Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Verhältnis des Herausgabeverlangens aufgrund Eigentümerstellung zur Wohnungszuweisung

Aktenzeichen  2 WF 265/19

Datum:
11.11.2019
Fundstelle:
FamRZ – 2020, 917
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 985, § 1361b, § 1568a Abs. 1
ZPO § 114
FamFG § 113 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Will derjenige Ehegatte, der Alleineigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigter der Ehewohnung ist, erreichen, dass er nach der Scheidung die Wohnung alleine nutzen kann und der andere die Wohnung verlässt, steht ihm für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung der Überlassungsanspruch aus § 1568 a Abs. 1 BGB zu. (Rn. 11)
2. Im Zusammenhang mit der Scheidung kann dieser Überlassungsanspruch wegen der vorgenannten Spezialregelung nicht auf § 985 BGB gestützt werden. (Rn. 11)

Verfahrensgang

4 F 1283/19 2019-09-24 Bes AGASCHAFFENBURG AG Aschaffenburg

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts -FamiliengerichtAschaffenburg vom 24.9.2019 wie folgt abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Zahlungen aus dem Einkommen oder Vermögen bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt …

Gründe

I.
Mit am 3.6.2019 beim Amtsgericht Aschaffenburg in der allgemeinen Zivilabteilung eingereichten Anwaltsschriftsatz vom 24.5.2019 erhob der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin Klage mit dem Begehren, dass letztere verpflichtet sei, das in seinem Alleineigentum stehende Haus nebst Garage in der H.-Straße … in Z. zu räumen und an ihn herauszugeben und festzustellen, dass die Antragsgegnerin sich damit seit 16.5.2019 in Verzug befinde. Weiterhin verlangte er die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung diesbezüglicher vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen. Zur Rechtsverteidigung hiergegen hat die Antragsgegnerin mit am 27.8.2019 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 26.8.2019 neben dem Klageabweisungsantrag auch beantragt, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt …, zu gewähren.
Mit Beschluss vom 18.9.2019 hat sich der Zivilrichter der allgemeinen Zivilabteilung beim Amtsgericht Aschaffenburg für die Entscheidung des Rechtsstreits für unzuständig erklärt und denselben an das Amtsgericht -FamiliengerichtAschaffenburg verwiesen. Hiergegen haben sich die beiden Beteiligten nicht binnen der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist gewendet.
Bereits mit Beschluss vom 24.9.2019 hat der Familienrichter beim Amtsgericht Aschaffenburg den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, da der Antragsteller die Räumung des Hauses gemäß § 985 BGB verlangen könne und der Antragsgegnerin kein Recht zum Besitz zustehe. Eine Zuweisung der Ehewohnung gemäß § 1568 a BGB sei von der Antragsgegnerin nicht beantragt worden und hätte keine Aussicht auf Erfolg.
Mit am 24.10.2019 beim Amtsgericht -FamiliengerichtAschaffenburg eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag macht der Antragsteller weitergehend eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.050,00 Euro gegen die Antragsgegnerin geltend. Diesbezüglich ist bisher die Zustellung an die Antragsgegnerin richterlich verfügt.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 1.10.2019 zugestellten Beschluss vom 24.9.2019 hat die Antragsgegnerin mit am 30.10.2019 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 28.10.2019 Beschwerde eingelegt. Der Familienrichter hat dem als sofortige Beschwerde gewerteten Rechtsmittel nicht abgeholfen.
Im Übrigen wird auf die vorgenannten Schriftstücke nebst Anlagen sowie die zitierten Entscheidungen des Amtsgerichts verwiesen.
II.
Das zutreffend seitens des Amtsgerichts als sofortige Beschwerde ausgelegte Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat auch in der Sache vollumfänglich Erfolg. Entgegen der angefochtenen Entscheidung hat die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren hinreichende Erfolgsaussicht gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen zahlungsfreier Verfahrenskostenhilfe gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115 ZPO mangels einzusetzendem Einkommen oder Vermögen auf Seiten der Antragsgegnerin vor.
Die Beiordnung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 121 ZPO.
Zu der erforderlichen Erfolgsaussicht ist folgendes auszuführen:
Im vorliegenden Familienstreitverfahren macht der Antragsteller einen Anspruch als Alleineigentümer gemäß § 985 BGB gegen die Antragsgegnerin geltend, weil diese kein Recht zum Besitz habe. Entgegen der angefochtenen Entscheidung kann sich der Antragsteller jedoch hierauf nicht berufen, weil der Anspruch auf Herausgabe des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin aus § 985 BGB vorliegend durch die Spezialregelung des § 1568 a BGB als lex specialis verdrängt wird.
Bei den beiden Beteiligten handelt es sich um zwischenzeitlich geschiedene Ehegatten. Das verfahrensgegenständliche Anwesen, das nach dem Vortrag der Beteiligten nunmehr im Alleineigentum des Antragstellers steht, war die Ehewohnung der Beteiligten. Diese Funktion bestand auch während der Trennungszeit. Die Scheidung erfolgte erst mit Beschluss des Familiengerichts vom 4.12.2018, wobei die Rechtskraft dieser Entscheidung erst aufgrund Beschlusses des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8.5.2019 im Verfahren 2 UF 8/19 eintrat. Bis zur Rechtskraft des Scheidungsausspruches stand einem Herausgabeverlangen gemäß § 985 BGB die Sondervorschrift des § 1361 b BGB als Spezialregelung entgegen (BGH FamRZ 2017, 22). Die Antragsgegnerin verbleib während der gesamten Trennungszeit und auch darüber hinaus bis zu ihrem Auszug bis 28.9.2019 in der zuvor von beiden Ehegatten bewohnten Wohnung, so dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Haus um die Ehewohnung im Sinne der §§ 1361 b BGB, 1568 a BGB handelt. Will wie vorliegend derjenige Ehegatte, der Alleineigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigter der Ehewohnung ist, erreichen, dass er nach der Scheidung die Wohnung alleine nutzen kann und der andere die Wohnung verlässt, steht ihm für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung der Überlassungsanspruch aus § 1568 a Abs. 1 BGB zu. Im Zusammenhang mit der Scheidung kann dieser Überlassungsanspruch wegen der vorgenannten Spezialregelung nicht auf § 985 BGB gestützt werden (vgl. hierzu nur Cirullies in Borg/Jacobi/Schwab, FamFG, 3. Aufl., 2018, § 200 Rdnr. 22). Insoweit gilt nichts anderes als in Bezug auf die Regelungen der §§ 985, 1316 b BGB zueinander während der Trennungszeit. In Folge dessen hätte der Antragsteller keinen Antrag in einem Verfahren einer Familienstreitsache mit Begehren nach § 985 BGB, vielmehr ein Zuweisungsverfahren als Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit gestützt auf § 1568 a BGB einleiten können. Eine Umdeutung in einen solchen Antrag ist vorliegend ausgeschlossen, da beide Verfahrensarten nicht miteinander zu vereinbaren sind (vgl. BGH a.a.O., Rdnr. 28).
Das Begehren auf Feststellung des Verzuges teilt insoweit das Schicksal des zu Grunde liegenden Hauptanspruches, so dass auch dieses nicht als Familienstreitsache verfahrensrechtlich verfolgt werden kann.
Das Nutzungsentschädigungsbegehren ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.


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