Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unterlassungsanspruch gegen den Gemeinschaftseigentum zweckwidrig nutzenden Mieter

Aktenzeichen  481 C 16084/19 WEG

Datum:
27.7.2020
Fundstelle:
ZMR – 2020, 894
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004 Abs. 1
WEG § 13, § 14, § 15

 

Leitsatz

1. Die Wohnungseigentümer haben daher gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (Anschluss an BGH BeckRS 2019, 31522). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch im Rahmen der zulässigen gewerblichen Nutzung der Sondereigentumseinheit durch den Mieter stellt die Anbringung eines Klimagerätes an der Außenfassade eine Beeinträchtigung dar, die die Wohnungseigentümer nicht dulden müssen, selbst wenn der Mieter vertraglich im Verhältnis zu seinem Vermieter zu einer solchen Nutzung berechtigt sein sollte. Denn der Sondereigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableitet, kann diesem nicht mehr an Rechten übertragen kann, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat (Anschluss an BGH BeckRS 2019, 31522). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, die im Eingangsbereich der Einheit Nr. 184 im …, installierte Klimaanlage samt aller Befestigungsvorrichtungen und Leitungen zu beseitigen sowie die Löcher in der Außenfassade, die eingebracht worden sind, um die Befestigungsvorrichtungen für die Klimaanlage an der Fassade befestigen und die Leitungen durch die Fassade führen zu können, fachgerecht zu verschließen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Das Amtsgericht München ist gemäß §§ 43 Nr. 2 WEG, 23 Nr. 2c GVG ausschließlich örtlich und sachlich zuständig.
Die Klägerin hat die Beseitigungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG vom 29.05.2019 an sich gezogen und ist aufgrund dessen allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber den Beklagten.
Die Klage ist auch begründet.
Der Beklagte zu 1) war gemäß § 307 ZPO seinem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) als Handlungsstörer einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 WEG auf Beseitigung der streitgegenständlichen Klimaanlage samt aller Befestigungsvorrichtungen, Leitungen und Fassadenlöcher.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist befugt, eine den Bestimmungen des WEG oder der Teilungserklärung bzw. den Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft zuwider laufende Nutzung auch gegenüber dem Mieter zu untersagen und auf Unterlassung der Beeinträchtigung zu klagen, wenn das Eigentum der Eigentümergemeinschaft beeinträchtigt wird. Voraussetzung dafür ist eine objektiv feststellbare übermäßige Nutzung des Eigentums oder eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechte anderer Wohnungseigentümer. Dies ist vorliegend gegeben. Die eingereichten Fotos belegen, dass das Klimagerät im Eingangsbereich zur Einheit 184 angebracht und gut sichtbar ist, so dass die Gestaltung der Fassade des Gebäudes nachteilig verändert wird. Darüber hinaus wurden zur Anbringung des Klimagerätes mehrere Löcher in der Außenfassade eingebracht, die den Baukörper und damit auch die Rechte der Wohnungseigentümergemeinschaft in einer Weise beeinträchtigen, die diese nicht hinzunehmen braucht (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 9.10.2001 – 24 S 203/01 NZM 2002, 131).
Mit der Nutzung des Gemeinschaftseigentums nimmt der Mieter das Miteigentum aller Eigentümer in Anspruch. Hierzu ist er nur deshalb berechtigt, weil jeder Sondereigentümer nach § 13 Abs. 1 WEG zur Vermietung seines Sondereigentums befugt ist und diese Befugnis auch die Übertragung der Berechtigung zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 13 Abs. 2 WEG umfasst (Suilmann in Bärmann, § 13 Rn. 38). Der Mieter übt folglich in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum eine von seinem Vermieter als Miteigentümer abgeleitete Befugnis zur Inanspruchnahme des auch fremden Miteigentums an dem Grundstück aus, die nicht weiterreichen kann, als die Befugnis des Eigentümers, der sie dem Mieter im Rahmen des Mietverhältnisses … einräumt. Das Recht des Sondereigentümers zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums besteht gem. § 13 Abs. 2 WEG nur nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG. Er kann folglich dieses Recht dem Mieter nur dergestalt übertragen, dass dieser – wie der Sondereigentümer selbst – zum Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums unter Einhaltung der Gebrauchsregelungen nach § 15 WEG berechtigt ist. Allein aufgrund und im Umfang dieser Übertragung sind die übrigen Wohnungseigentümer verpflichtet, die Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch den Mieter zu dulden (§ 14 Nr. 3 WEG, § 1004 Abs. 2 BGB). Verstößt der Mieter gegen eine für das Gemeinschaftseigentum getroffene Gebrauchsregelung, überschreitet er seine Befugnis zu dessen Nutzung und beeinträchtigt – selbst wenn ihm der vermietende Eigentümer diese Nutzung gestattet haben sollte – unmittelbar das Eigentum aller anderen Eigentümer. Die Wohnungseigentümer haben daher gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. BGH v. 25.10.2019, V ZR 271/18 NZM 2020, 107 m.w.N.).
Die an den Beklagten zu 2) vermietete Sondereigentumseinheit sieht eine gewerbliche Nutzung vor, so dass die Nutzung als Lebensmittelmarkt grundsätzlich zulässig ist. Allerdings setzt die gewerbliche Nutzung nicht zwingend den Betrieb eines Außenklimagerätes voraus. In der klägerischen Anlage befinden sich über 10 Gewerbeeinheiten, die – mit Ausnahme der vom Beklagten zu 2) gemieteten Einheit – nicht über ein an der Außenfassade angebrachtes Klimagerät verfügen. Aufgrund dessen erlaubt die gewerbliche Nutzung als solche nicht die Anbringung eines Klimagerätes. Eine solche stellt vielmehr eine Beeinträchtigung dar, die die Wohnungseigentümer nicht dulden müssen, selbst wenn der Mieter vertraglich im Verhältnis zu seinem Vermieter zu einer solchen Nutzung berechtigt sein sollte. Auch insoweit gilt, dass der Sondereigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableitet, diesem nicht mehr an Rechten übertragen kann, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern hat (vgl. BGH v. 25.10.2019, V ZR 271/18 NZM 2020, 107 m.w.N.). Somit ist unerheblich, ob der Beklagte zu 2) zum Betrieb seines Lebensmittelgeschäfts auf den Betrieb einer Außenklimaanlage angewiesen ist. Denn maßgeblich ist insofern allein, dass eine gewerbliche Nutzung auch ohne eine solche Klimaanlage möglich ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass mit einer gewerblichen Nutzung das Anbringen entsprechender Werbe- und Reklametafeln einhergeht, ist dies in der Regel nicht – wie hier durch die mit der Klimaanlage verbundenen Leitungen und Schläuche – mit einer kompletten Durchbohrung des Außenmauerwerks verbunden.
Die Klägerin hat damit auch gegen den Beklagten zu 2) den begehrten Unterlassungsanspruch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Auch der Beklagte zu 1) ist entsprechend zur Kostentragung verpflichtet, da die Voraussetzungen des § 93 ZPO zu seinen Gunsten nicht vorliegen. Zwar hat er den Klageanspruch „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO anerkannt. Allerdings hat er zur Klage auch gegen ihn Veranlassung gegeben. Die Klägerin hat den Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 05.09.2018 aufgefordert, die Klimaanlage schnellstmöglich wieder abzubauen. Die Maßnahmen des Beklagten zu 1) in Form der wiederholten Aufforderung des Beklagten zu 2) waren jedoch nicht geeignet, dem klägerischen Verlangen nachzukommen. Ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) vom 28.09.2018 ist dieser dem Beseitigungsverlangen entgegengetreten. Der Beklagte zu 1) durfte aufgrund des Verhaltens des Beklagten zu 2) nicht davon ausgehen, dass der Beklagte zu 2) seiner Beseitigungsaufforderung nachkommen wird. Nachdem für die Klägerin über ein halbes Jahr hinweg seitens des Beklagten zu 1) keine Anstrengungen erkennbar waren, dieser werde auf die Beseitigung der Klimaanlage hinwirken, musste sie (Klägerin) bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen, sie werde anders als durch eine Klage nicht zu ihrem Recht kommen. Die Beschlussfassung zur gerichtlichen Durchsetzung des Beseitigungsverlangens stammt vom 29.05.2019. Die Klage wurde erst im September 2019, d.h. 3 1/2 Monate später eingereicht. Auch während dieser Zeit hat der Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin nicht zu erkennen gegeben, er werde den Anspruch auch ohne gerichtliche Geltendmachung erfüllen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. §§ 49a Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ZPO, 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 5 RVG festgesetzt. Nach BGH NJW-RR 2017, 584 Rn. 5 bemisst sich der Streitwert nach dem (hälftigen) klägerischen Interesse an der Beseitigung und – mangels Identität der Parteiinteressen aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung – dem (hälftigen) Interesse der Beklagten, keinen Rückbau vornehmen zu müssen. Das Interesse der Beklagten beinhaltet dabei die Herstellungskosten, die Rückbaukosten sowie den sich aus der Klimaanlage ergebenden Nutzen. Da keine Anhaltspunkte für die Höhe der Herstellungs- und Rückbaukosten bestehen, ist auf die Regelwertvorschriften zurückzugreifen.


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