Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Unterscheidung zwischen Mitbesitz an der zu räumenden Wohnung und lediglich untergeordnetem Gewahrsam

Aktenzeichen  14 T 8470/17

Datum:
31.7.2017
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 750 Abs. 1, § 885 Abs. 1
BGB BGB § 854 Abs. 1, § 855

 

Leitsatz

1 Im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren kann es nur auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse, nicht auf materielle Besitzrechte ankommen.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Alleine aus der Aufnahme eines Dritten in die Wohnung kann nicht auf einen Mitbesitz geschlossen werden, der zwingend einen Titel nach § 750 Abs. 1 ZPO auch gegen diesen erfordert (vgl. BGH BeckRS 2008, 08442). (redaktioneller Leitsatz)
3 Vielmehr muss anhand der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls vor Ort beurteilt werden, ob der Dritte eigenen Gewahrsam hat und nicht nur Besitzdiener ist. Diese tatsächlichen Besitzverhältnisse hat der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan zu prüfen, wobei sich aus den Gesamtumständen klar und eindeutig ergeben muss, dass der dritte Mitbesitzer ist, um den Gläubiger von einer Verschleierung der Besitzverhältnisse durch den Schuldner zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu schützen (vgl. BGH BeckRS 2008, 08442). (redaktioneller Leitsatz)
4 Volljährige Kinder des Schuldners haben wie minderjährige Kinder kein eigenständiges Besitzrecht nach Erreichen des 18. Lebensjahres. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung der Eltern wohnt, denn die Besitzdienerschaft der Kinder ändert sich nicht alleine mit dem Erreichen der Volljährigkeit, ohne dass eine Änderung der Besitzverhältnisse nach außen erkennbar geworden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1500 M 1350/17 2017-05-22 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.05.2017 (Aktenzeichen: 1500 M 1350/17) aufgehoben.
2. Der Gerichtsvollzieher L wird angewiesen, der Räumungsvollstreckung gemäß Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 10.08.2016 aus dem Endurteil des Landgerichts München I vom 18.03.2016 (Aktenzeichen:: 26 O 17768/14) in Verbindung mit dem Ergänzungsurteil des Landgerichts München I vom 17.06.2016 seinen Fortgang zu geben und die Räumungsvollstreckung durchzuführen.
3. Der Schuldner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf Euro 12.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Schuldner F W ist aufgrund rechtskräftigen Endurteils des Landgerichts München I vom 11.04.2016 zur Räumung und Herausgabe der von ihm inne gehaltenen Wohnung in München S-straße 24/EG, Wohnung Nummer 6, verurteilt. Nachdem zunächst die Durchführung der Zwangsvollstreckung seitens des Obergerichtsvollziehers L durch verschiedene Rechtsbehelfe und Rechtsmitte von Chantal U unterbrochen war, fand Termin zur Zwangsräumung der oben benannten streitgegenständlichen Wohnung am 18.01.2017 statt. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung fand der Gerichtsvollzieher gemäß Protokoll vom 18.01.2017 in der zu räumenden Wohnung auch den am …1992 geborenen Ma. U. vor. Dieser berief sich auf Mitbesitz an der zu räumenden Wohnung aufgrund eines zwischen ihm und dem Sohn des Schuldners im Kalenderjahr 2012 mündlich geschlossenen Mietvertrages und weigerte sich, mangels Vorliegen eines vollstreckbaren Räumungstitels auch gegen ihn, die Wohnung zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben. Der zuständige Gerichtsvollzieher stellte daraufhin – nach Prüfung der Gewahrsamsverhältnisse vor Ort – die Zwangsvollstreckung mit der Begründung ein, auch gegen Ma. U. als Gewahrsamsinhaber würde ein Räumungstitel gemäß § 750 Abs. 1 ZPO erforderlich sein.
Gegen diese Entscheidung legte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 25.01.2017 Erinnerung ein. Dieser half der Gerichtsvollzieher mit Beschluss vom 06.02.2017 nicht ab. Das Amtsgericht München wies mit Beschluss vom 22.05.2017 die Erinnerung der Gläubigerin zurück. Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.05.2017 zugestellten Beschluss legte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 09.06.2017 sofortige Beschwerde ein, die sie zugleich begründete. Das Amtsgericht verfügte mit Beschluss vom 22.06.2017 die Nichtabhilfe und legte die Akte dem Landgericht München I zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vor. Der Schuldner nahm mit Schreiben vom 06.07.2014, Ma. U. mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.07.2017 zur Beschwerde Stellung.
II.
Die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Nummer 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde erweist sich als begründet. Da Ma. U. nur über ein vom Schuldner abgeleitetes Besitzrecht verfügt, bedarf es keines eigenständigen Räumungstitels gegen ihn gemäß § 750 Abs. 1 ZPO.
1. Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher gemäß § 885 Abs. 1 ZPO den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen. Hierbei beurteilt sich nach § 750 Abs. 1 ZPO, wer Vollstreckungsschuldner im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zwangsvollstreckung nur gegen solche – besitzende – Personen begonnen werden, die im Titel und in der Vollstreckungsklausel als Vollstreckungsschuldner bezeichnet sind. Damit soll gewährleistet werden, dass staatlicher Zwang zur Durchsetzung eines urkundlich bereits ausgewiesenen Anspruchs erfolgt und zwar nur für und gegen die im Titel genannten Personen (BGH NZM 2004, 701). Da § 885 Abs. 1 ZPO aber nach seinem klaren Wortlaut einen „Besitz“ der zu räumenden Person voraussetzt, kann die Räumung auch gegenüber im Titel nicht genannten Personen erfolgen, wenn sie sich zwar in den Räumlichkeiten aufhalten, aber keine Gewahrsamsinhaber sind (HK-ZV-Bendtsen, ZPO, § 885, Rn 11). Wie sich aus § 886 ZPO ergibt, ist ein unbeschränkter Vollstreckungszugriff nur dann möglich, wenn kein Drittgewahrsam besteht. Mithin hängt die Vollstreckung davon ab, ob Dritte selbständigen Allein- oder Mitgewahrsam an der herauszugeben Sache haben (Müko ZPO/Gruber, ZPO, § 885 Rn 14).
2. Nach dem oben genannten ist gemäß § 750 Abs. 1 ZPO damit ein Titel grundsätzlich gegen jeden Dritten erforderlich, der Mit- oder Alleinbesitz an den herauszugebenden Räumlichkeiten oder eines Teiles hieran geltend macht und nicht zur Herausgabe bereit ist. Voraussetzung ist allerdings, dass er die tatsächliche Herrschaftsgewalt nach § 854 Abs. 1 BGB über jedenfalls einen Teil der Räumlichkeiten innehat und nicht lediglich als unselbständiger Besitzer im Sinne von § 855 BGB den Besitz für den Schuldner ausübt. Diese äußerlich erkennbare Sachherrschaft ist in jedem Einzelfall anhand der tatsächlichen Umstände vor Ort durch die zuständigen Gerichtsvollzieher zu klären. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist indes, von wem der Dritte seinen Besitz ableitet und ob dieser dem Gläubiger bzw. Vermieter gegenüber berechtigt ist oder nicht (Schmidt-Futter/Streyl, § 546 Rn 129). Denn im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren kann es nur auf die tatsächlichen Besitzverhältnisse, nicht auf materielle Besitzrechte ankommen. Ein Titel ist selbst dann erforderlich, wenn im konkreten Fall der Verdacht besteht, dem Dritten sei der Besitz an der Mietsache nur zum Zwecke der Vereitelung der Zwangsvollstreckung eingeräumt worden (BGH NJW 2008, 3287).
Nach der Rechtsprechung des BGH kann nicht schon alleine aus der Aufnahme eines Dritten in die Wohnung auf einen Mitbesitz geschlossen werden, der zwingend einen Titel nach § 750 Abs. 1 ZPO auch gegen diesen erfordert (BGH NZM 2008, 400, 401). Vielmehr muss anhand der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls vor Ort beurteilt werden, ob der Dritte eigenen Gewahrsam hat und nicht nur Besitzdiener ist. Diese tatsächlichen Besitzverhältnisse hat der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan zu prüfen, wobei sich aus den Gesamtumständen klar und eindeutig ergeben muss, dass der dritte Mitbesitzer ist, um den Gläubiger von einer Verschleierung der Besitzverhältnisse durch den Schuldner zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu schützen (BGH NZM 2008, 400, 401 – BGH NJW 2008, 3287). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Gerichtsvollzieher bei nur vom Schuldner oder dem Dritten behaupteten Besitzrechte die Durchführung der Räumung nicht ablehnen darf, ohne sich vor Ort davon überzeugt zu haben, dass der Dritte tatsächlich Mitgewahrsam begründet hat.
Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammen leben, haben keinen Mitbesitz an der gemeinsam benutzen Wohnung (BGH NZM 2008, 400, 401). Für die Räumungsvollstreckung reicht daher ein Vollstreckungstitel gegen die Eltern aus. Volljährige Kinder des Schuldners haben ebenfalls kein eigenständiges Besitzrecht nach Erreichen des 18. Lebensjahres (BGH NZM 2008, 400; HK-ZV Bendtsen, ZPO § 885, Rn 18; Zöller-Stöber, ZPO, § 885 Rn 7). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung der Eltern wohnt, denn die Besitzdienerschaft der Kinder ändert sich nicht alleine mit dem Erreichen der Volljährigkeit, ohne dass eine Änderung der Besitzverhältnisse nach außen erkennbar geworden ist.
3. Nach den Feststellungen des Obergerichtsvollziehers L. und dem Vortrag der Schuldner ist nach Aktenlage von folgenden Gewahrsamsverhältnissen von Ma. U. auszugehen: Ma. U. ist der Sohn der (früheren) Lebensgefährtin des Schuldners, J. U. Am 01.05.2008 zog der damals noch minderjährige 15-jährige Ma. gemeinsam mit seiner Mutter und seiner ebenfalls minderjährigen Schwester in die streitgegenständliche Wohnung in der S-straße 24 in München ein. Nach der vorliegenden Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Landeshauptstadt München bestand die streitgegenständliche Wohnung seit diesem Zeitpunkt durchgehend als Hauptwohnsitz. Ma. U. war über den gesamten Zeitraum seit 01.05.2008 bis zum heutigen Zeitpunkt mit Hauptwohnsitz in der streitgegenständlichen Wohnung gemeldet. Lediglich für einen untergeordneten Zeitraum vom 05.06.2009 bis 01.01.2010 war er mit Nebenwohnsitz am früheren Firmensitz des Schuldners in P gemeldet. Ma. U. nutzte und nutzt innerhalb der 250 Quadratmeter großen Wohnung ein – abschließbares – Zimmer sowie ein separates, ihm überlassenes Badezimmer. In den übrigen Räumlichkeiten ist ihm vom Schuldner die Mitbenutzung gestattet. In dem von Ma. U. bewohnten Zimmer sowie in Teilen der sonstigen Wohnung befinden sich auch dessen Möbel: Für einen – mündlich abgeschlossenen – Mietvertrag mit dem Sohn des Schuldners, D. W., gibt es nach Aktenlage über die bloßen Behauptungen des Schuldners Ma. U. hinaus keine objektiven Anhaltspunkte.
4. Für die Prüfung, ob Ma. U. eigenständigen Mitbesitz an der zu räumenden Wohnung oder lediglich untergeordneten, vom Schuldner abgeleiteten Gewahrsam hat, kann es ausschließlich auf die Umstände betreffend die streitgegenständliche Wohnung ankommen. Die Einräumung des Mitbesitzes muss durch eine von einem entsprechenden Willen getragene Handlung des zuvor allein besitzenden Mieters bzw. dessen Lebensgefährtin nach außen erkennbar sein (BGH NZM 2008, 400). Nach der in der in den Akten befindlichen Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Landeshauptstadt München ist Ma. U. als 15-jähriger und damit noch als Minderjähriger in die streitgegenständliche Wohnung eingezogen. Da er zu diesem Zeitpunkt nicht volljährig war, hatte er lediglich ein – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt – vom Schuldner und dessen Lebensgefährtin, seiner Mutter abgeleitetes Besitzrecht, das keinen eigenständigen Mitbesitz im Sinne von § 885 f. ZPO. begründen kann. Diese Hauptwohnung hat Ma. U. zu keinem Zeitpunkt aufgegeben; die bloße Begründung eines Nebenwohnsitzes für einen relativ kurzen Zeitraum von lediglich 6 Monaten stellt eine Änderung der Besitzverhältnisse eines volljährigen Kindes an der elterlichen Wohnung nicht nach außen erkennbar dar. Die bloße Begründung eines Nebenwohnsitzes zum Zwecke einer Ausbildung oder schulischen Fortbildung unter Beibehaltung des bisherigen elterlichen Wohnung als Hauptwohnung ändert an den Besitzverhältnissen dieser Wohnung nichts, so dass weiterhin von einem lediglich abgeleiteten Besitz und damit einer reinen Besitzdienerschaft des mittlerweile volljährigen Kindes auszugehen ist.
An dieser rechtlichen Einschätzung ändern auch die vom Gerichtsvollzieher vor Ort festgestellten tatsächlichen Umständen nichts: Zu Gunsten des Schuldners kann unterstellt werden, dass Ma. U. tatsächlich in der streitgegenständlichen Wohnung wohnt und dort auch seine Möbel untergebracht sind. Jedenfalls in Wohnungen, die eine Fläche – wie hier – von 250 Quadratmetern aufweisen, ist davon auszugehen, dass bei einer Familie mit zwei minderjährigen oder volljährig gewordenen Kindern jedes Kind über ein eigenes – abschließbares – Zimmer verfügt und das Zimmer diesem zur alleinigen Nutzung überlassen wird. Bei derartig großen Wohnungen ist es auch nicht ungewöhnlich, dass bei einem Vorhandensein mehrerer Bäder einem Kind die alleinige Nutzung eines Bades überlassen wird. Für die Beurteilung der äußeren Gewahrsamsverhältnisse der streitgegenständlichen Wohnung macht es daher keinen Unterschied, ob Ma. U. zum Zeitpunkt der Feststellung der konkreten Besitzverhältnisse 15 oder 24 Jahre alt ist.
Die Besitzdienerschaft von Ma. U. hinsichtlich des streitgegenständlichen Zimmers und der Mitbenutzung der Wohnung wurde während des Zeitraums der Begründung eines Nebenwohnsitzes in Pöttmes im Kalenderjahr 2009 nicht aufgegeben, sondern allenfalls gelockert. Es ist daher von einem fortdauernden, untergeordneten Gewahrsamsverhältnis im Sinne einer Besitzdienerschaft bis zum heutigen Zeitpunkt auszugehen. Der Umstand alleine, dass Ma. U. zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die elterliche Wohnung zurückgekehrt ist, stellt insoweit keine nach außen erkennbare Änderung der Besitzverhältnisse dar und begründet insbesondere kein eigenes Besitzrecht (LG Berlin, BeckRS 2011, 26875). Entgegen der Darstellungen des Schuldners ermöglicht der bloße Alleinbesitz eines Zimmers und eines Bades auch keine eigenständige Lebensführung innerhalb der Wohnung insbesondere deshalb, weil er die Küche lediglich mitbenutzen kann. Der bloße Wechsel in der Willensrichtung von Ma. U. reicht ebenfalls für die Begründung eines eigenständigen Besitzrechtes im Sinne der §§ 885 Abs. 1 Satz 1, 750 Abs. 1 ZPO ebenfalls nicht aus.
5. Geht man nach dem oben Gesagten davon aus, dass Ma. U. aufgrund der Gesamtumstände lediglich vom Schuldner und seiner Mutter abgeleitetes Besitzrecht inne hatte, so ändert der nach dem Vortrag des Schuldners im Jahr 2012 – und damit mehr als 2 Jahre – nach der Aufgabe der Nebenwohnung in Pöttmes – mit dem Sohn des Schuldners abgeschlossene mündliche Mietvertrag nichts an dem tatsächlichen Gewahrsamsverhältnissen. Nur diese allein hat der Gerichtsvollzieher vor Ort zu überprüfen. Die Behauptung des Schuldners, wonach Ma. U. mit seinem Sohn, D. W., einen mündlichen Mietvertrag abgeschlossen haben soll, ist somit eine Rechtsfrage, die anhand der tatsächlichen Umstände vor Ort durch den zuständigen Gerichtsvollzieher nicht geklärt werden kann und auf die äußerlich erkennbare Sachherrschaft keine Auswirkung hat. Auch in den Fällen, in denen der Dritte einen schriftlichen Mietvertrag mit dem Schuldner vorlegt, kann nichts anderes gelten. Der schriftliche Mietvertrag kann daher allenfalls ein Indiz dafür sein, dass der Dritte eigenständigen Gewahrsam begründet hat. Vorliegend wurde weder ein schriftlicher Mietvertrag abgeschlossen noch wird ein solcher Vertrag zwischen dem Dritten und dem Schuldner überhaupt behauptet. Ob Ma. U. als Dritter ein abgeleitetes Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB gegenüber der Gläubigerin hat, ist mithin nicht im Rahmen der Räumungsvollstreckung, sondern als Rechtsfrage im Rahmen etwaiger Einwendungen nach §§ 767, 771 ZPO zu prüfen.
6. Nach alledem liegt hinsichtlich des Dritten Ma. U. lediglich ein abgeleitetes Besitzrecht nach § 885 BGB vor, weshalb nach dem oben Genannten ein eigenständiger Titel auch gegen diese Person gemäß § 750 Abs. 1 ZPO nicht notwendig ist. Die Beschwerde der Gläubigerin vom 26.05.2017 ist daher vollumfänglich begründet und der Gerichtsvollzieher war auf die Erinnerung anzuweisen, die Räumungsvollstreckung fortzusetzen.
III.
Die Kostenfestsetzung beruht auf § 91 ZPO. Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat die Kammer unter Anwendung des § 47 Abs. 1 GKG mit dem Gegenwert der behaupteten mietrechtlichen Nutzung für die Dauer eines Jahres bestimmt.

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