Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kaufvertrag, Berufung, Beschaffenheitsvereinbarung, Beschaffenheit, Vertragsschluss, Bebauung, Zulassung, Haftungsausschluss, Haftung, Ausschluss, Versicherung, Zusammenhang, Vertragsverhandlungen, Vertrag, Vorbringen der Parteien, Kosten des Rechtsstreits, vereinbarten Beschaffenheit

Aktenzeichen  2 U 2969/20

Datum:
17.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29957
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB §§ 434, 444

 

Leitsatz

1. Eine Pflicht zur Aufklärung resultiert aus einer Darstellung des eigenen Wissensstandes nicht, selbst wenn dieser ausdrücklich versichert wird. Insbesondere Wissenserklärungen, die im Zusammenhang mit den nach § 444 BGB gebotenen Ausnahmen von einem Haftungsausschluss stehen, korrelieren mit den Aufklärungspflichten des Erklärenden.
2. Auch wenn derjenige, der in einem Vertrag eine Wissenserklärung abgibt, grundsätzlich für deren Richtigkeit haftet, kann der Zusammenhang der Wissenserklärung mit einer Aufklärungspflicht nicht unberücksichtigt bleiben. So kann derjenige, an den sich eine vertragliche Wissenserklärung richtet, nicht erwarten, dass der Erklärende für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben haften will, wenn dem Vertragspartner die Unzulänglichkeit seiner Erklärung infolge eines Hinweises im Rahmen der Vertragsverhandlungen bereits bekannt ist.

Verfahrensgang

1 O 7891/19 2020-07-29 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.07.2020, Az. 1 O 7891/19, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.116,65 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Kläger kann keine Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrages verlangen.
I. Der Kläger ist als Folge des vereinbarten Haftungsausschlusses nicht zum Rücktritt wegen eines Mangels der Immobilie berechtigt.
1. Sind in einem Kaufvertrag zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache und ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart, wird dies zwar regelmäßig dahingehend auszulegen sein, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll (BGH, Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06 -, juris Rn. 31). Die Parteien haben in dem Kaufvertrag vom 24.08.2017 aber keine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen, dass die Bebauung des Grundstücks bestehen bleiben kann.
a. Eine ausdrückliche Erklärung des Inhalts, dass eine Sanierung des Wohnhauses möglich ist, findet sich in dem Vertrag nicht. Entsprechendes kann sich im Wege der Auslegung allenfalls mittelbar daraus ergeben, dass nach der Beschreibung des (Vertrags-)Gegenstandes unter § 2 Nr. 1 des Vertrages „[d]as Grundstück FlNr. 152 (…) nach Angaben der Beteiligten bebaut [ist] mit einem stark sanierungsbedürftigen Wohnhaus sowie Nebengebäuden“.
b. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. An das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB sind dabei strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 20.03.2019 – VIII ZR 213/18 -, juris Rn. 22). Die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung kommt nicht „im Zweifel“, sondern nur in einem eindeutigen Fall in Betracht (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15 -, juris Rn. 35; Beschluss vom 02.11.2010 – VIII ZR 287/09 -, juris Rn. 4; Urteil vom 12.03.2008 – VIII ZR 253/05 -, juris Rn. 13). Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung zu bejahen ist, ist eine Frage der Vertragsauslegung (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15 -, juris Rn. 18).
c. Gemessen daran liegt im vorliegenden Fall keine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Zwar kann eine solche insbesondere dadurch getroffen werden, dass in der im Vertrag enthaltenen Beschreibung des Kaufobjekts zugleich eine auf Bindung angelegte Aussage über seinen Charakter und damit einem diesem Charakter entsprechende Beschaffenheit enthalten ist (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15 -, juris Rn. 18; Urteil vom 23.09.2009 – VIII ZR 300/08 -, juris Rn. 14). Dem steht hier allerdings bereits der vornehmliche Bedeutungsgehalt des Wortes „sanierungsbedürftig“ entgegen. Denn dieses Adjektiv beschreibt lediglich, dass es einer Sanierung bedarf, mithin insbesondere über eine bloße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehende bauliche Maßnahmen erforderlich sind, und zwar – wie sich aus dem Bezugswort „Wohnhaus“ ergibt – vor einer Nutzbarkeit zu Wohnzwecken. Angesichts dessen liegt die wesentliche Funktion der Formulierung „bebaut mit einem stark sanierungsbedürftigen Wohnhaus“ darin, die – bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses – fehlende Nutzungsmöglichkeit der Bebauung zum Ausdruck zu bringen, mithin eine negative Beschaffenheit zu beschreiben. Der Kern der Aussage ist: Der Käufer erhält eine Bebauung, die nicht nutzbar ist. Dies steht in Übereinstimmung damit, dass nach § 6 des Vertrages die Sachmängelhaftung unter anderem in Bezug auf den „Bauzustand“ ausgeschlossen ist.
Dass die Parteien mit der Formulierung darüber hinaus im Sinne einer positiven Beschaffenheit die Sanierungsmöglichkeit, die zunächst einmal einen Fortbestand des Wohnhauses voraussetzt, vereinbaren wollten, dafür gibt es keine eindeutigen Anhaltspunkte. Dies gilt gerade im Hinblick darauf, dass nach den Feststellungen des Landgerichts (vgl. Seite 3 des Urteils, Bl. 62 d. A.) „im Rahmen der Verkaufsgespräche (…) der Lebensgefährte der Beklagten darauf hingewiesen [habe], dass das Gebäude, wie erkennbar, aufgrund der Vorgaben des Landratsamtes abgerissen oder saniert werden müsse“. Ein Abriss des Gebäudes stand demnach im Raum. Aber auch unabhängig davon stellt sich bei einem „stark sanierungsbedürftigen Wohnhaus“ stets die Frage, ob dessen Erhaltung technisch möglich und – vor allem – wirtschaftlich sinnvoll ist. Dass die Beklagte hierfür einstehen wollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht, dass die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen bei Vertragsschluss bekannt waren.
2. Der im Vertrag vereinbarte Haftungsausschluss ist auch nicht gemäß § 444 BGB bzw. der entsprechenden vertraglichen Regelung unwirksam.
a. Die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts rechtfertigen den Vorwurf des arglistigen Verschweigens eines Mangels nicht. Denn danach war der Kläger – wie bereits ausgeführt – „im Rahmen der Verkaufsgespräche (…) darauf hingewiesen [worden], dass das Gebäude (…) aufgrund Vorgaben des Landratsamtes abgerissen oder saniert werden müsse“. Soweit der Kläger sein Vorbringen in der Berufung so verstanden wissen will, dass er dies (nunmehr) bestreitet, ist er damit ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO für die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel liegen nicht vor.
Der Kenntnisstand des Klägers entsprach bei Vertragsschluss infolge des Hinweises demjenigen der Beklagten gemäß dem Kaufvertrag vom 30.01.2017, mit dem Letztere das Grundstück zuvor erworben hatte. Insbesondere lässt die dort enthaltene Formulierung, dass „die Gemeinde (…) die Sanierung oder den Abriss des Gebäudes angeordnet“ habe, offen, ob eine Abrissverfügung ergangen ist. Angesichts dessen waren für den von der Beklagten vorgetragenen Hinweis – anders als der Kläger meint – auch keine „übersinnliche[n] Fähigkeiten“ erforderlich. Im Ergebnis musste es der Kläger ebenso wie die Beklagte für möglich halten, dass ein Abriss angeordnet worden war. Es bestand kein Informationsgefälle zwischen den Vertragspartnern.
b. Einen darüberhinausgehenden Wissensstand hatte nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts (Seite 3 des Urteils, Bl. 62 d. A.) auch der in die Vertragsverhandlungen involvierte Lebensgefährte der Beklagten trotz seines Gespräches mit dem Landratsamt nicht. Denn ihm war dabei – so das Landgericht – „die Abrissverfügung nicht mitgeteilt“ worden.
Dass die der Beklagten bekannte Möglichkeit eines Abrisses in dem Kaufvertrag keinen Niederschlag gefunden hat, begründet für sich allein nicht den Vorwurf eines arglistigen Verhaltens. Einer Aufklärungspflicht kann auch außerhalb der Vertragsurkunde nachgekommen werden. Der Wertung der Formulierung, dass das Grundstück „mit einem stark sanierungsbedürftigen Wohnhaus“ bebaut ist, als bewusste Bagatellisierung steht der einheitliche Wissenstand der Parteien entgegen.
II. Es kommt auch keine Haftung wegen einer wahrheitswidrigen Versicherung der Beklagten unter § 6 des Vertrages in Betracht, dass ihr keine baurechtswidrigen Zustände sowie keine Umstände, die darauf schließen lassen, bekannt seien.
Bei dieser Aussage handelt es sich um eine reine Wissenserklärung oder auch Wissensmitteilung. Eine Pflicht zur Aufklärung – wie sie das Landgericht annimmt – resultiert aus einer solchen Darstellung des eigenen Wissensstandes nicht, selbst wenn dieser ausdrücklich versichert wird. Insbesondere Wissenserklärungen, die – wie im vorliegenden Fall – im Zusammenhang mit den nach § 444 BGB gebotenen Ausnahmen von einem Haftungsausschluss stehen, korrelieren mit den Aufklärungspflichten des Erklärenden. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es keine allgemeine Rechtspflicht gibt, die andere Vertragspartei über alle Umstände aufzuklären, die deren Willensentschließung beeinflussen können. Die andere Vertragspartei muss sich vielmehr grundsätzlich die für die Willensentscheidung erforderlichen Informationen selbst beschaffen (BGH, Urteil vom 13.07.1988 – VIII ZR 224/87 -, juris Rn. 11; Urteil vom 11.08.2010 – XII ZR 192/08 -, juris Rn. 21). Angesichts dessen ist wiederum erheblich, dass der Kläger infolge des Hinweises im Rahmen der Vertragsverhandlungen denselben Kenntnisstand hatte wie die Beklagte.
Dies steht auch einer Haftung der Beklagten wegen einer etwaigen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Versicherung ihres Kenntnisstandes entgegen. Es mag sein, dass die Aussage, ihr seien keine baurechtswidrigen Zustände sowie Umstände, die darauf schließen lassen, bekannt, ohne eine Erwähnung einer möglichen Abrissverfügung in dem Vertrag unvollständig und damit unzutreffend ist. Doch auch wenn derjenige, der eine solche Wissenserklärung abgibt, grundsätzlich nach § 280 Abs. 1, § 276 Abs. 1 BGB für deren Richtigkeit haftet (BGH, Urteil vom 15.05.2014 – III ZR 368/13 -, juris R. 41; Urteil vom 12.03.2008 – VIII ZR 253/05 -, juris Rn. 12), kann der Zusammenhang der Wissenserklärung mit der Aufklärungspflicht nicht unberücksichtigt bleiben. So konnte der Kläger als derjenige, an den sich die Wissenserklärung richtete, nicht erwarten, dass die Beklagte für die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben haften will, wenn ihrem Vertragspartner die Unzulänglichkeit ihrer Erklärung infolge eines Hinweises im Rahmen der Vertragsverhandlungen bereits bekannt ist. Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach für den Käufer die Kenntnis von Mängeln bei Vertragsschluss haftungsausschließend wirkt.
Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität einer etwaigen Falschangabe für den Vertragsabschluss, wenn dem Empfänger einer Wissenserklärung – wie hier dem Kläger – deren Unvollständigkeit bekannt war. Eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten kann deshalb nicht auf einen auf Vertragsaufhebung gerichteten Schadensersatzanspruch des Klägers führen.
III. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (Schulz in: Münchener Kommentar, ZPO, 6. Aufl., § 97 Rn. 14).
Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen § 708 Nr. 10, § 713 ZPO zugrunde.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.


Ähnliche Artikel


Nach oben