Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Öffentliche Zustellung, Kostenfestsetzungsbeschluß, Sofortige Beschwerde, Gesamtschuldner, Zustellungsadressat, Kostenentscheidung, Zustellungsbevollmächtigter, Teilversäumnisurteil, Schriftsätze, Rechtliches Gehör, Beschwerdeentscheidung, Zumutbarkeit, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Beschwerdeverfahren, Kosten des Rechtsstreits, Beschlüsse des Amtsgerichts, Aufhebung, Zustellungsempfänger, Amtsgerichte, Vermieter

Aktenzeichen  11 T 120/20

Datum:
28.10.2020
Fundstelle:
GE – 2020, 1630
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

3 C 107/19 2020-08-26 Bes AGSCHWEINFURT AG Schweinfurt

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26.08.2020 aufgehoben.
Die zur öffentlichen Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Schweinfurt vom 14.11.2019 gegen den Beklagten zu 2 erforderlichen Anordnungen werden dem Amtsgericht Schweinfurt übertragen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Schweinfurt hat nach vorangegangenem Teil-Versäumnisurteil vom 18.03.2019 mit Teil-Versäumnis- und Endurteil vom 27.08.2019 den Beklagten zu 2 zur Räumung und Herausgabe einer von der Klägerin angemieteten Wohnung verurteilt und den Beklagten als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.11.2019 hat das Amtsgericht Schweinfurt die vom Beklagten zu 1 und Beklagten zu 2 als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 1.110,83 € festgesetzt.
Die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an den Beklagten zu 2 war nicht möglich, auch nicht unter der von der Klägerin auf Anfrage mitgeteilten Anschrift 11, Schweinfurt. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 21.04.2020 die öffentliche Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses beantragt und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte zu 2 sei gemäß Auskunft der Stadt Schweinfurt vom 15.04.2020 immer noch unter der Anschrift 11, Schweinfurt, gemeldet. Mit Schriftsatz vom 06.07.2020 teilte die Klägerin ergänzend mit, die Sachbearbeiterin der Klägerin habe vor Ort die Wohnungsadresse überprüft, ein Briefkastenschild habe nicht aufgefunden werden können, auch eine Internetrecherche sei ergebnislos geblieben.
Mit Beschluss vom 26.08.2020, der Klägerin zugestellt am 09.09.2020, hat das Amtsgericht Schweinfurt den Antrag der Klägerin auf öffentliche Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an den Beklagten zu 2 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe trotz gerichtlicher Aufforderung nicht dargetan, dass Nachfragen bei Nachbarn oder dem weiteren Beklagten erfolglos geblieben sind.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 10.09.2020, bei Gericht eingegangen am 11.09.2020, sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.08.2020 eingelegt, und darauf verwiesen, dass bei identischem Sachverhalt durch das Amtsgericht Schweinfurt in anderen Verfahren ohne Probleme die öffentliche Zustellung angeordnet worden sei.
Das Amtsgericht Schweinfurt hat mit Beschluss vom 14.09.2020 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Im Beschwerdeverfahren hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 06.10.2020 ergänzend vorgetragen, den Beklagten zu 1 bezüglich der Anschrift des Beklagten zu 2 angeschrieben zu haben, es sei aber keine Antwort erfolgt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26.08.2020 ist zulässig und begründet. Die öffentliche Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 14.11.2019 gegen den Beklagten zu 2 ist anzuordnen, da dessen Aufenthaltsort unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, § 185 Nr. 1 ZPO. Der angegriffene Beschluss ist daher aufzuheben, die zur öffentlichen Zustellung erforderlichen Anordnungen sind dem Amtsgericht zu übertragen, § 572 Abs. 3 ZPO.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 06.12.2012 – VII ZR 74/12) ist der Aufenthalt einer Person nur dann unbekannt i.d.S., wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt. Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs sind an die Feststellung, dass die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung vorliegen, im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen. Die begünstigte Partei muss alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anstellen, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln. Die vorgenommenen Nachforschungen und deren Ergebnis muss die begünstigte Partei gegenüber dem Gericht darlegen.
Beispielhaft für zumutbaren Nachforschungen in diesem Zusammenhang nennt der Bundesgerichtshof Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber, beim letzten Vermieter oder bei Hausgenossen und Verwandten des Zustellungsadressaten (BGH, Urteil vom 04.07.2012, XII ZR 94/10).
Die Klägerin hat jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die ihr nach diesen Maßstäben des Bundesgerichtshofs zuzumutenden Nachforschungen angestellt. Sie hat vorgetragen, die vom Einwohnermeldeamt mitgeteilte letzte Meldeanschrift des Beklagten zu 2 persönlich vor Ort überprüft zu haben, aber kein Klingelschild festgestellt zu haben. Weiterhin hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe den Beklagten zu 1, mit dem der Beklagte zu 2 in einer Wohnung zusammengelebt hatte, angeschrieben und sich nach der aktuellen Anschrift des Beklagten zu 2 erkundigt, aber keine Antwort erhalten.
Ansatzpunkte für weitere, der Klägerin zuzumutende Nachforschungsmöglichkeiten sind nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin den Arbeitgeber und/oder den letzten Vermieter des Beklagten zu 2 hätte ermitteln sollen. Hierbei ist auch stets auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Qualität der Beziehung zwischen den Parteien, abzustellen. Die Klägerin vermietet eine Vielzahl von Wohnungen im Raum Schweinfurt. Es liegt daher nahe, dass sie im Regelfall bezüglich der einzelnen Mieter über keine Informationen verfügt, die über deren Personalien hinausgehen.
III.
Eine Kostenentscheidung war mangels Beschwerdegegner nicht zu treffen.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, da die Entscheidung den Vorgaben des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung folgt, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO.


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