Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Keine Sonderumlage für bauliche Veränderungen zu Lasten des kostenbefreiten Wohnungseigentümers

Aktenzeichen  14 C 1794/16

Datum:
20.6.2017
Fundstelle:
ZMR – 2017, 841
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG WEG § 14 Nr. 1, § 16 Abs. 6, § 22 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die wegen der Änderung einer Grundstückszufahrt vorgenommene Zaunerweiterung und Absenkung des Gehwegs sind bauliche Veränderungen iSd § 22 Abs. 1 WEG. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Miteigentümer, der wegen § 16 Abs. 6 S. 1 Hs. 2 WEG von vorneherein nicht verpflichtet ist anteilige Kosten einer baulichen Veränderung zu tragen, kann auch nicht im Rahmen einer Sonderumlage zur Finanzierung der Maßnhame herangezogen werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung der WEG …, vom 15.09.2016 in TOP C wird im Hinblick auf die Kostenverteilung der Sonderumlage nach Miteigentumsanteilen für unwirksam erklärt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/2 und die Beklagte 1/2 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind nur zum Teil begründet.
Der Beschluss unter TOP C der Eigentümerversammlung vom 15.9.2016 gliedert sich richtigerweise in zwei Teile. Im ersten Teil wurde beschlossen, dass der Verwalter beauftragt und bevollmächtigt wurde, namens der Gemeinschaft der Firma … den Auftrag zur Zaunerweiterung zu erteilen. Der zweite Teil des Beschlusses bezieht sich auf die Kostenverteilung. Darin ist geregelt, dass die Kosten in der Gesamthöhe von 7.500 € brutto über eine Sonderumlage in dieser Höhe finanziert werden, die nach Miteigentumsanteilen zu verteilen ist und mit Abruf durch den Verwalter zur Zahlung fällig wird.
Entscheidend für den Prozessgegenstand ist das, was im Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage Gegenstand der Klage war. Maßgeblich ist dabei der Umfang der Beschlussanfechtung in der Klageschrift. Etwaige in der Klagebegründung nachträglich vorgenommene Beschränkungen vermögen daran nichts mehr zu ändern (LG München I vom 10.6.2014 – 36 T 8846/14). Der Klageantrag vom 11.10.2016 ist ausdrücklich darauf gerichtet, den Beschluss unter TOP C insgesamt für unwirksam zu erklären. Aber selbst nach Vorlage des Protokolls ist nach dem Schriftsatz des Klägers vom 14.11.2016 immer noch davon auszugehen, dass sich die Klage gegen den gesamten Beschluss unter TOP C der Eigentümerversammlung vom 15.9.2016 richtet. Der Kläger zitiert in diesem Schriftsatz den Beschluss sowohl betreffend den Auftrag zur Zaunerweiterung als auch betreffend die Sonderumlage und schreibt sodann, dass sich die Klage gegen diesen rechtswidrigen Beschluss richtet. Erst auf Hinweis der Beklagten wird der Antrag dann konkretisiert und auf den Sonderumlagenbeschluss beschränkt. Es ist unstreitig, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 15.9.2016 noch nicht vorlag, er den Wortlaut des Beschlusses nicht in der vom Verwalter zu führenden Beschlusssammlung hätte einsehen können. Die Aktualisierung der Beschlusssammlung fand erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist statt. Irrelevant ist auch, dass bereits in der Einladung zur Eigentümerversammlung keine Hinweise zu den Finanzierungsmodalitäten erteilt wurden. Der Kläger nahm an der Eigentümerversammlung teil und hatte somit Kenntnis davon, dass unter TOP C zum einen die Auftragserteilung zur Zaunerweiterung, zum anderen die Sonderumlage beschlossen wurde. Er hätte daher aufgrund der Teilnahme in der Eigentümerversammlung die Möglichkeit gehabt, von Anfang an den Beschluss gezielt betreffend die Sonderumlage anzufechten. Eine Konkretisierung des Klageantrags war daher nicht möglich. Mangels ausdrücklicher Klagerücknahme führt dies zur Unbegründetheit des Teils der Klage, auf die sich der Kläger argumentativ nicht mehr stützen will.
Soweit die Kosten für die Absenkung des Gehwegs und die Zaunerweiterung in der Gesamthöhe von 7.500 € über eine Sonderumlage in dieser Höhe finanziert werden und beschlossen wurde, diese nach Miteigentumsanteilen zu verteilen und mit Abruf durch den Verwalter zur Zahlung fällig zu stellen, war der Beschluss allerdings unwirksam und infolge dessen aufzuheben.
Die Zaunerweiterung und die Absendung des Gehwegs stellen eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG dar, da sie über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Da durch diese bauliche Veränderung die Rechte des Klägers über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maße hinaus beeinträchtigt werden, wäre nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG die Zustimmung des Klägers erforderlich gewesen. Die fehlende Zustimmung des Klägers führt nach § 16 Abs. 6 WEG dazu, dass er nicht verpflichtet ist, Kosten, die durch eine solche Maßnahme verursacht werden, zu tragen, wenn er gleichzeitig auch keine Nutzung aus der geplanten baulichen Veränderung zieht. Da durch die geänderte Zufahrt zum Grundstück von Südosten her das Erreichen der Garage des Klägers erheblich erschwert wird, ist nicht davon auszugehen, dass die bauliche Veränderung für den Kläger von Vorteil ist. Daher ist er nach § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG nicht verpflichtet, Kosten für diese bauliche Veränderung zu tragen. Richtigerweise enthält der Sonderumlagenbeschluss zwar keine abschließende Regelung über die Kostenverteilung. Er dient vielmehr ausdrücklich ausschließlich der Finanzierung der bestandskräftig beschlossenen Maßnahmen. Eine endgültige Kostenverteilung wird erst in der Jahreseinzelabrechnung des Jahres vorgenommen. Der Beschluss über die Sonderumlage stellt so eine Abänderung des Wirtschaftsplans dar (vgl. auch Bärmann, WEG, 13. Auflage § 28 Rn. 35). Die Änderung des Wirtschaftsplans zum Zweck der Begründung weiterer Zahlungsverpflichtung wird als Sonderumlage bezeichnet (vgl. auch Bärmann, WEG a.a.O. Rn. 41). Die aufgrund der Sonderumlage vereinnahmten Beträge und getätigten Ausgaben sind später in der Jahresabrechnung abzurechnen. Dabei muss die Erhebung einer Sonderumlage dem Grunde und der Höhe nach ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (Bärmann, WEG, 13. Auflage, § 28 Rn. 41).
Die Tatsache, dass ein Sonderumlagenbeschluss keine endgültige Kostenverteilung regelt, führt aber nach Überzeugung des Gerichts nicht dazu, dass ein Eigentümer an der Sonderumlage zu beteiligen ist, der wegen § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG von vornherein nicht verpflichtet ist, anteilige Kosten zu tragen. Die Tatsache, dass ein Miteigentümer von vornherein an den Kosten nicht zu beteiligen ist, ist davon zu trennen, dass die endgültige Kostenverteilung erst nach Durchführung der Maßnahme und damit in der Jahreseinzelabrechnung durchgeführt wird. Anderenfalls wäre ein Miteigentümer verpflichtet, Kosten für eine Maßnahme vorzuschießen, an denen er von vornherein erkennbar nicht zu beteiligen ist.
Das Urteil des BGH vom 11.11.2011 – V ZR65/2011 (LG München I), ist auf den vorliegenden Fall nicht ohne Einschränkungen übertragbar. Im Unterschied zum vorliegenden Fall war im zitierten vom BGH zu entscheidenden Fall der Beschluss betreffend die Sonderumlage bereits rechtskräftig. Da der Beschluss über die Sonderumlage keine abschließende Regelung der Kostenverteilung enthielt, konnte der Kläger noch erfolgreich gegen die Jahreseinzelabrechnung vorgehen.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass sich der Kläger schon von vornherein darauf verweisen lassen muss, gegebenenfalls erst gegen die Jahreseinzelabrechnung vorgehen zu können, wenn ihm, wie hier, noch die Möglichkeit offen steht, bereits den Sonderumlagenbeschluss anzufechten. Kann die Kostenfreistellung für einen Miteigentümer gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG nämlich bereits im Sonderumlagenbeschluss erfolgen, so ist auch bereits dort klarzustellen, dass ein Miteigentümer an den Kosten überhaupt nicht zu beteiligen ist. Es wäre unbillig, ihn mit dieser Thematik auf die Jahresabrechnung zu verweisen. Damit wäre im Sonderumlagenbeschluss bereits klarzustellen gewesen, dass die Höhe der Sonderumlage nach Miteigentumsanteilen mit Ausnahme des Klägers zu verteilen ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert war nach § 49 a Abs. 1 ZPO auf insgesamt 7.500 €, 3.750 € für die Auftragserteilung zur Zaunerweiterung und 3.750 € betreffend die Kostenverteilung festzusetzen.


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