Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rechtmäßigkeit von Zwangsgeldern wegen der Zweckentfremdung von Wohnraum

Aktenzeichen  M 9 K 18.1655

Datum:
1.8.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23855
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZeS § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
VwGO § 43 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 2
VwZVG Art. 31, Art. 36

 

Leitsatz

1 Maßgeblich für die Feststellung einer Zweckentfremdung ist das jeweils zu Grunde liegende Nutzungskonzept (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 40297). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Aufgabe des Nutzungskonzepts gibt es verschiedene Optionen, so dass nicht automatisch und unabhängig vom Einzelfall die Abgabe einer Kündigungserklärung oder die Erhebung einer Räumungsklage ausreichend ist; entscheidend ist vielmehr, dass die Beendigung der Zweckentfremdung tatsächlich und innerhalb der gesetzten Frist erfolgt.  (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zur Beendigung der Zweckentfremdung als vollstreckungsrechtliche Unterlassungspflicht ist die Vornahme unselbständiger Teilhandlungen erforderlich, die ausreichend ernsthafte Anstrengungen zur Beendigung der Zweckentfremdung darstellen; die Beendigungsbemühungen müssen ernsthaft sein.  (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die gesetzten Fristen für den Eintritt der Fälligkeit von Zwangsgeldern sind nicht unverhältnismäßig.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Sowohl das erste Zwangsgeld i.H.v. EUR 2.600,- (nachfolgend 1.) als auch das zweite i.H.v. EUR 5.200,- (nachfolgend 2.) sind fällig geworden. Auch die weitere Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. EUR 10.400,-. war rechtmäßig (nachfolgend 3.). Schließlich hat der Kläger keinen Rückzahlungsanspruch in Bezug auf das bereits eingezogene Zwangsgeld i.H.v. EUR 2.600,- einschließlich der Gebühren i.H.v. EUR 222,22 (nachfolgend 4.).
1. Das in Nr. 3 des Bescheids vom 27. Juni 2017 angedrohte Zwangsgeld i.H.v. EUR 2.600,- ist fällig geworden, der Kläger war somit zur Zahlung verpflichtet. Die entsprechende Mitteilung der Beklagten vom 12. Dezember 2017 (Nr. I.) geht daher zu Recht von der Fälligkeit des Zwangsgelds aus.
Der Nichteintritt der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes hätte vorausgesetzt, dass die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Grundbescheids beendet wird, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG.
Das ist nicht der Fall. Der Kläger ist seiner Pflicht, die zweckfremde Nutzung in der Form der Überlassung der Wohnung an den Mieter Mohammed R. zu beenden, nicht nachgekommen. Der Kläger hat sogar nach eigenem Vortrag innerhalb des Zeitraums (drei Monate ab Zugang des Grundbescheids), in dem er die Erfüllung der Beendigung der Zweckentfremdung schuldet, weder gekündigt noch Klage erhoben, sondern erst danach.
Die Argumentation des Klägers, er habe bis dahin versucht, einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag mit dem Mieter zu schließen, lässt von vornherein kein taugliches Mittel zur Beendigung der zweckfremden Nutzung erkennen. Selbst unterstellt, dass die entsprechenden Angaben des Klägers der Wahrheit entsprechen, ist das vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Beendigung des rechtswidrigen Nutzungskonzepts untauglich. Denn insoweit steht fest, dass es nichts nützt, mit dem Mieter Mohammed R. einvernehmliche Lösungen zu suchen; aus vielen Entscheidungen geht nämlich hervor, dass Mohammed R. die Zweckentfremdung professionell betreibt und die Zwischenschaltung dieser Person zwischen Eigentümer und den letztlichen Nutzern dazu dient, auf eine Verzögerung bzw. ein Erschweren des Zugriffs oder der Nichtbeendigung der Überlassung hinzuarbeiten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.5.2017 12 ZB 17.571 – Entscheidungsabdruck Rn. 10; VG München, U.v. 22.2.2017 – M 9 K 16.4276). Daher kann die Behauptung, dass der Kläger versucht habe, durch eine, noch dazu nicht belegte, einvernehmliche Einigung mit Mohammed R. die Zweckentfremdung zu beenden, von vorneherein nicht dazu dienen, der Erfüllung seiner Pflicht aus dem Grundbescheid nachzukommen.
Im Übrigen folgt bereits aus dem rechtskräftigen Beschluss des Gerichts vom 26. Februar 2018 im Verfahren Az. M 9 E 18.59, dass die Fälligstellung der o.g. Summe keinen Bedenken begegnet. Neue Gesichtspunkte, welche die dort gezogene Schlussfolgerung in Frage stellen, gibt es nicht.
2. Das im Bescheid vom 12. Dezember 2017 unter Nr. II angedrohte Zwangsgeld i.H.v. EUR 5.200,- ist ebenfalls fällig geworden, der Kläger war somit zur Zahlung verpflichtet. Die entsprechende Mitteilung der Beklagten vom 26. März 2018 (Nr. I) geht zu Recht von der Fälligkeit des Zwangsgelds aus.
Der Kläger hat die geschuldete Pflicht aus der Verfügung unter Nr. 1 des Grundbescheids, nämlich die Beendigung der Zweckentfremdung, bis zum Eintritt der Fälligkeit des angedrohten höheren Zwangsgeldes, d.h. vier Wochen ab Zustellung der zweiten Zwangsgeldandrohung (Nr. II des Bescheids vom 12. Dezember 2017), nicht bewirkt. Vielmehr wurde die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung erst im Rahmen der Rückgabe der Wohnung zum 31. Mai 2018 beendet. Die vorher vom Kläger geltend gemachten Aktivitäten genügen dagegen nicht zur Erfüllung seiner Pflicht.
Maßgeblich für die Feststellung einer Zweckentfremdung ist das jeweils zu Grunde liegende Nutzungskonzept (vgl. nur BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris Rn. 5 m.w.N.), dementsprechend ist die hier dem Kläger bestandskräftig auferlegte Pflicht, die Zweckentfremdung zu beenden, dann erfüllt, wenn er sein Nutzungskonzept, das hier in der Überlassung an den professionell vorgehenden Mohammed R. besteht, aufgegeben hat. Zur Aufgabe des Nutzungskonzepts gibt es verschiedene Optionen (BayVGH, B.v. 10.7.2018 – 12 ZB 18.211, Entscheidungsabdruck Rn. 14), insoweit ist beispielsweise nicht automatisch und unabhängig vom Einzelfall die Abgabe einer Kündigungserklärung oder die Erhebung einer Räumungsklage ausreichend.
Entscheidend ist vielmehr, dass die Beendigung der Zweckentfremdung tatsächlich und innerhalb der gesetzten Frist erfolgt. Denn der Kläger ist aus dem Grundbescheid rechtlich ohnehin verpflichtet, die Zweckentfremdung (nach Ablauf der Frist aus der jeweiligen Zwangsgeldandrohung) zu unterlassen, er schuldet also den „Erfolg“ der Beendigung bzw. Unterlassung der Zweckentfremdung nach Fristablauf. Der Fristablauf war bei Fälligstellung eingetreten, die Zweckentfremdung war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet, weil zum Zeitpunkt der Fälligstellung des zweiten Zwangsgelds immer noch der Mieter Mohammed R. Verfügungsberechtigter der Wohnung war und die Zweckentfremdung somit zu diesem Zeitpunkt noch fortbestand. Die gesetzten Fristen von zunächst drei Monaten (Nr. III des Grundbescheids) und vier Wochen (Nr. II der erneuten Zwangsgeldandrohung vom 12. Dezember 2017) sind auch nicht unverhältnismäßig (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672 – Entscheidungsabdruck Rn. 8), abgesehen davon, dass es hierauf wegen der Bestandskraft der entsprechenden Nr. II des Bescheids vom 12. Dezember 2017 nicht mehr ankommt.
Zwar hat der Kläger nach dem Ergehen der zweiten Zwangsgeldandrohung seinem Mieter gekündigt und Räumungsklage erhoben. Allerdings reicht das hier nicht aus, um die Pflicht aus dem Grundbescheid zu erfüllen. Denn zur Beendigung der Zweckentfremdung als vollstreckungsrechtliche Unterlassungspflicht (z.B. BayVGH, B.v. 12.8.2017 – 12 C 17.1544 – juris Rn. 9) ist die Vornahme unselbständiger Teilhandlungen erforderlich, die ausreichend ernsthafte Anstrengungen (BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672 – Entscheidungsabdruck Rn. 8) zur Beendigung der Zweckentfremdung darstellen. Solche liegen hier bis zum Fälligwerden des Zwangsgelds am 26. März 2018 aber nicht vor.
Die Kündigung und die Erhebung einer Räumungsklage ist im Falle eines Geschäftspartners wie hier des Mieters Mohammed R. generell ungeeignet, da dieser die Zweckentfremdung professionell betreibt und die Zwischenschaltung dieses Mieters dazu dient, auf eine Verzögerung bzw. ein Erschweren des Zugriffs oder der Nichtbeendigung der Überlassung hinzuarbeiten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 8.5.2017 12 ZB 17.571 – Entscheidungsabdruck Rn. 10; VG München, U.v. 22.2.2017 – M 9 K 16.4276).
Unabhängig davon geht die Beklagte zu Recht davon aus, dass die konkrete, vom Kläger erhobene Räumungsklage „defizitär“ ist, d.h. dass diese tatsächlich nicht geeignet ist, die fortgesetzte Zweckentfremdung zu beenden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs müssen die Beendigungsbemühungen des Zweckentfremders ernsthaft sein (BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672 – Entscheidungsabdruck Rn. 8). Das ist die erhobene Räumungsklage (und die ihr vorausgehende Kündigung) nicht. Aus der Begründung der Klage an das Amtsgericht, die der Kläger vorgelegt hat, und aus der von der Beklagten vorgelegten Streitverkündigungsschrift des Klägers geht hervor, dass als Grund bzw. Anlass für die Kündigung lediglich geschildert wird, dass der Kläger kündigt, weil das die Beklagte von ihm verlangt, nicht aber, weil er wirklich kündigen will. Zudem fehlen in der Klageschrift sämtliche Ausführungen dazu, aus welchen (zivil-) rechtlichen Gründen heraus der Kläger wirksam gekündigt und einen Herausgabeanspruch hat. Letzteres wäre aber Voraussetzung für eine ernsthafte Anstrengung des Pflichtigen. Außerdem hat der zuständige Amtsrichter mittlerweile einen Hinweisbeschluss erlassen, dass es sich erstens nicht um einen Mietvertrag über Wohnraum handelt und zweitens deswegen ein Scheingeschäft, § 117 BGB, vorliegt. Auch das belegt die fehlende Ernstlichkeit des ganzen Rechtsgeschäfts. Schließlich liegt zum 31. Mai 2018 die Rückgabe durch den Mieter Mohammed R. vor, was ebenfalls zeigt, dass die Erhebung der (immer noch laufenden) Räumungsklage nicht kausal ist für die geschuldete Beendigung der Zweckentfremdung.
Schließlich hat die Beklagte auch ihre Auskunftspflicht, Art. 25 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, nicht verletzt. Auf den in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis wird Bezug genommen. Darüber hinaus ist die Erteilung einer Auskunft nicht erforderlich im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die obigen Nachweise) hat der Kläger gerade ein Wahlrecht, wie er sich von seiner zweckfremden Nutzung löst. Dieses Wahlrecht kann ihm die Beklagte nicht abnehmen.
3. Die erneute Zwangsgeldandrohung, Nr. II des Bescheids vom 26. März 2018, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 18f. VwZVG, waren durchgehend bis zur mündlichen Verhandlung gegeben. Die Grundverfügung ist auf ein Unterlassen (Nutzungsuntersagung) gerichtet, Art. 18 Abs. 1 VwZVG, außerdem ist sie bestandskräftig, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG.
Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 31, 36 VwZVG, lagen vor. Das Zwangsgeld wurde in bestimmter Höhe angedroht, Art. 36 Abs. 5 VwzVG, die Beträge hielten sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Mit der erneuten Androhung wurde zugewartet, bis feststand, dass die vorausgegangene Androhung erfolglos geblieben war, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG. „Erfolglos“ bedeutet dabei nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das zunächst festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben oder zumindest ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist. Die Behörde muss vielmehr nur abwarten, dass das zunächst angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (statt aller BayVGH, B.v. 7.6.2016 – 12 ZB 16.874 – Umdruck; VG München, B.v. 30.5.2016 – M 9 S 16.1261 – juris; U.v. 24.2.2016 – M 9 K 15.3083 – juris). Eine etwaige Begleichung des Betrags würde nichts mehr daran ändern, da die Zahlung eines Zwangsgeldes so lange nicht zum „Erfolg“ einer Zwangsgeldandrohung führt, wie der (Grund-) Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen wird. Die Höhe des Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Die Verdoppelung des Betrags entspricht der üblichen Verwaltungspraxis und ist angemessen (statt aller VG München, B.v. 30.5.2016 – M 9 S 16.1261 – juris; U.v. 13.5.2013 – M 8 K 12.2500 – juris). Die Behörde darf Zwangsmittel so lange und so oft anwenden, bis die Verpflichtung erfüllt wird, vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG.
Dass dieses Zwangsgeld wegen der Rückgabe der Wohnung zum 31. Mai 2018 nicht mehr fällig werden wird, ist für die Rechtmäßigkeit der Androhung ohne Belang.
4. Schließlich ist auch der geltend gemachte Rückzahlungsantrag hinsichtlich der bereits von der Beklagten eingezogenen EUR 2.600,- samt EUR 222,22 an Gebühren unbegründet.
Unabhängig davon, ob § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO analog auf die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO anwendbar ist, ist der Antrag jedenfalls unbegründet, weil die Einziehung der ersten EUR 2.600,- samt Gebühren dafür zulässig gewesen ist (vgl. die Ausführungen oben unter 1. sowie den Beschluss des Gerichts vom 26. Februar 2018 im Verfahren Az. M 9 E 18.59), so dass ein Erstattungsanspruch aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 VwZVG unter keinem Gesichtspunkt besteht.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.


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