Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine Berechtigung des WEG-Verwalters zur Auftragserteilung bei Defekt einer Hebeanlage

Aktenzeichen  483 C 249/20 WEG

Datum:
3.12.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51767
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 14 Nr. 1, § 16 Abs. 4, § 21, § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, Nr. 4
BGB § 670, § 677, § 683 S. 1, § 687 Abs. 1

 

Leitsatz

Für außergewöhnliche Maßnahmen, die nicht dringend, also aufschiebbar sind, kann der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft nur mit Ermächtigung der Wohnungseigentümer für die Wohnungseigentümergemeinschaft Verträge abschließen bzw. Aufträge erteilen. Der Austausch einer Hebeanlage stellt weder eine laufende Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung iSv § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG noch eine iSv § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG, Abs. 1 Nr. 3 WEG dringende Maßnahme zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dar, sofern der Defekt an der Hebeanlage allein dazu führt, dass die Entsorgung der Einheit eines Wohnungseigentümers von Abwasser nicht mehr gewährleistet werden kann. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

483 C 249/20 WEG 2020-02-11 Versäumnisurteil AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts München vom 11.02.2020 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten, welche die Beklagten zu tragen haben.
3. Das Urteil ist in Ziff. 2. vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten. 
4. Der Streitwert wird auf 13.450,19 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts München vom 11.02.2020 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, da die Klage teils unzulässig, teils unbegründet ist.
1. Die Klägerin ist aufgrund der Beschlussfassung zu TOP 17 der Eigentümerversammlung vom 29.03.2019 hinsichtlich der Kosten für die Erneuerung der Hebeanlage in Höhe von 13.450,19 € prozessführungsbefugt.
Zwar kann das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft seit der WEG-Reform 2007 nicht mehr aus der diesem durch das Wohnungseigentumsgesetz zugewiesenen Rechts- und Pflichtenstellung hergeleitet werden. Infolge der seither bestehenden Rechts- und Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist diese nunmehr ohne weiteres selbst in der Lage, Ansprüche – zumal ohne Entstehen eines Mehrvertretungszuschlages nach Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG – durchzusetzen, so dass das Bedürfnis für ein Tätigwerden des Verwalters im eigenen Namen entfallen ist. Das gilt umso mehr, als einer der tragenden Gründe, die zur Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtssubjekt geführt haben, gerade darin bestand, die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums im Rechtsverkehr zu erleichtern (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2011 – V ZR 145/10 -, BGHZ 188, 157-163, Rn. 9 – 15 m. w. N.).
Nachdem eine Prozessführungsbefugnis des Verwalters nicht mehr aus dessen Rechte- und Pflichtenstellung nach dem Wohnungseigentumsgesetz hergeleitet werden kann, kann die Befugnis, Rechte der Wohnungseigentümergemeinschaft in eigenem Namen geltend zu machen, nur noch aus anderen Gründen in Betracht gezogen werden. So wird ein eigenes schutzwürdiges Interessen des Verwalters an der Durchsetzung von Rechten des Verbandes etwa dann gegeben sein, wenn sich der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat und ihn die Gemeinschaft vor diesem Hintergrund zur Schadensminimierung ermächtigt, auf eigene Kosten einen (zweifelhaften) Anspruch der Gemeinschaft gegen Dritte durchzusetzen (vgl. BGH a.a.O.).
Unter diesem Gesichtspunkt ist die gewillkürte Prozessstandschaft vorliegend zulässig, weil sich die Klägerin durch die Erteilung des Auftrags zum Austausch der Hebeanlage ggü. der WEG schadensersatzpflichtig gemacht hat, unabhängig davon, ob die Hebeanlage Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum der Beklagten ist:
Sofern die Hebeanlage Sondereigentum der Beklagten ist, war die Klägerin zu einer Auftragserteilung namens der WEG ohnehin nicht befugt.
Aber selbst wenn die Hebeanlage Gemeinschaftseigentum ist, war die Klägerin zur Erteilung des Auftrags zum Austausch der Hebeanlage mangels entsprechender Vertretungsmacht nicht befugt. Eine Vertretungsmacht der Klägerin ergibt sich weder aus § 27 WEG i. d. bis 30.11.2020 geltenden Fassung, noch aus der Gemeinschaftsordnung, sonstigen Vereinbarungen oder Beschlüssen.
Gem § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sind zwar eigenständige Aufgaben und Befugnisse des Verwalters, für diese sind aber in erster Linie die Wohnungseigentümer selbst zuständig, da sie letztlich auch die Kosten zu tragen haben. Der Verwalter hat daher eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, d.h. Mängel, ihre Ursachen und die Möglichkeiten der Beseitigung festzustellen, die Wohnungseigentümer zu unterrichten und eine Entscheidung der Wohnungseigentümer über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung durch den Verwalter ohne Beschlussfassung der Wohnungseigentümer sind nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG nicht geboten (vgl. Bärmann, WEG, 14. Auflage 2018, § 27 Rz 37 unter Verweis u. a. auf Landgericht München I, ZWE 2011, 42).
Der Verwalter ist grundsätzlich auch nicht berechtigt, unter Berufung auf § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG aus eigenem Recht ohne Ermächtigung der Wohnungseigentümer Dritte einzuschalten, insbesondere Aufträge zu erteilen (vgl. Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 27 Rn. 38). Eine generelle gesetzliche Vertretungsmacht des Verwalters zum Abschluss der zur Instandsetzung oder Instandhaltung erforderlichen Verträge mit Dritten im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft regelt das WEG nicht. Vielmehr hat der Verwalter gesetzliche Vertretungsmacht nur in zwei Fällen, nämlich für die laufenden Maßnahmen der erforderlichen ordnungsmäßigen Instandhaltung und Instandsetzung (§ 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG) sowie in dringenden Fällen für sonstige zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderliche Maßnahmen (§ 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4, Abs. 1 Nr. 3 WEG). Für außergewöhnliche Maßnahmen, die nicht dringend, also aufschiebbar sind, kann der Verwalter nur mit Ermächtigung der Wohnungseigentümer für die Wohnungseigentümergemeinschaft Verträge abschließen bzw. Aufträge erteilen. Der Austausch der Hebeanlage stellt weder eine laufende Maßnahme der Instandhaltung und Instandsetzung i. S. d. § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WEG, noch eine i. S. d. § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4, Abs. 1 Nr. 3 WEG dringende Maßnahme zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Vielmehr führte der Defekt an der Hebeanlage nach dem Vortrag der Klägerin allein dazu, dass die Entsorgung der Einheit der Beklagten von Abwasser nicht mehr gewährleistet werden konnte.
Auch aus § 13 Ziff. 2 a) der Gemeinschaftsordnung, wonach der Verwalter befugt ist, die Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich in allen Angelegenheiten der Verwaltung zu vertreten und im Rahmen seiner Verwaltungsaufgaben Verträge abzuschließen und Rechtshandlungen vorzunehmen, ergibt sich keine Vertretungsmacht zur Erteilung des streitgegenständlichen Auftrags, vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um eine Ermächtigung im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse der Klägerin.
Schließlich folgt die Vertretungsmacht auch nicht aus dem zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 25.10.2017 gefassten Beschluss:
Dieser Beschluss ist zum einen mangels entsprechender Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig. Grundsätzlich ist die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ von Instandsetzungsmaßnahmen ist der Eigentümerversammlung vorbehalten (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 13, 14; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., Rz. 36). Zwar ist eine Delegation der Entscheidungsbefugnis der Eigentümer auf den Verwalter durch eine Vereinbarung möglich (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 27 Rz. 39), in engen Grenzen auch durch einen Mehrheitsbeschluss (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 13; Jennißen/Heinemann, WEG, § 27 Rz. 25), wenn und soweit es sich um eine konkrete Einzelmaßnahme handelt, die Ermächtigung zu einem überschaubaren und für den einzelnen Wohnungseigentümer begrenzten finanziellen Risiko führt und die grundsätzliche Verantwortlichkeit für den Beschluss solcher Maßnahmen bei der Eigentümerversammlung bleibt (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 13, 14).
Nach diesen Grundsätzen war die Delegation vorliegend unzulässig, da sie sich nicht auf eine konkrete Einzelmaßnahme bezieht, so dass die Entscheidungshoheit der Wohnungseigentümer nicht gewahrt ist.
Zum anderen ist weder seitens der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass die für die Auftragserteilung erforderliche Zustimmung des Verwaltungsbeirats vorgelegen hätte.
Der gewillkürten Prozessstandschaft entgegenstehende schutzwürdige Interessen der Beklagten sind weder dargetan, noch ersichtlich.
3. Soweit die Klägerin ausführt, für die Überprüfung der Abwasserleitungen, mit der im Februar 2018 die Fa. beauftragt worden sei, seien EUR 746,52 angefallen, sind diese Kosten nicht von der Beschlussfassung zu TOP 17 der Eigentümerversammlung vom 29.03.2019 (und auch nicht vom Klageantrag) umfasst, so dass die Klägerin insoweit nicht prozessführungsbefugt ist.
4. Die erstmals mit Schriftsatz vom 28.01.2021 anhängig gemachte Zwischenfeststellungsklage ist unzulässig.
a) Zwar war der Klägerin mit Beschluss vom 03.12.2020 zur Stellungnahme auf die in der Sitzung vom 03.12.2020 erteilten Hinweise eine Schriftsatzfrist nachgelassen, der Schriftsatznachlass berechtigt jedoch nicht zur Stellung neuer Anträge, zumal der neue Antrag nicht erst durch die in der Sitzung vom 03.12.2020 seitens des Gerichts vorläufig geäußerte Rechtsansicht veranlasst wurde, sondern die Frage, ob die Hebeanlage dem Gemeinschaftseigentum oder dem Sondereigentum der Beklagten zuzuordnen ist, bereits von Beginn des Verfahrens an der zentrale Aspekt des Rechtsstreits war. Der Antrag erfolgte daher entgegen § 282 Abs. 2 ZPO verspätet.
b) I. ü. ist die Rechtsfrage, welche Gegenstand der Zwischenfeststellungsklage ist, für die geltend gemachten Ansprüche auch nicht präjudiziell, vielmehr ist die Klage unabhängig von einer Zuordnung der Hebeanlage zum Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum der Beklagten unbegründet (vgl. unten unter 6.). Die Zwischenfeststellungsklage ist daher auch deshalb unzulässig, weil die Hauptklage ohne Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis abzuweisen ist (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020 Rn. 87, ZPO § 256 Rn. 87).
5. Auch soweit die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 28.01.2021 die Klage auf Ansprüche aus eigenem Recht stützt, liegt eine unzulässige Klageänderung vor, die i. ü. von der Antragstellung nicht umfasst ist, da Leistung nur an die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragt wird.
6. Denn die WEG hat gegenüber den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Ersatz der von ihr für den Austausch der Hebeanlage aufgewendeten EUR 13.450,19.
Erstattungsansprüche bestehen unabhängig davon, ob die Hebeanlage dem Sondereigentum der Beklagten oder dem Gemeinschaftseigentum der Klägerin zuzuordnen ist, nicht. Diese Rechtsfrage kann daher offen bleiben.
a) Sondereigentum der Beklagten
(1) Ein Aufwendungsersatzanspruch der WEG ggü. den Beklagten aus § 670 BGB scheidet mangels Auftragserteilung der Beklagten aus.
Allein die Äußerung der Beklagten ggü. der Klägerin, es wäre wohl besser, die Hebeanlage auszutauschen, stellt keine rechtsverbindliche Auftragserteilung der Beklagten dar, den Austausch auf ihre Kosten zu beauftragen.
(2) Auch Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB bzw. ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 ff BGB stehen der WEG nicht zu:
– Für einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor. Insoweit ist zwar zutreffend, dass das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts ausreichend ist. Allerdings fehlte dem Sachbearbeiter der Klägerin, dessen Vorstellungen der WEG nach § 166 Abs. 1 BGB ungeachtet der Tatsache, dass er als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelte, zuzurechnen sind, eigenem Vortrag der Klägerin zufolge der erforderliche Fremdgeschäftsführungswille, vielmehr ging er davon aus, ein Geschäft der WEG wahrzunehmen, so dass die Vorschriften der §§ 677 bis 686 BGB keine Anwendung finden, vgl. § 687 Abs. 1 BGB, sondern eine unechte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt, bei der nur Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, Delikt und EBV in Betracht kommen.
– Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung scheitern an den Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts:
In dem umgekehrten Fall, dass ein Wohnungseigentümer eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, steht ihm grundsätzlich kein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zu (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 13). Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen – mit anderen Worten ordnungsmäßiger Verwaltung – entspricht. Zu der ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung gehört gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG insbesondere die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Insoweit haben die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum; sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2011 – V ZR 176/10, NJW 2011, 2958 Rn. 8; Urteil vom 13. Juli 2012 – V ZR 94/11, NJW 2012, 2955 Rn. 8; Urteil vom 17. Oktober 2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 10; Urteil vom 4. Mai 2018 – V ZR 203/17, NZM 2018, 611 Rn. 9). Diese Grundsätze finden in den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts keinen Niederschlag. Ihre Anwendung schließt § 21 Abs. 4 WEG aus; die Vorschrift geht als speziellere Norm vor (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 13). Das gilt auch dann, wenn die von dem Wohnungseigentümer durchgeführte Maßnahme ohnehin hätte vorgenommen werden müssen.
Ein Bereicherungsausgleich für eine eigenmächtige Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums durch einen Wohnungseigentümer kam nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Maßnahme des Wohnungseigentümers ohnehin hätte beschlossen oder vorgenommen werden müssen, sich das den Wohnungseigentümern zustehende Ermessen bei der Entscheidung über die Instandsetzung oder Instandhaltung also auf Null reduziert hatte (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 12 f.). Dem lag die Erwägung zu Grunde, dass in einem solchen Fall der einzelne Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Durchführung der Maßnahme gemäß § 21 Abs. 4 WEG hat (vgl. dazu Urteil vom 17. Oktober 2014 – V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 10; siehe auch Urteil vom 4. Mai 2018 – V ZR 203/17, NZM 2018, 611 Rn. 10).
Doch auch diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.06.2019 (Az. V ZR254/17) aufgegeben und entschieden, dass der Vorrang des § 21 Abs. 4 WEG einen Ausgleich des Wohnungseigentümers für eigenmächtige Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum nach allgemeinen Vorschriften auch dann ausschließt, wenn diese zwingend vorgenommen werden mussten. Gegen eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der eigenmächtig handelnde Wohnungseigentümer keinen Ersatz seiner Kosten von den übrigen Wohnungseigentümern verlangen kann, sprächen bereits die dadurch entstehenden Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten. Ein Anspruch auf Durchführung einer Instandsetzungsmaßnahme setze voraus, dass nur ein ganz bestimmtes und sofortiges Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. BGH a.a.O. m. w. N.). Das sei nicht schon dann der Fall, wenn der Zustand des Gemeinschaftseigentums überhaupt ein sofortiges Tätigwerden erfordere; das Ermessen der Wohnungseigentümer müsse vielmehr derart reduziert sein, dass zwingend eine bestimmte Art der Instandsetzung zu ergreifen sei. Diese Voraussetzungen würden nur selten vorliegen und im Nachhinein, d.h. nach der eigenmächtig vorgenommenen Reparatur, nur schwer bzw. nur mit großem Aufwand festzustellen sein. Vor allem bliebe den Wohnungseigentümern auch in den Fällen der Ermessensreduzierung auf Null regelmäßig ein Gestaltungsspielraum. Es sei insbesondere ihre Sache zu entscheiden, ob sie die Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchführen und welche Handwerker sie beauftragen wollten. Deshalb müssten die Wohnungseigentümer auch über eine zwingend gebotene und keinen Aufschub duldende Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahme einen Beschluss fassen. Dem betroffenen Wohnungseigentümer sei es auch zumutbar, in jedem Fall das durch das Wohnungseigentumsgesetz vorgegebene Verfahren einzuhalten. Er könne einen Beschluss der Wohnungseigentümer über die Durchführung der erforderlichen Maßnahme herbeiführen. Finde der Antrag in der Wohnungseigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit, könne er die Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG erheben, bei Bedarf komme der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht (vgl. BGH a.a.O. m. w. N.). Den Vollzug des von den Wohnungseigentümern gefassten bzw. nach § 21 Abs. 8 WEG durch gerichtliches Gestaltungsurteil herbeigeführten Beschlusses könne der einzelne Wohnungseigentümer von dem Verwalter als dem gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG zuständige Vollzugsorgan verlangen (vgl. BGH a.a.O. m. w. N.).
Selbst im Falle der nur irrtümlichen Instandsetzung von Gemeinschaftseigentum besteht nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH a.a.O.) kein Ersatzanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft, da ein Ausgleich nach den allgemeinen Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer zuwider läuft. Zwar müssten Wohnungseigentümer stets damit rechnen, dass es durch Mängel des Gemeinschaftseigentums zu unvorhersehbaren Ausgaben kommt, für die sie einzustehen haben (vgl.BGH a.a.O. m. w. N.). Sie müssten ihre private Finanzplanung aber nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen werden. Eine solche Ausgleichspflicht könne die Wohnungseigentümer auch zur Unzeit treffen, etwa weil sie eine andere kostenintensive Maßnahmen beschlossen oder durchgeführt hätten, die sie bei Kenntnis eines bestehenden Erstattungsanspruchs zurückgestellt hätten. Schwierigkeiten entstünden auch bei einem zwischenzeitlichen Verkauf von Wohnungen. Könnte ein Wohnungseigentümer nachträglich Ausgleich für von ihm durchgeführte Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum verlangen, wäre für Käufer und Verkäufer nicht sicher bestimmbar, welche finanziellen Verpflichtungen aus einer bereits abgeschlossenen Maßnahme noch offen und ggf. von dem Käufer zu übernehmen seien. Hinzu komme, dass es in tatsächlicher Hinsicht häufig schwierig sei, irrtümliches Handeln von eigenmächtigem Vorgehen abzugrenzen; regelmäßig werde kaum feststellbar sein, ob der Wohnungseigentümer tatsächlich irrtümlich davon ausgegangen sei, ein eigenes Geschäft zu führen (vgl. BGH a.a.O. sowie MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 366).
Für den hier zu beurteilenden umgekehrten Fall, dass die Gemeinschaft ungefragt Gebäudeteile instand setzt, die ins Sondereigentum eines Wohnungseigentümers fallen, gelten für die Haftung des Sondereigentümers vergleichbare Überlegungen: Ein Bereicherungsanspruch steht der Gemeinschaft nur zu, wenn der Sondereigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG mit Rücksicht auf das Gemeinschaftseigentum oder auf das Sondereigentum anderer zu dieser Instandsetzungsmaßnahme verpflichtet war (vgl. MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 368 unter Verweis auf LG München I, ZWE 2016, 262.).
Dies war vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die Hebeanlage weder Auswirkungen auf das Gemeinschaftseigentum noch auf das Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer hat, sondern ausschließlich der Sondereigentumseinheit der Beklagten dient, und im Falle eines Defekts allein die Entsorgung von Abwasser aus der Einheit der Beklagten betroffen ist.
I. ü. unterliegt zwar der einzelne Sondereigentümer anders als die Wohnungseigentümergemeinschaft weder dem Wirtschaftlichkeits- noch dem Vorbefassungsgebot, dennoch ist die Interessenlage vergleichbar: Auch der Sondereigentümer hat bei der Durchführung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bzgl. des Ob und des Wie einen Gestaltungsspielraum und ist berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen, insbesondere wenn eine Sondereigentumseinheit im Eigentum mehrerer Miteigentümer steht.
Auch einem Sondereigentümer steht ein Gestaltungsspielraum dahingehend zu zu entscheiden, ob er eine Maßnahme isoliert oder zusammen mit anderen Arbeiten durchführen und welche Handwerker er beauftragen will.
Schließlich muss auch der einzelne Sondereigentümer seine private Finanzplanung nicht darauf einrichten, dass er im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die er keinen Einfluss nehmen konnte, herangezogen wird.
b) Gemeinschaftseigentum der WEG Selbst wenn es sich bei der Hebeanlage um Gemeinschaftseigentum der WEG handeln sollte, ist ein Schadensersatzanspruch der WEG unabhängig von der Frage, ob die irreparable Beschädigung der Hebeanlage wegen des fehlenden Fettabscheiders und/oder einer Entsorgung von Essensresten und Fetten durch ihre Mieter über die Abflüsse von den Beklagten gem. §§ 276, 278 BGB zu vertreten ist und damit unabhängig von der Frage, ob ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, jedenfalls der Höhe nach nicht gegeben, weil sich die WEG auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs einen Abzug „Neu für Alt“ anrechnen lassen muss, der einen Schadensersatzanspruch entfallen lässt.
Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann bei Schadensersatz wegen Beschädigung einer Sache der Gläubiger statt der Herstellung den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Wird – wie im vorliegenden Fall – eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt, kann dies zu einer für den Geschädigten sich wirtschaftlich günstig auswirkenden Werterhöhung führen, die sich der Geschädigte im Rahmen des Zumutbaren anrechnen lassen muss.
Dies ist hier der Fall: Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch den Einbau der neuen Hebeanlage eine messbare Vermögensvermehrung bei der WEG eingetreten, welche darin liegt, dass die unstreitig ca. 50 Jahre alte Hebeanlage durch eine neue ersetzt wurde, die eine deutlich längere Lebensdauer als die zum Schadenszeitpunkt bereits 50 Jahre alte ausgetauschte Hebeanlage hat. Insbesondere ist bei einer neuen Hebeanlage mit geringeren Reparaturaufwendungen zu rechnen. Diese Vorteile sind werterhöhend zu berücksichtigen.
Aufgrund der längeren Lebensdauer und der Ersparnis von Reparaturaufwendungen wirkt sich die Werterhöhung für die WEG auch wirtschaftlich günstig aus. Hinsichtlich einer Unzumutbarkeit der Vorteilsausgleichung ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich. Vielmehr hat die Klägerin pauschal die Auffassung vertreten, ein Vorteilsausgleich „Neu für Alt“ komme nicht in Betracht.
Da die defekte Hebeanlage zum Zeitpunkt des Schadenseintritts bereits 50 Jahre alt war und damit ihre voraussichtliche Lebensdauer bereits abgelaufen war, hatte sie zum Zeitpunkt des Schadens einen Zeitwert von 0,00 €, so dass sich die WEG einen Abzug „Neu für Alt“ in voller Höhe anrechnen lassen muss.
7. Betragsmäßig ausscheidbare Mehrkosten im Zusammenhang mit dem Austausch der Hebeanlge aufgrund unsachgemäßer Bedienung der Hebeanlage hat die Klägerin weder dargetan, noch sind solche ersichtlich, so dass die Klage auch diesbezüglich unbegründet ist.
8. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, den Mitgliedern der WEG stünde es unter Anwedung von § 16 Abs. 4 WEG frei, die Kosten für die Hebeanlage ungeachtet eines Schadensersatzanspruchs und selbst wenn es sich bei der Hebeanlage um Gemeinschaftseigentum handeln sollte, nach Verursachung allein auf die Beklagten zu verteilen, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin gerade nicht, dass ein derartiger Beschluss tatsächlich gefasst wurde. Die hypothetische Möglichkeit einer Beschlussfassung stellt jedoch keine taugliche Anspruchsgrundlage dar.
I. ü. hätte bei entsprechender Beschlussfassung ein Ausgleich im Rahmen der Jahresabrechnung zu erfolgen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gem. § 49 a GKG in der bis 30.11.2020 geltenden Fassung unter Zugrundelegung der geltend gemachten Forderung.


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