Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Aktenzeichen  36 S 2639/20

Datum:
12.8.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46994
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 10 Abs. 6

 

Leitsatz

1. Zwar hat das am 1.12.2020 in Kraft getretene WEMoG die gekorene Ausübungsbefugnis des § 10 Abs. 6 S. 3 WEG aF, auf deren Grundlage Mängelrechte aus Bauträgerverträgen per Beschlussfassung vergemeinschaftet werden konnten, gestrichen. Soweit die Auffassung vertreten wird, dass entsprechende Vergemeinschaftungsbeschlüsse mit Inkrafttreten des WEMoG ihre Wirkung im Außenverhältnis verlieren, kann dem nicht gefolgt werden, weil nach der Gesetzesbegründung das WEMoG die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht – und damit auch die Möglichkeit der Vergemeinschaftung von primären Mängelrechten – gerade unberührt lässt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung dient. Es entfällt deshalb nur ausnahmsweise – auch bei Beschlussvollzug-, wenn ein Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft keinen Nutzen mehr bringen kann und Auswirkungen der Beschlussanfechtung auf Folgeprozesse der Eigentümer untereinander, gegen den Verwalter oder gegen Dritte sicher ausgeschlossen werden können. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

483 C 9324/19 2020-01-30 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung der Kläger zu 2) und 3) gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 30.01.2020, Az. 483 C 9324/19 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger zu 2) und 3) haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. ()
II.
Die Berufung wurde gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht und unter Beachtung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt. Das Rechtsmittel wurde ausschließlich von den Klägern zu 2) und 3) eingelegt; diese sind trotz notwendiger Streitgenossenschaft gemäß § 62 1. Alt. ZPO (LG Berlin, ZMR 2019, 975) rechtsmittelbefugt. Einlegen kann jeder Streitgenosse nur für seinen eigenen Prozess; nur diejenigen Streitgenossen, die das Rechtsmittel eingelegt haben, sind Rechtsmittelführer. Das Rechtsmittel wirkt indes für alle, indem es den Eintritt der Rechtskraft verhindert und erhält allen Streitgenossen die volle Parteistellung für das weitere Verfahren. (Thomas/Putzo, ZPO, 42. Auflage, § 62, Rdnr. 24) Entsprechend wurde die Klägerin zu 1) am Rechtsmittelverfahren beteiligt .Die Berufungssumme gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist erreicht. Bei den vom Gutachter … im selbständigen Beweisverfahren veranschlagten Kosten für die Nachrüstung der Heizung in Höhe von 23.675,05 € beträgt der Kostenanteil der Kläger zu 2) und 3) rund 700 €, wobei es diesen im übrigen darum geht, dass diese die beschlossenen Maßnahmen nicht für zielführend bzw. weitreichend genug halten. Dieses Interesse, welches wertmäßig schwer zu beziffern ist, übersteigt die Wertgrenze in Höhe von 600 € jedenfalls. Die Berufungsbegründung erfolgte ebenfalls form- und fristgerecht gemäß § 520 Abs. 3 ZPO. Gerügt werden diverse materielle Rechtsfehler (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) sowie Verfahrensverstöße (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO) in Gestalt einer unterlassenen Sachverhaltsaufklärung bzw. Beweisaufnahme.
Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall. Sämtliche Rügen der Kläger zu 2) und 3) haben keinen Erfolg; die Berufung ist unbegründet.
1. Die Klage, die sich gegen einen Vergemeinschaftungsbeschluss von Mängelrechten gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. richtet, ist zulässig.
1.1. Es handelt sich um eine Beschlussanfechtungsklage, für welche gemäß § 48 Abs. 5 WEG n.F. die Verfahrensvorschriften des dritten Teils des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung anzuwenden sind. Passivlegitimiert sind damit nach wie vor die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 44 Abs. 1 WEG a.F.
Die Beklagten wurden bereits erstinstanzlich ordnungsgemäß bezeichnet (wird ausgeführt)
1.2. Auch fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Zwar hat das am 1.12.2020 in Kraft getretene WEMoG die gekorene Ausübungsbefugnis des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F., auf deren Grundlage Mängelrechte aus Bauträgerverträgen per Beschlussfassung vergemeinschaftet werden konnten, gestrichen. Im Schrifttum wird daher die Auffassung vertreten, dass entsprechende Vergemeinschaftungsbeschlüsse gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. mit Inkrafttreten des WEMoG ihre Wirkung im Außenverhältnis verlieren (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rdnr. 251). Dieser Ansatz erscheint aus hiesiger Sicht problematisch. Nach der Gesetzesbegründung lässt das WEMoG die Rechtsprechung zum Bauträgervertragsrecht – und damit doch auch die Möglichkeit der Vergemeinschaftung von primären Mängelrechten – gerade unberührt. Dies wird damit begründet dass diese Rechtsprechung nicht auf dem – nunmehr gestrichenen – § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. beruht, sondern bereits zur Rechtslage vor der WEG-Novelle 2007 auf der Grundlage eines vertragsrechtlichen bzw. bauträgervertragsrechtlichen Ansatzes entwickelt wurde, wonach die diesbezügliche Einschränkung des Erwerbers in der Ausübung seiner Rechte dem jeweiligen Vertrag immanent ist (BGH, ZWE 2008, 300 ff.; Wenzel NJW 2007, 1905, 1907; Lehmann-Richter/Wobst, a.a.0., Rdnr. 141; dazu kritisch Dötsch/Schultzky/Zschieschak, S. 91).
Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Prüfungsmaßstab im vorliegenden Anfechtungsverfahren ist, ob der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. In diesem Sinne ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen ist, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung dient. Es entfällt deshalb nur ausnahmsweise – auch bei Beschlussvollzug-, wenn ein Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft keinen Nutzen mehr bringen kann und Auswirkungen der Beschlussanfechtung auf Folgeprozesse der Eigentümer untereinander, gegen den Verwalter oder gegen Dritte sicher ausgeschlossen werden können (BGH, NJW 2020, 988 ff.; BGH, ZMR 2012, 796 ff.). Dies kann hier nicht angenommen werden; etwaige Folgewirkungen aus diesem Beschluss – auch auf einer Sekundärebene – können nicht ausgeschlossen werden. Bei Erfolg der Beschlussanfechtungsklage würde im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander als Folge der materiellen Rechtskraft feststehen, dass der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen hat. Umgekehrt würde ein bestandskräftiger Beschluss in etwaigen Folgeprozessen den Einwand ausschließen, die Beschlussfassung habe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen (BGH, ZflR 2011, 567 ff.; BGH, ZMR 2012, 796 ff.).
2. Die Klage ist in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet (wird ausgeführt)


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