partei berechtigt, den Pachtvertrag fristlos oder spätestens zum Ende des laufenden Pachtjahres zu kündigen. Als schwere Vertragsverletzung des Pächters gilt insbesondere
1. ….
2. ….
3. Fortsetzung eines vertragswidrigen Gebrauchs der Pachtsache (z.B. unzulässige Unterverpachtung) trotz Abmahnung,
4. …
5. … Der Verpächter ist ferner zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn über das Vermögen des Pächters das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird oder …
(2) Die Kündigung muss schriftlich unter Angabe des Grundes erfolgen.”
4
Mit Beschluss vom 1. April 2008 wurde über das Vermögen des Pächters das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Gestützt auf diesen Umstand, kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 7. April 2008 “gemäß § 13 Ziff. 5 des Pachtvertrags” das Pachtverhältnis außerordentlich. Dem widersprach der Kläger unter Berufung auf die Regelungen in §§ 112 Nr. 2, 119 InsO.
5
Der Kläger hat die Feststellung des Fortbestehens des Pachtvertrags beantragt. In seinem Schriftsatz vom 25. September 2008 hat der Beklagte erneut außerordentlich gekündigt und dies damit begründet, eine Ende 2007 erfolgte Unterverpachtung der Flächen an eine Kommanditgesellschaft sei unzulässig. Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht – Senat für Landwirtschaftssachen – hat sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.
6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Pächters gestützte Kündigung unwirksam. Wirksam sei jedoch die zweite Kündigung, weil die Unterverpachtung vertragswidrig sei. Die Kündigungserklärung folge aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 25. September 2008 an das Amtsgericht und aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils; die erforderliche Abmahnung sei der Klageerwiderung zu entnehmen.
II.
7
Das hält den Angriffen der Revision nicht stand, soweit das Berufungsgericht die zweite Kündigung für wirksam hält.
8
1. Der Kläger hat sein Rechtsmittel insoweit beschränkt, als das Berufungsgericht die Abweisung der Klage auf die wegen vertragswidriger Unterverpachtung ausgesprochene Kündigung des Pachtvertrags (zweite Kündigung) gestützt hat. Diese Beschränkung ist wirksam. Die Beendigung des Pachtverhältnisses aufgrund der zweiten Kündigung stellt einen von der am 7. April 2008 wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochenen ersten Kündigung abgrenzbaren und rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs dar; auf ihn kann die Revision beschränkt werden (BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09, WuM 2010, 163, 164).
9
2. Das Rechtsmittel ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Wirksamkeit der zweiten Kündigung bejaht.
10
a) Ob das Berufungsurteil insoweit den Angriffen der Revision sachlich standhält, braucht nicht entschieden zu werden. Denn das Berufungsgericht hat übersehen, dass die Berufung des Beklagten unzulässig ist, soweit sie sich gegen die von dem Amtsgericht angenommene Unwirksamkeit der zweiten Kündigung richtet.
11
b) Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, weil es die auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Pächters gestützte außerordentliche Kündigung des Pachtverhältnisses nach § 112 Nr. 2 InsO als unwirksam und die auf die unerlaubte Unterverpachtung gestützte Kündigung wegen fehlender vorheriger Abmahnung als unwirksam angesehen hat. Das erstinstanzliche Urteil beantwortet somit die Frage der Beendigung des Pachtverhältnisses aufgrund von zwei außerordentlichen Kündigungen, die auf verschiedene Gründe gestützt werden. Damit betrifft es zwei voneinander unabhängige Teile des Streitstoffs (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 159/09, WuM 2010, 163, 164). Soll in einem solchen Fall das Urteil insgesamt mit der Berufung angefochten werden, müssen sich die Berufungsgründe auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird; zwar muss sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten auseinandersetzen, aber es genügt nicht, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, wenn er sich nur mit einem Berufungsgrund befasst, der nicht den gesamten Streitstoff betrifft (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414, 415 mwN).
12
c) Die Berufung des Beklagten hat sich nicht auf die Frage der Beendigung des Pachtverhältnisses wegen der auf eine unerlaubte Unterverpachtung gestützten außerordentlichen Kündigung erstreckt. In der Berufungsbegründung hat sich der Beklagte ausschließlich damit befasst, ob die Regelung in § 112 Nr. 2 InsO Vorrang vor landpachtvertraglichen Regelungen hat. Er hat allein die Wirksamkeit der wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Pächters ausgesprochenen Kündigung zu begründen versucht. Dabei ist er zwar auch auf das Problem der Unterverpachtung eingegangen, hat sich aber nicht einmal ansatzweise mit der Argumentation des Amtsgerichts dazu (fehlende Abmahnung) auseinandergesetzt. Selbst nachdem das Berufungsgericht die Vorlage des Unterpachtvertrags verlangt hatte, in der mündlichen Verhandlung am 28. April 2009 über die Person des Unterpächters gesprochen worden war, das Berufungsgericht mit Beschluss vom 12. Mai 2009 die Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung zu der Frage des Inhalts der vertraglich vereinbarten Erlaubnis zur Unterverpachtung angeordnet und diese Beweisaufnahme am 27. Oktober 2009 stattgefunden hatte, hat der Beklagte nichts weiter vorgetragen. Die Folge davon ist, dass die Berufung für den nicht begründeten Teil unzulässig ist (BGHZ 22, 272, 278).
III.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger                                Lemke                        Czub


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