Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unterbrechung des Anschlusses durch den Versorger bei Rückstand in verschiedenen Versorgungssparten (hier: Strom und Wasser)

Aktenzeichen  240 C 3036/21

Datum:
1.7.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21137
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StromGVV § 19 Abs. 2
AVBWasserV § 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein Versorger ist gem. § 19 Abs. 2 StromGVV sowie § 33 Abs. 2 AVBWasserV berechtigt, bei Zahlungsverzug eines von ihm belieferten Kunden die Strom- und Wasserversorgung des Kunden vier Wochen nach Ankündigung unterbrechen zu lassen, wenn der Kunde mit mindestens 100 EUR in Verzug ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Aufteilung der Rückstände auf die verschiedenen Versorgungssparten (Strom und Wasser) ist nicht erforderlich, wenn es sich um denselben Abnehmer handelt und dieselbe Einheit versorgt wird. (Rn. 7 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem von der Klägerin beauftragten Netzbetreiber bzw. den vom Netzbetreiber beauftragten und mit einem Ausweis versehenen Personen gemäß § 21 NAV Zutritt zu den technischen Einrichtungen und insbesondere der Messeinrichtung mit der Stromzählernummer: und der Wasserzähler-Nummer:, jeweils gelegen im Anwesen, zum Zweck der Sperrung des Anschlusses und zur Unterbrechung der Strom- und Wasserlieferung zu gewähren, sowie den Zutritt, diese Sperrung und den Ausbau zu dulden. Die Klägerin kann zur Durchsetzung dieser Verpflichtungen einen Gerichtsvollzieher zuziehen.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 30.000 €, ersatzweise 2 Monate Ordnungshaft, angedroht.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 261,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klagepartei hat in ihrer Klageschrift schlüssig ihren Anspruch dargelegt.
Sämtlicher Vortrag in der Klageschrift gilt als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO, da die beklagte Partei keine Klageerwiderung eingereicht hat und auch sonst nicht auf den klägerischen Vortrag eingegangen ist, obgleich das Gericht eine Entscheidung nach § 495 a ZPO angekündigt hatte und auf die Wichtigkeit der Einhaltung der Frist zur Klageerwiderung hingewiesen hat.
Es war daher zu entscheiden wie geschehen.
Die Klägerin ist gemäß § 19 Abs. 2 StromGVV i.V.m. 24 Abs. 3 NAV, § 21 NAV berechtigt, bei Zahlungsverzug eines von ihr belieferten Kunden die Stromversorgung des Kunden 4 Wochen nach Ankündigung unterbrechen zu lassen. Dies setzt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 StromGVV voraus, dass der Kunde mit mindestens 100,00 EUR in Verzug ist. Gleiches gilt nach § 33 Abs. 2 AVBWasserV. Vorliegend ist der Beklagte mit der Zahlung der monatlichen Abschläge für Strom und Wasser in Höhe von je 87 € für März bis Mai 2021 sowie mit der Jahresrechnung vom 19.03.2021 in Höhe von 531,73 € im Rückstand.
Eine Aufteilung der Rückstände auf die verschiedenen Versorgungssparten ist nicht erforderlich. Es ist unerheblich, dass der Rückstand vorliegend für die Versorgungssparte Strom nicht mindestens 100 € beträgt.
Bei den Regelungen des § 19 Abs. 2 StromGVV und § 33 Abs. 2 AVBWasserV handelt es sich um besondere Ausgestaltungen der Leistungsverweigerungsrechte nach §§ 273, 320 BGB (BGH, Urteil vom 03. Juli 1991 – VIII ZR 190/90 -, juris Rn. 10 zu § 33 Abs. 2 S. 1 AVBEltV aF). Zusätzlich zu den in den Regelungen des § 19 Abs. 2 StromGVV und § 33 Abs. 2 AVBWasserV normierten Voraussetzungen ist daher – wenn die Forderungen nicht auf ein- und denselben gegenseitigen Vertrag beruhen – erforderlich, dass sie zumindest aus demselben rechtlichen Verhältnis stammen. Der Begriff desselben rechtlichen Verhältnisses ist weit auszulegen. Es genügt, wenn ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt; es sich also um ein einheitliches Geschehen mit einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang handelt, sodass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, die Ansprüche getrennt zu betrachten. Erforderlich ist dafür die Identität der Vertragspartner und ein zusätzliches verbindendes Element. Dieses kann darin bestehen, dass es sich um dieselbe Wohnung handelt, dasselbe Haus (bei Gewerbeeinheit und Wohneinheit, für die Versorgung bezogen wird) oder dieselbe Sparte (bei Umzug in eine andere Wohnung). (zu alledem BGH, aaO Rn. 14 ff.).
Nach alledem liegt ein solches einheitliches Lebensverhältnis erst recht vor, wenn die Versorgung mit den jeweiligen Sparten (hier Strom und Wasser) – wie vorliegend – zwischen denselben Parteien, für dieselbe Wohnung über denselben Anschluss im selben Lebensbereich erfolgt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 01. November 2012 – 13 U 241/11 -, juris Rn. 30, das zumindest unter diesen Voraussetzungen eine spartenübergreifende Betrachtung zulässt).
Aufgrund Mahnung befindet sich der Beklagte auch in Verzug (vgl. § 286 BGB). Darüber hinaus wurde er mit Schreiben vom 14.04.2021 erfolglos sie aufgefordert, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen; die Einstellung der Stromversorgung wurde angedroht und in der Folge mit Schreiben vom 12.05.2021 angekündigt. Zugang zu den Anschlusseinrichtungen hat der Beklagte jedoch nicht gewährt.
II. 
Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Die zugrunde liegenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Das Gericht weicht nicht von obergerichtlicher Rechtsprechung ab.


Ähnliche Artikel


Nach oben