Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Beschaffenheitsvereinbarung zum Schallschutz beim Wohnungsbau

Aktenzeichen  8 O 4916/14

Datum:
3.8.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 131142
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 10 Abs. 6 S. 3
BGB § 633 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Sind die vereinbarten technisch normierten Schallschutzanforderungen eingehalten, so sind auch die Schallschutzanforderungen, die sich für einen gehobenen, mit besonderem Wohnkomfort ausgestatteten Wohnungsbau als vereinbarte Beschaffenheit gem. § 633 Abs. 2 S. 1 BGB ergeben, eingehalten, selbst wenn in Frequenzbereichen, die von den technischen Regelwerken nicht erfasst werden (bis 100 Hz), technisch unvermeidbare stärkere Schallentwicklungen in einem üblichen Bereich auftreten, in dem sich die individuelle Empfindlichkeit einzelner Menschen weitaus stärker auswirkt als im technisch normierten Bereich. Das gilt auch, wenn diese Schallentwicklungen durch die Raumaufteilung verstärkt werden. (Rn. 30 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger prozessführungsbefugt.
Streitgegenständlich ist ein behaupteter Mangel des Gemeinschaftseigentums, der sich auf das Sondereigentum des Klägers auswirken soll. Soweit der Kläger im Hauptantrag die Beseitigung des Mangels geltend macht, ist er als Erwerber und Inhaber etwaiger Mängelansprüche unproblematisch prozessführungsbefugt. In der Inanspruchnahme auf Mangelbeseitigung übt er kein Gestaltungsrecht in Bezug auf gemeinschaftsbezogene Ansprüche aus, eine originäre Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG scheidet insofern aus.
Auch hinsichtlich des auf Minderung gerichteten Hilfsantrages hat der Kläger seine Prozessführungsbefugnis nachgewiesen. Mit Mehrheitsbeschluss vom 11. Juni 2013 (TOP 7.4. des Protokolls über die Versammlung vom 11. Juni 2013, Anlage K8) hat die Wohnungseigentümergemeinschaft die Hausverwaltung ermächtigt, mit dem Kläger die „Vereinbarung über die Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen“ (Anlage K5) zu treffen. Diese Vereinbarung hat die Hausverwaltung am 4. Juli 2013 unterschrieben, der Kläger am 14. Juli 2013. Die Vereinbarung bezieht sich exakt auf den streitgegenständlich geltend gemachten Mangel und regelt in Ziffer 2., dass die Wohnungseigentümergemeinschaft dem Kläger das Geltendmachen des Mangelanspruchs einschließlich daran anknüpfender Minderungsrechte gestattet.
B.
Die Klage ist unbegründet, da der geltend gemachte Mangel des Gemeinschaftseigentums nicht vorliegt. Das Werk der Beklagten ist insofern mangelfrei. Die Klage ist daher im Haupt- wie Hilfsantrag abzuweisen.
I.
Die Beklagte war vertraglich nicht verpflichtet, die Wohnung des Klägers so zu errichten, dass in ihr keinerlei Geräusch aus der darüber liegenden Wohnung zu hören ist.
Aus den vorliegenden Vertragsunterlagen ergibt sich eine derartige Zusage nicht. Auch der vom Kläger zum Nachweis dieses Vortrags benannte Zeuge … konnte eine derartige Zusage nicht mehr bezeugen (Seite 3 des Sitzungsprotokolls vom 16. Juli 2014, Blatt 66 der Akten). Der ebenfalls einvernommene Zeuge … hat eine derartige Zusage ausgeschlossen (Seite 4 des Sitzungsprotokolls vom 16. Juli 2014, Blatt 67 der Akten).
II.
Die streitgegenständliche Bauausführung erfüllt die vertraglichen Vorgaben in Bezug auf die darin enthaltenen konkreten Vorgaben betreffend den Schallschutz. Die insofern ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit eines Schallschutzes der Schallschutzstufe II VDI 4100 ist eingehalten, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Nach den überzeugenden und insoweit unangegriffenen Ausführungen der gerichtlichen Gutachter Dipl. Ing. … und Dipl. Ing. … werden in dem streitgegenständlichen Objekt alle Vorgaben betreffend die Schallschutzstufe II und III VDI 4100 eingehalten. In dem von den technischen Regelwerken erfassten Frequenzbereichen ab 100 Hz werden in der Wohnung des Klägers alle Mindestschalldämmwerte dieser Schallschutzstufe erreicht.
III.
Die streitgegenständliche Bauausführung erfüllt auch die sich aus einer Gesamtschau des verkauften Vertragsobjekts ergebenden Schallschutzanforderungen an einen gehobenen, mit besonderem Wohnkomfort ausgestatteten Wohnungsbau. Auch insofern ist daher die vereinbarte Beschaffenheit der Wohnung erreicht, § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB.
1. Bei einer Gesamtwürdigung des Gegenstandes des Bauträgervertrages ergibt sich, dass die Beklagte eine Wohnung schuldete, welche auch in Bezug auf den Schallschutz erhöhten Komfortansprüchen zu genügen hatte. Die Beklagte pries das Gesamtbauvorhaben als allen modernen Ansprüchen genügendes, komfortables Wohnbauprojekt an. Sie hatte daher unabhängig von den konkreten Vorgaben der Baubeschreibung auch entsprechende Schallschutzanforderungen zu erfüllen. Da nach den technsichen Regelwerken ein solch besonderer Wohnkomfort erst ab Erreichen der Schallschutzstufe III VDI 4100 angenommen werden kann, sind unter anderem daraus die Schallschutzanforderungen an die streitgegenständliche Wohnung abzuleiten.
2. Dazu, dass die Anforderungen der technischen Regelwerke an die Schallschutzstufe III VDI 4100 erfüllt werden, wird auf das zu Ziffer I. Gesagte verwiesen.
3. Auch soweit der Kläger Schallprobleme in niederfrequenten Frequenzbereich unter 100 Hz. geltend macht, die von den technischen Regelwerken nicht erfasst und damit nicht bestimmten Schallschutzstufen zugeordnet werden, erfüllt das streitgegenständliche Bauobjekt die Anforderungen an die geschuldete komfortable Ausführung in Bezug auf den Schallschutz.
a) Das Auftreten einzelner Frequenzbereiche, welche im Empfängerraum deutlich stärker ausfallen als die übrigen Frequenzen, ist technisch gesehen auch im gehobenen Wohnungsbau unvermeidbar. Die vom Kläger gerügte stärkere Schallentwicklung bei 63 Hz. liegt insoweit in einem technisch nachvollziehbaren, üblichen Bereich. Sie entspricht damit einer üblichen, den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Bauausführung, § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB.
Die vom Kläger gerügte, ihn störende Schallentwicklung hat ihre Spitze bei einer Frequenz von 63 Hz. Die gerichtlichen Sachverständigen Dipl. Ing. … und Dipl. Ing. … haben dazu überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass sich diese Spitze bei einem Frequenzbereich von 62 bzw. 63 Hz. technisch gesehen aus den streitgegenständlichen baulichen Gegebenheiten zwingend ergibt. Die im Übrigen bei dem streitgegenständlichen Bau hohe Trittschalldämmung wird durch ein Masse-Feder-Masse-System erreicht. Dieses führt insbesondere in den höheren Frequenzbereichen dazu, dass in die Estrichplatte (=Masse) eingetragene Energie durch die eingebaute, als Feder fungierende Trittschalldämmung weitestgehend absorbiert wird. Die sich in der klägerischen Wohnung auswirkenden Schwingungen der Rohbetondecke (=Masse) werden dadurch minimiert, der in der Wohnung ankommende Schall stark reduziert. Im Bereich der Resonanzfrequenz, d.h. derjenigen Frequenz, bei welcher auch die Rohbetondecke in gleicher Form in Schwingung versetzt wird wie die Estrichplatte, wirkt die Trittschalldämmung als Feder jedoch verstärkend. Der Schalldruckpegel im Empfängerraum, hier der Wohnung des Klägers, erhöht sich entsprechend. Technisch betrachtet ist es dabei zwingend, dass es eine Resonanzfrequenz gibt, bei der dieser Effekt auftritt. Energie, die in die Estrichplatte eingetragen wird, muss nämlich in jedem Fall vom Bau aufgenommen werden. Sie löst sich durch eine Trittschalldämmung nicht auf. Bei einem bestimmten, das Masse-Feder-Masse-System in Schwingung setztenden Energieeintrag wird es daher zwingend immer auch zu entsprechenden Resonanzen kommen. In welchem Frequenzbereich diese auftreten, lässt sich durch bauliche Veränderungen lediglich in Grenzen verschieben, nicht jedoch vermeiden.
b) Soweit die streitgegenständliche Resonanzfrequenz von 63 Hz. durch den vorliegenden Schnitt der Räume in der klägerischen Wohnung zusätzlich verstärkt wird, entspricht die vorliegende Bauausführung dennoch den Anforderungen an einen üblichen, gehobenen Ansprüchen entsprechenden Wohnungsbau. Die Beklagte musste insofern verschiedene bauliche Ziele aufeinander abstimmen. Die dabei von ihr getroffene Abwägung zwischen Raumaufteilung, Trittschallschutz im technisch normierten Bereich und der Inkaufnahme einer Resonanzfrequenz von 63 Hz. entspricht den allgemein anerkannten Regeln der Technik und erfüllt insgesamt die an den streitgegenständlichen Bau gestellten Anforderungen komfortablen Wohnens.
Die gerichtlichen Sachverständigen Dipl. Ing. … und Dipl. Ing. … haben nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, welche technischen Kriterien vorliegend eine Rolle spielen. Betreffend den Trittschallschutz ergibt sich, dass die zwingend eintretende Resonanzfrequenz (siehe oben Buchstabe a)) umso niedriger liegt, je höher der Trittschallschutz im übrigen ist. Die Beklagte hat nach den vorliegenden technischen Feststellungen einen generell sehr hohen Trittschallschutz ausgeführt. Dies brachte eine relativ niedrige Resonanzfrequenz von 63 Hz. mit sich. Nach den weiteren, nachvollziehbaren und überzeugenden technischen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dipl. Ing. … wirkt sich bei dem von den technischen Regelwerken nicht erfassten Frequenzbereich unter 100 Hz. die individuelle Empfindlichkeit einzelner Menschen weitaus stärker aus als in dem insofern technisch normierten Bereich ab 100 Hz. So kann es Menschen geben, die diese Frequenz kaum mehr wahrnehmen. Andere, wie offensichtlich der Kläger, fühlen sich durch Schallübertragung in diesem Frequenzbereich stark gestört.
Bei dieser Gemengelage entsprach die bautechnische Ausführung der streitgegenständlichen Wohnung, welche Schalldämmung und günstige Raumaufteilung erreichen sollte, insgesamt einem den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden gehobenen Wohnungsbau. Die Beklagte konnte und musste in ihre bautechnischen Entscheidungen nicht einbringen, bei welchem Frequenzbereich ein zukünftiger Erwerber eventuell besonders empfindsam sein würde. Derartig individuelle Besonderheiten der Erwerber waren ihr nicht bekannt. Sie durfte ihre bautechnischen Entscheidungen daher darauf konzentrieren, im technisch normierten Frequenzbereich einen hohen Trittschallschutz zu realisieren und dennoch eine funktionale, ansprechende Raumaufteilung vorzunehmen. Eine darüber hinausgehende Schalldämmplanung dahingehend, durch die Raumaufteilung nicht noch eventuelle Resonanzfrequenzen zu verstärken, entsprechen nicht mehr einer üblichen, den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Bauplanung für einen gehobenen Wohnungsbau, sondern gehen weit darüber hinaus. Dies haben beide gerichtliche Sachverständige im Rahmen ihrer Anhörung ausgeführt.
IV.
Die streitgegenständliche Wohnung ist auch nicht als Wohnung funktionsuntauglich. Ein Mangel wegen fehlender Gebrauchstauglichkeit liegt damit ebenfalls nicht vor, § 633 Abs. 2 BGB.
1. Die Kammer ist auf Grundlage des von ihr durchgeführten Ortstermins mit entsprechenden Geh- und Trittversuchen davon überzeugt, dass die streitgegenständliche Wohnung auch mit dem vom Kläger gerügten Estrichdröhnen ein angenehmes Wohnen ermöglicht.
Verschiedene Geh- und Laufversuche in der über der Wohnung des Klägers gelegenen Wohnung haben zwar zu unterschiedlich starken Schallübertragungen in die Wohnung des Klägers geführt. Nach Auffassung und Empfinden der Mitglieder der Kammer und ihrer Mitglieder kam es jedoch zu keiner Schallübertragung, die ein Nutzen der Wohnung als unzumutbar erschienen ließe. Zwar waren bei bestimmten Gangarten und insbesondere beim Laufen mehrerer Personen Geräusche im Sinne eines leichten Dröhnens in der Wohnung des Klägers zu hören, zu keinem Zeitpunkt ergab es jedoch eine Geräuschkulisse, die nach dem Empfinden der Mitglieder der Kammer nicht im Rahmen des Üblichen bei einer derartigen Wohnanlage gelegen hätte. Aus Sicht der Kammer ist dabei auch zu berücksichtigen, dass in einem Mehrfamilienhaus auch gehobenen Standards kaum jemals eine absolute Schalldämmung zu erreichen ist. Das Hören der Schritte anderer Mitbewohner gehört auch im gehobenen Wohnungsbau zur üblichen Beschaffenheit einer Wohnung und mindert deren Funktionstauglichkeit nicht.
2. Soweit der Kläger die Schallübertragungen subjektiv als deutlich störender empfindet als die Kammer begründet diese subjektive Funktionseinschränkung der Wohnung keinen Mangel im Sinne des § 633 Abs. 2 BGB.
C.
Nebenentscheidungen
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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