Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Duldungsanordnung gegen Mieter

Aktenzeichen  M 9 K 18.4896

Datum:
26.2.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17010
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
Der Bescheid vom 3. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Duldungsanordnung in Ziffer 1 des Bescheides vom 3. September 2018 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Mit der Duldungsanordnung wird ein Dritter verpflichtet, die seine Rechte berührende Vollziehung der Ausgangsverfügung zu dulden. Da die Anordnung der Duldung einer nach Art. 76 BayBO verfügten Maßnahme ein Minus zu der Maßnahme selbst ist, folgt hieraus, dass die Befugnisnorm für eine Duldungsanordnung diejenige Norm sein muss, die zur Handlung selbst berechtigt (vgl. Decker in: Busse/Kraus, 140. EL Februar 2021, BayBO Art. 76 Rn. 412 m.w.N.). Für den Rückbau der Dachgauben ist dies Art. 76 Satz 1 BayBO.
Die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Duldungsanordnung gegen den Kläger und Mieter setzt lediglich voraus, dass die Beseitigungsanordnung, deren Vollzug sie ermöglichen soll, wirksam ist und wegen fehlenden Einverständnisses des Klägers nicht durchgesetzt werden kann. Der bloß obligatorisch Berechtigte kann sich nicht auf die Rechtswidrigkeit der Beseitigung gegenüber dem Eigentümer berufen, da er von diesem seine Rechte lediglich ableitet und deswegen nicht besser stehen kann als der Eigentümer (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2012 – 1 CS 12.282 – juris Rn. 13 ff.; BayVGH, B.v. 11.1.2018 – 2 CS 17.1775 – Rn. 2 n.V.; VG München, B.v. 14.8.17 – M 9 S 17.1935 – n.V.). Seine zivilrechtlich abgeleiteten Rechte sind bereits durch die bestandskräftige Beseitigungsanordnung belastet. Soweit der Kläger die unzutreffende Bejahung der Voraussetzungen für eine Beseitigung nach Art. 76 Satz 1 BayBO rügt, kann dies deswegen der Klage gegen die Duldungsanordnung nicht zum Erfolg verhelfen. Der klägerische Vortrag zur Unwirksamkeit der Ortsgestaltungssatzung vom 11. Oktober 1995 der Gemeinde O. und dem Vorliegen von Bezugsfällen ist aus diesem Grundunbeachtlich. An der Wirksamkeit der Beseitigungsanordnung 25. April 2012 bestehen keine Bedenken.
Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab bei der Duldungsanordnung gegenüber obligatorisch Berechtigten dürfte grundsätzlich im Falle nachträglicher Änderung zugunsten des zum Rückbau Verpflichteten ebenfalls zur Anwendung kommen. Dies kann vorliegend aber sogar offenbleiben, da die streitgegenständlichen Dachgauben auch nach der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen OGS vom 4. Dezember 2018 nicht genehmigungsfähig sind. Die Schleppgauben nach Osten und Westen überschreiten jeweils die nach Nr. 7.4.1 Satz 3 Spiegelstrich 5 der OGS vom 4. Dezember 2018 zulässige Breite von 1/5 der Gebäudelänge. Nach Osten und Westen hat das Gebäude jeweils eine Länge von ca. 14,60 m. Maximal zulässig sind deswegen Dachaufbauten mit einer Summe der Breite von ca. 2,12 m. Die zwei Schleppgauben pro Gebäudeseite haben in Summe jeweils eine Breite von 5 m (2 x 2,50 m). Nach Nr. 7.4.1. Satz 3 Spiegelstrich 6 der OGS vom 4. Dezember 2018 ist ein Zwerchgiebel auf maximal 3,50 m beschränkt. Der Balkon mit Zwerchgiebel auf der Südseite ist 5,30 m breit. Für keine der streitgegenständlichen Dachaufbauten sind Anhaltspunkte für einen Anspruch auf eine satzungsimmanente Ausnahme oder eine Abweichung von der Ortsgestaltungssatzung ersichtlich.
Der Kläger hat weder sein ausdrückliches Einverständnis mit der Vollziehung der bauaufsichtlichen Beseitigungsverfügung erklärt, noch fehlt ihm offensichtlich eine Berechtigung sie zu verhindern; nur in diesen Fällen wäre die Duldungsanordnung überflüssig und daher rechtswidrig (vgl. OVG RhPf, B.v. 8.12.2003 – 8 B 11827/03 – juris; VG München, U.v. 25.7.2011 – M 8 K 11.160 – BeckRS 2011, 31335, beck-online). Dies gilt auch soweit die Beseitigungsanordnung die westliche Seite betrifft, da außer den selbstgefertigten Grundrissen (Bl. 48 d. Gerichtsakte) keine Erkenntnisse über die beiden nicht genehmigten Wohnungen im Dachgeschoss vorliegen. Das Landratsamt musste und durfte deswegen davon ausgehen, dass der Kläger den Rückbau auf allen Seiten verhindern kann. Die Lage der zwei nicht genehmigten Wohnungen wurde dem Landratsamt durch die Eigentümer vor Bescheiderlass nicht mitgeteilt.
Die Duldungsanordnung ist ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 2 VwGO) und verhältnismäßig. Die Ausführungen zur „Keimzelle des Lebens“ des Mieters führen nicht zu einem Ermessensfehler, da der Mieter insoweit auf seine zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Vermieter und Eigentümer zu verweisen ist (vgl. diesbezüglich BayVGH, B.v. 11.1.2018 – 2 CS 17.1775 – Rn. 4 für den anderen Mieter, der im streitgegenständlichen Dachgeschoss ebenfalls die Keimzelle seines Lebens hatte). Das private Interesse in einer durch die Dachgauben größeren Wohnung eine Familie gründen zu wollen, ist deutlich weniger gewichtig als das öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände. Die bisherige lange Verfahrensdauer lässt das öffentliche Interesse nicht entfallen. Das Landratsamt hat mit diversen Anordnungen seit der ursprünglichen Baueinstellung im Jahr 2011 versucht, die rechtswidrigen Zustände zu beenden. Ein schützenswertes Vertrauen in den Bestand der Dachgauben konnte deswegen nicht entstehen.
2. Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung in Höhe von 1.000 € ist Art. 31, 36 VwZVG. Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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