Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Revision, Anfechtungsklage, Widerspruchsbescheid, Bescheid, Mieter, Beitragspflicht, Zulassungsverfahren, Gemeinde, Hinterlegung, Wohnung, Mietvertrag, Festsetzungsbescheid, Kostenentscheidung, Festsetzung, Kosten des Berufungsverfahrens, Inhaber einer Wohnung

Aktenzeichen  7 B 21.783

Datum:
17.5.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12550
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 2 Abs. 1 und 2
RBStV § 8 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 4
VwGO § 154 Abs. 1
VwGO § 155 Abs. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 26 K 18.557 2019-04-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. April 2019 werden der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. März 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2017 aufgehoben.     
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger, die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagte.      
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 30. April 2021 und vom 5. Mai 2021 ihr Einverständnis damit erklärt.
A. Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 keine Rundfunkbeitragspflicht des Klägers im privaten Bereich für die Wohnung M …  in … R … Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher abzuändern und der Bescheid vom 4. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.Dezember 2017 aufzuheben.
Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV wird als Inhaber jede Person vermutet, die 1. dort nach dem Melderecht gemeldet oder 2. im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist. Aus den vom Kläger im Zulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Voraussetzungen für seine Beitragspflicht im privaten Bereich im Hinblick auf die Wohnung M …  in … R … nicht vorlagen, weil er dort im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2015 weder gewohnt hat noch gemeldet war. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen wohnt der Kläger seit 1. Januar 2012 in der F …str.  in … A … … … Laut Vertrag zwischen Herrn H. G. und dem Kläger vom 7. Februar 1998 ist der Mietvertrag für das Anwesen M …  in … R … zum 31. März 1998 aufgehoben worden. Mit Datum 29. April 2019 bestätigte die Verwaltungsgemeinschaft H … im Landkreis M … … … folgende Wohnungen des Klägers in der gleichnamigen Gemeinde sowie dessen Meldung dort: Der Kläger sei am 31. März 1998 von M …  in … R … in die G …str. … in … H … gezogen und von dort am 1. Februar 2006 in die F …str.  in … A … … … Laut Meldebescheinigung der Gemeinde A … … … vom 2. Dezember 2013 ist er am 1. Januar 2012 in die F …str.  in … A … … … umgezogen und ist dort mit alleiniger Wohnung gemeldet.
Die durch die Melderegisterauskunft der Stadt W … vom 30. Oktober 2017 entstandene Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV ist durch die vom Kläger vorgelegten Auskünfte widerlegt und kann keine Rundfunkbeitragspflicht des Klägers im privaten Bereich nach § 2 Abs. 1 RBStV im Hinblick auf die Wohnung M …  in … R … begründen.
B. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO. Nach dieser Bestimmung können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Grundsätzlich hat der unterliegende Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenregelung zulasten eines Beteiligten wegen Verschuldens nach § 155 Abs. 4 VwGO geht als Spezialregelung derjenigen des § 154 Abs. 1 VwGO vor (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 CE 16.1333 – BayVBl 2017, 565). Die Regelung kann nicht nur die ausscheidbaren Mehrkosten für einzelne Prozesshandlungen erfassen, sondern die gesamten Prozesskosten, wenn durch ein schuldhaftes vorprozessuales Verhalten die Erhebung eines an sich vermeidbaren Rechtsschutzbegehrens verursacht wurde. Ein Verschulden eines Beteiligten im Sinn des § 155 Abs. 4 VwGO liegt vor, wenn dieser unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst hat, die nicht erforderliche Kosten verursacht haben. Der Kläger hat dadurch, dass er vorprozessual trotz entsprechender Aufforderungen des Beklagten seiner Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 4 RBStV nicht nachgekommen ist und auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seine für die Rundfunkbeitragspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Wohnungsadresse nicht angegeben hat, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens schuldhaft ausgelöst. Der Senat hält es deshalb für ein Gebot der Billigkeit und damit ermessensgerecht, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Hätte dieser, wie es der ihm obliegenden Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV entspricht, seine Wohnungsadresse an den Beklagten gemeldet, wäre der erstinstanzliche Prozess vermeidbar gewesen. Hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens bleibt es bei der gesetzlichen Kostentragungspflicht des Beklagten als unterlegener Partei nach § 154 Abs. 1 VwGO, weil er es in der Hand gehabt hätte, nach Vorlage der entsprechenden Unterlagen durch den Kläger im Rahmen des Antrags auf Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 4 VwGO) dessen Klage abzuhelfen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
C. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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