Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens bei Benennung von Wohnungen aus preisgebundenem Wohnungsmarkt

Aktenzeichen  VIII ZR 236/18

Datum:
18.12.2019
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2019:181219UVIIIZR236.18.0
Normen:
§ 558a Abs 1 BGB
§ 558a Abs 2 Nr 4 BGB
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Leitsatz

Ein Mieterhöhungsverlangen, das zur Begründung auf entsprechende Entgelte mindestens dreier vergleichbarer Wohnungen Bezug nimmt (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB), ist nicht allein deshalb formell unwirksam, weil es sich bei den Vergleichswohnungen um öffentlich geförderten, preisgebundenen Wohnraum handelt.

Verfahrensgang

vorgehend LG Lübeck, 14. Juni 2018, Az: 14 S 15/17vorgehend AG Ahrensburg, 27. Dezember 2016, Az: 47 C 796/16

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 14. Juni 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung zu einer von der Klägerin begehrten Mieterhöhung.
2
Die Beklagte ist seit dem Jahr 2009 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in B.  O.     . Die Wohnung ist Teil eines Gebäudekomplexes, für dessen Errichtung Fördermittel mit Bescheiden aus den Jahren 1966/1971 bewilligt wurden und die einer Preisbindung unterliegen.
3
Mit Schreiben vom 10. Februar 2016 forderte die Klägerin die Beklagte auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 1. Mai 2016 von 342,94 € um 18,81 € auf insgesamt monatlich 361,75 €, was einer Miete von 5 €/qm entspricht, zuzustimmen. Das Schreiben nimmt zur Begründung des Erhöhungsverlangens Bezug auf fünf Vergleichswohnungen mit Mietpreisen zwischen 5,08 €/qm und 5,16 €/qm, bei denen es sich ebenfalls um öffentlich geförderten, preisgebundenen Wohnraum handelt. Die Beklagte verweigerte die Zustimmung.
4
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zustimmungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5
Die Revision hat Erfolg.
I.
6
Das Berufungsgericht (LG Lübeck, BeckRS 2018, 17259) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Begründung des Mieterhöhungsverlangens werde den formalen Anforderungen des § 558a Abs. 1, 2 Nr. 4 BGB nicht gerecht.
8
Zwar sei es hiernach möglich, zur Begründung eines Erhöhungsverlangens auf mindestens drei Vergleichswohnungen zu verweisen. Nach der Konzeption der §§ 558 ff. BGB kämen insoweit allerdings nur Wohnungen des preisfreien Wohnungsmarktes in Betracht.
9
Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses. Durch dieses solle der Mieter in die Lage versetzt werden, ungefähr abschätzen zu können, ob die verlangte erhöhte Miete noch der maximal zulässigen ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 1 BGB entspreche oder diese übersteige. Da gemäß § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB öffentlich geförderter Wohnraum bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete außer Betracht zu bleiben habe, dürften entsprechende Wohnungen auch nicht als vergleichbare Wohnungen nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB herangezogen werden, weil durch deren Benennung Rückschlüsse auf die ortsübliche Vergleichsmiete nicht gezogen werden könnten.
10
Dies gelte auch für den Fall, dass die Wohnung, bezüglich derer die Mieterhöhung begehrt werde – wie vorliegend – selbst preisgebunden sei. Auch bezüglich solcher Wohnungen sei der Maßstab für die Erhöhung der Miete allein der preisfreie Wohnungsmarkt, weshalb sich auch die zur Begründung des Erhöhungsverlangens herangezogenen Wohnungen in diesem Markt befinden müssten.
11
Die Bezugnahme auf die von der Klägerin angeführten Wohnungen sei auch nicht deshalb zulässig, weil die Mieten für preisgebundene Wohnungen erfahrungsgemäß unter denjenigen preisfreier Wohnungen lägen. Ein derartiger Erfahrungssatz könne nicht angenommen werden, da auch öffentlich geförderter Wohnraum Marktkräften unterliege.
II.
12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung (§ 558 Abs. 1 BGB) nicht verneint werden.
13
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, das Erhöhungsverlangen genüge nicht den formellen Voraussetzungen des § 558a Abs. 1, 2 Nr. 4 BGB, weil darin auf Vergleichswohnungen Bezug genommen wurde, die einer Preisbindung unterliegen.
14
1. Gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete, was hier der Fall ist, seit 15 Monaten unverändert geblieben ist. Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen in Textform (§ 126b BGB) zu erklären und zu begründen, wobei gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB zur Begründung auch auf entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen Bezug genommen werden kann; hierbei genügt die Benennung von drei Wohnungen.
15
Die Begründung des Erhöhungsverlangens soll dem Mieter die Möglichkeit geben, dessen sachliche Berechtigung zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (vgl. Senatsurteile vom 24. April 2019 – VIII ZR 62/18, NJW 2019, 3142 Rn. 25; vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, NJW 2019, 303 Rn. 54; vom 13. November 2013 – VIII ZR 413/12, NJW 2014, 1173 Rn. 10; vom 12. Dezember 2007 – VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573 Rn. 12; vom 12. Juli 2006 – VIII ZR 215/05, WuM 2006, 569 Rn. 13). Hierfür ist es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, um während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden zu können, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht (BVerfGE 79, 80, 85; Senatsurteile vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, aaO; vom 13. November 2013 – VIII ZR 413/12, aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 – VIII ZR 11/07, aaO).
16
Dabei dürfen an das Begründungserfordernis im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfGE 49, 244, 249 f.; Senatsurteile vom 13. November 2013 – VIII ZR 413/12, aaO; vom 12. November 2003 – VIII ZR 52/03, NJW 2004, 1379, 1380 unter II 2 b [noch zu § 2 Abs. 2 MHG]). Allerdings muss das Erhöhungsverlangen – in formeller Hinsicht – Angaben über Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 16. Oktober 2019 – VIII ZR 340/18, NZM 2019, 852 Rn. 14; vom 17. Oktober 2018 – VIII ZR 94/17, aaO; vom 13. November 2013 – VIII ZR 413/12, aaO; vom 12. Dezember 2007 – VIII ZR 11/07, aaO).
17
2. Die vorgenannten Anforderungen an das Mieterhöhungsverlangen hat das Berufungsgericht überspannt, indem es angenommen hat, ein Vermieter könne als Vergleichswohnungen im Sinne des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB stets nur preisfreien Wohnraum heranziehen. Bereits der Wortlaut der vorgenannten Vorschrift sieht eine solche Einschränkung nicht vor. Sie ergibt sich – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch nicht aus dem Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses.
18
a) Zwar ist bei der Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB solcher Wohnraum ausgenommen, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, was vorliegend auf sämtliche Vergleichswohnungen zutrifft.
19
Hierauf abstellend wird – wie auch vom Berufungsgericht – die Auffassung vertreten, dass die Benennung von Wohnungen aus dem preisgebundenen Wohnungsmarkt generell nicht zur Begründung eines Erhöhungsverlangens nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB geeignet sei, weil eine Erhöhung gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete möglich sei, an deren Bildung preisgebundene Wohnungen gemäß § 558 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht teilnähmen (vgl. OLG Schleswig, NJW 1984, 245 [zu § 2 Abs. 2 MHG]; AG Frankfurt (Oder), WuM 2012, 320, 321; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 14. Aufl., § 558a BGB Rn. 127; vgl. auch Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 558a Rn. 50; Schneider in: Spielbauer/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl., § 558a BGB Rn. 106).
20
b) Diese Ansicht verkennt jedoch, dass die Angabe von Vergleichswohnungen im Mieterhöhungsverlangen nicht dazu dient, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen. Sie soll vielmehr den Mieter lediglich in die Lage versetzen, das Erhöhungsverlangen zumindest ansatzweise nachzuvollziehen und gegebenenfalls mittels weiterer Nachforschungen die Vergleichbarkeit der Wohnungen zu überprüfen (vgl. Senatsurteile vom 11. Juli 2018 – VIII ZR 136/17, NJW 2018, 2792 Rn. 18; vom 28. März 2012 – VIII ZR 79/11, NJW-RR 2012, 710 Rn. 14; Senatsbeschluss vom 8. April 2014 – VIII ZR 216/13, NJW-RR 2014, 1357 Rn. 3; vgl. hierzu auch BVerfG, NJW-RR 1993, 1485, 1486 sowie BayObLG, NJW-RR 1992, 455, 457; jeweils zu § 2 Abs. 2 MHG).
21
Dem Mieter ist es hiernach – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht nur zumutbar, aufgrund der im Erhöhungsverlangen mitgeteilten Tatsachen weitere Informationen einzuholen; das Erhöhungsverlangen dient vielmehr gerade dazu, ihn hierzu zu befähigen. Denn anhand der Benennung der Wohnungen wird der Mieter nicht nur in die Lage versetzt, weitere Nachforschungen über die in § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB benannten Wohnmerkmale der Vergleichswohnungen, sondern auch über die gezahlte Miete anzustellen. So besteht die Möglichkeit, zu ermitteln, ob es sich bei der Miete um eine Nettokaltmiete, eine Pauschalmiete, eine Teilpauschalmiete (vgl. hierzu BVerfG, NJW-RR 1993, aaO) oder – wie vorliegend – um eine preisgebundene Miete handelt und wie die Mietbindung im Einzelfall ausgestaltet ist.
22
c) Die hierzu erforderlichen Informationen wurden der Beklagten im Schreiben vom 10. Februar 2016 gegeben. Sie wurde hierdurch in die Lage versetzt, sich ein Bild davon zu machen, wie sich das gegenwärtige Mietniveau für vergleichbare Wohnungen nach den Ausführungen der Klägerin darstellt, und konnte diese Angaben – im Bedarfsfall durch Nachfrage bei der Klägerin zur Preisbindung der Vergleichswohnungen – überprüfen. Sie konnte Erwägungen dazu anstellen, inwieweit die Miete derjenigen, die sie für die eigene Wohnung entrichtet, entweder gleicht oder ob diesbezüglich Unterschiede bestehen, die einer Zustimmung zur Mieterhöhung entgegenstehen.
23
d) Der Umstand, dass der Mieter allein anhand des Erhöhungsverlangens die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete nicht abschließend mittels der Vergleichswohnungen überprüfen kann, steht der formellen Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens – anders als das Berufungsgericht meint – nicht entgegen.
24
Zum einen dient die Begründung des Erhöhungsverlangens, wie aufgezeigt, nicht dem Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zum anderen resultieren die Schwierigkeiten nicht in erster Linie aus der Benennung preisgebundener Wohnungen, sondern ergeben sich daraus, dass der Angabe von entsprechenden Entgelten lediglich dreier vergleichbarer Wohnungen mangels valider Datengrundlage ohnehin ein begrenzter Erkenntniswert bezüglich der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete zukommt (vgl. hierzu Staudinger/V. Emmerich, aaO Rn. 45; BeckOGK-BGB/Fleindl, Stand: 1. Oktober 2019, § 558a Rn. 3). Demzufolge kann die ortsübliche Vergleichsmiete im Falle des Bestreitens im Prozess im Regelfall nicht allein anhand von nur drei Vergleichswohnungen ermittelt werden (vgl. Senatsurteile vom 21. November 2012 – VIII ZR 46/12, NJW 2013, 775 Rn. 28; vom 6. November 2013 – VIII ZR 346/12, aaO Rn. 25; BayObLG, aaO).
25
Dieses Begründungsdefizit war dem Gesetzgeber bekannt, als er § 2 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) vom 18. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3604) in § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB durch das Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) überleitete (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 90). An der bis dahin geltenden Rechtslage sollte dennoch ausdrücklich festgehalten werden (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 54).
III.
26
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da es tatsächlicher Feststellungen zur Begründetheit der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung bedarf, nicht entscheidungsreif und daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dr. Milger     
      
Dr. Bünger     
      
Kosziol
      
Dr. Schmidt     
      
Wiegand     
      


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