Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Ungültiger Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer über Vermietung von Gemeinschaftsfreiflächen zur Terrassenerrichtung

Aktenzeichen  10 C 444/17 WEG

Datum:
26.10.2017
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG WEG § 13 Abs. 2, § 14, § 15

 

Leitsatz

Ein Mehrheitsbeschluss über die Vermietung von Gemeinschaftsfreiflächen für die Dauer von 15 Jahren an einen Eigentümer, der dort überdachte offene Terrassenplätze für seine in Gewerbeeinheiten umzubauende Wohnungen errichten möchte, ist trotz Rückbauklausel wegen erheblichen Nachteils nach § 14 Nr. 1, § 15 und § 22 WEG unwirksam. (Rn. 21 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 30.03.2017 zu Tagesordnungspunkt 12 wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 3.113,50 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Beschluss war für ungültig zu erklären.
Die Freiflächen, die aufgrund des angefochtenen Eigentümerbeschlusses an Wohnungseigentümer vermietet werden sollen, stehen im gemeinschaftlichen Eigentum.
Zu ihrem Mitgebrauch ist jeder Wohnungseigentümer gemäß § 13 Absatz II 1 WEG nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt. Das Recht eines Miteigentümers, gemeinschaftliches Eigentum zu benutzen, kann zwar nicht durch Mehrheitsbeschluss völlig ausgeschlossen werden. Die Wohnungseigentümer können aber, soweit keine Vereinbarung entgegensteht, durch Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsmäßigen Gebrauch beschließen (§ 15 Absatz II WEG).
Ein ordnungsmäßiger Gebrauch im Sinn des § 15 Absatz II WEG kann auch in der Vermietung von in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Kellerräumen bestehen, wenn keiner der Wohnungseigentümer einen Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG erleidet (BayObLG, Beschluß vom 14.10.1999 – 2Z BR 108/99).
Als Grenze der nach § 14 Nr. 1 WEG hinzunehmenden Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer ist das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß an Rücksichtnahme anzusetzen. Bei der Bewertung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG ist eine Interessenabwägung vorzunehmen bei der insbesondere auch die grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer zu berücksichtigen sind.
Hierbei war auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass im Falle einer – noch nicht vorgenommenen – Umwidmung der betroffenen Ladenlokale das Vorhandesein von Terassen die Vermietbarkeit und den zu erzielenden Mietzins erhöhen wird. Auf der anderen Seite war zu berücksichtigen, dass es sich um eine Vermietung für die Dauer von 15 Jahren handelt. Der Vertrag soll lediglich außerordentlich kündbar sein.
Es wurde zwar eine Rückbauklausel vereinbart. Allerdings soll die Umwidmung in Wohnfläche nicht zeitlich begrenzt sein. Es ist daher abzusehen, dass nach Ende der vereinbarten Mietzeit das Bedürfnis der Verlängerung des Mietvertrags besteht.
Bei einer baulichen Umgestaltung für die Dauer von 15 Jahren erscheint auch eine auf Dauer angelegte Veränderung der äußeren Gestalt des Gebäudes als gegeben, so dass auch die gesetzliche Wertung des § 22 WEG zu beachten war.
Im Ergebnis war daher festzustellen, dass ein erheblicher Nachteil vorlag. Der Beschluss gegen §§ 15, 14 WEG verstieß und somit für ungültig zu erklären war.
Die Kostenentscheidung ergab sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 709 ZPO.
Der Streitwert wurde nach §§ 49 a GKG gebildet.


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