Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Zulässigkeit der Wohnnutzung nach Abriss und Neuerrichtung einer Teileigentumseinheit

Aktenzeichen  36 S 6246/15 WEG

Datum:
12.5.2016
Fundstelle:
ZMR – 2016, 989
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 14 Nr. 1, § 15, § 22 Abs. 1
BauNVO § 4
BGB § 903, § 1004 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Eine von der Teilungserklärung abweichende Nutzungsart ist nach Art. 14 GG iVm §§ 13 Abs. 1, 1 Abs. 6 WEG zulässig, wenn sie die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer zulässigen Nutzung des Teileigentums üblicherweise zu erwarten ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ob eine Nutzung zu Wohnzwecken bei typisierender Betrachtungsweise wegen der intensiveren Nutzungsmöglichkeit generell mehr stört als eine gewerbliche Nutzung, ist eine Frage des Einzelfalls. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist der Miteigentümer auch berechtigt, seine – in der Teilungserklärung weitgehend wie Realeigentum ausgestaltete – Teileigentumseinheit abzureißen und neu zu errichten, ist zur Bestimmung der zulässigen Nutzungen nicht auf die ursprünglich vorhandene Bebauung abzustellen, sondern auf die nach der Teilungserklärung allgemein zulässigen Nutzungen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

483 C 7837/14 WEG 2015-03-06 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers zu 1) gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 06.03.2015, Az. 483 C 7837/14 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das.in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Wohnnutzung im Bereich eines als Teileigentumseinheit abgerissenen und neu errichteten Rückgebäudes.
Das Rückgebäude steht im Sondereigentum der Beklagten, die Kläger sind Sondereigentümer der im Vordergebäude befindlichen Einheiten Nr. 2 bis 17.
Das Amtsgericht München hat im Verfahren 483 C 7837/14 WEG am 06.03.2015 ein klageabweisendes Endurteil erlassen. Gegen dieses, der Klagepartei am 11.03.2015 zugestellte Endurteil hat der Kläger zu 1) mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 09.04.2015, bei Gericht eingegangen am 10.04.2015. Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vorn 11.06.2015, eingegangen bei Gericht am selben Tag begründet.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Der Kläger ist der Auffassung, ein Unterlassungsanspruch sei bereits dann gegeben, wenn eine Anlage um eine weitere Wohneinheit vergrößert werde. Dies müsse erst recht gelten, wenn eine reine Teileigentumseinheit beseitigt und statt dessen eine reine Wohneinheit errichtet werde.
Das Amtsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass bei typisierender Betrachtungsweise eine Wohnnutzung nicht mehr störe, als eine Nutzung als Teileigentum. Dabei habe es die Regelung der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung über die weitgehende wirtschaftliche und rechtliche Trennung von Vordergebäude und Rückgebäude falsch dahingehend ausgelegt, dass jeder der Eigentümer aufgrund der Trennung nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren könne und daher die Grenze des § 14 Nr. 1 WEG nicht überschritten sei. Damit habe das Amtsgericht die Ausnahme zur Regel gemacht und gegen den Sinn und Zweck der Regelungen §§ 1 Abs. 2, Abs. 3,14,15 WEG gehandelt.
Die ursprüngliche Teileigentumseinheit Nr. 1 sei zu Wohnzwecken ungeeignet gewesen. Ferner sei ein komplett neuer Raum geschaffen worden, im Keller und in Form einer Dachterrasse, der vorher nicht vorhanden war und allein einer Wohnnutzung diene.
Die Entscheidung des BGH vom 15.01.2010 (Ferienwohnung) V ZR 72/09 sei für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich, da es vorliegend nicht um die Frage gehe, ob eine Nutzung noch zulässige Wohnnutzung sei, sondern um die Frage, ob eine dauerhafte Wohnnutzung in einer Teileigentumseinheit zulässig sei. Eine Wohnnutzung stelle eine viel intensivere Nutzung dar, als eine Nutzung zu Nichtwohnzwecken, etwa als Garage, Werkstätte oder Lagerraum. Eine Wohnraumnutzung auf einer Terrasse mit Innenhof sei auch störender als beispielsweise eine Nutzung als Büro oder Atelier, Dem Mehrstören könne auch nicht entgegengehalten werden, dass Fälle denkbar seien, in denen es sich ausnahmsweise anders verhält.
Das Rotlichtmilieu könne bereits deshalb nicht in eine Vergleichsbetrachtung eingestellt werden, da die WEG in einem Sperrgebiet liege, für den die Landeshauptstadt München ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt habe. Spielhöllen und lärmende Gewerbebetriebe könnten dort nicht einmal ausnahmsweise zugelassen werden, § 4 BauNVO und seien daher ebenfalls für eine Vergleichsbetrachtung ungeeignet.
Der Gesetzgeber bilde in § 1 WEG mit Wohnungs- und Teileigentum zwei Oberkategorien. Dies zeige, dass die Umwandlung von einer Kategorie in eine andere an erhöhten Anforderungen zu messen sei. Die Zweckbestimmung Teileigentum werde sinnentleert, wenn jederzeit Teileigentum zu Wohnzwecken genutzt werden könne.
Vorder- und Rückgebäude seien nur grundsätzlich eigene Einheiten und soweit gesetzlich zulässig als selbständige Einheiten anzusehen und außerdem nur soweit rechtlich möglich so zu behandeln, als wenn es sich um jeweiliges Alleineigentum handeln würde. Auch die Mieter des Rückgebäudes seien Teil einer häuslichen Gemeinschaft. So gebe es beispielsweise nur einen Zugang zum Rückgebäude, nämlich durch das Vordergebäude. Sinn und Zweck der Regelung sei eine wirtschaftliche Trennung von Vorder- und Rückgebäude gewesen.
Soweit die Teilungserklärung vorsehe, dass der jeweilige Inhaber der Einheit Nr. 1 auch berechtigt sei, das derzeitige Rückgebäude abzubrechen und im Rahmen der baurechtlichen Vorschriften neu zu bebauen, sei gerade von einer wohnungseigentumsrechtlichen Nutzungsart nicht die Rede.
Hinsichtlich der Teileigentumseinheit Nr. 2 sei explizit festgehalten worden, dass diese in jeder behördlich zulässigen Weise genutzt werden dürfe, sowohl zu Wohnzwecken als auch gewerblich. Eine entsprechende Regelung fehle hinsichtlich der Teileigentumseinheit Nr. 1.
In den Jahren 2006 und 2009 seien für den Neubau einschließlich des Kellergeschosses Baugenehmigungen für eine Nutzungsänderung des Rückgebäudes von „Werkstätte“ zu „Büro/Atelier“ erteilt worden. Erst am 21.03.2011 sei beantragt worden: „Änderung von gewerblicher Nutzung in Wohnraum, Änderung von Garagennutzung in Wohnraum; bauliche Änderung; Errichtung einer Dachterrasse“.
Der neu geschaffene Baukörper habe die Fläche von 55,11 Quadratmeter auf 132.38 Quadratmeter vergrößert.
Der Kläger zu 1) beantragt,
I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 06.03.2015, Az.: 483 C 7837/14 WEG wird aufgehoben.
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, ihr Teileigentum Nr. 1 gemäß Aufteilungsplan mit Teilungserklärung vom 11.12.2002 zu Wohnzwecken als Wohnraum zu nutzen oder nutzen zu lassen.
2. Für den Fall einer jeden Zuwiderhandlung wird der Beklagten die Verhängung eines angemessenen Ordnungsgeldes angedroht
II Hilfsweise:
Das Urteil vom 06.03.2015 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverwiesen, falls das Gericht keine eigene Sachentscheidung trifft.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, das Erstgericht habe die Klage zurecht abgewiesen. Das Erstgericht sei zutreffend vom Grundsatz des § 903 BGB ausgegangen: Jeder Eigentümer könne nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren. Dabei habe es die bestehende Rechtsprechung umgesetzt, wonach eine von der im Grundbuch eingetragenen Nutzung abweichende Nutzung jedenfalls dann zulässig sei, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise generell nicht mehr stören oder beeinträchtigen kann als eine zulässige.
Das Rückgebäude sei im Aufteilungsplan als Teileigentum bezeichnet. Eine weitere Einschränkung des Nutzungszwecks ergebe sich aus der Teilungserklärung nicht. Soweit im Aufteilungsplan „Garage, Werkstatt, Lagerraum“ eingezeichnet sei, handele es sich nur um unverbindliche Nutzungsvorschläge des Architekten.
Der Aufteilungsplan solle seiner sachenrechtlichen Abgrenzungsfunktion entsprechend nur die räumliche Abgrenzung und die Lage und Größe der im Sonder- und Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteile regeln.
Dementsprechend regele die gültige Gemeinschaftsordnung vom 04.07.2003, Anlage III (Anlage K 2), dass das Rückgebäude und das Vordergebäude grundsätzlich eigene Einheiten bildeten, die soweit gesetzlich zulässig und mit vertretbaren Aufwand ausscheidbar als selbständige Einheiten anzusehen seien und soweit rechtlich zulässig zu behandeln seien, als ob es sich um jeweiliges Alleineigentum handeln würde. Dies gelte auch für sämtliche Baumaßnahmen, Insbesondere sei der jeweilige Eigentümer der Einheit Nr. 1 auch berechtigt, das derzeitige Rückgebäude abzubrechen und im Rahmen der bau rechtlichen Vorschriften neu zu bebauen.
Vorliegend könne die Teileigentumseinheit Nr. 1 zu jeglichen Nichtwohnzwecken genutzt werden. Nach § 4 BauNVO seien beispielsweise zulässig „der Versorgung des Gebiets dienende Laden, Schank- und Speisewirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, soziale gesundheitliche und sportliche Zwecke“. Zulässig seien somit beispielsweise eine Kindertagesstätte, Anlagen für sozial und sportliche Zwecke, Sport- (auch Kampfsport-) und Tanzstudios. Dies seien allesamt Nutzungen, die bei typisierender Betrachtungsweise mehr störten als eine bloße Wohnnutzung des Rückgebäudes.
Der Neubau sei als Wohnraum zu Wohnzwecken neu errichtet worden. Diese Nutzung sei Gegenstand der erteilten Bau- und Nutzungsgenehmigung und auch Gegenstand der entsprechenden Antragsunterlagen, die der damalige Eigentümer des Vordergebäudes mitunterzeichnet habe und mit denen sich auch die übrigen Eigentümer im weiteren Verlauf einverstanden erklärt hätten.
Auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2016 wird ergänzend Bezug genommen.
1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie entsprechend §§ 517, 519 f. ZPO form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht den Klägern nicht zu. Er ergibt sich weder aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB noch aus § 15 WEG. Die Kammer hält hier ausnahmsweise im konkreten Einzelfall angesichts der besonderen Bestimmungen in der Teilungserklärung eine Wohnnutzung für zulässig (anders z.B. BayObLG, NZM 2005, 263 bei Änderung der gewerblichen Nutzung eines Teileigentums in Wohnnutzung für psychisch erkrankte wohnsitzlose Personen).
Gemäß § 15 Abs. 3 kann jeder Wohnungseigentümer unter anderem einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Werden die in der Norm genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liegt hierin eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB, wenn diese bei typisierender Betrachtungsweise mehr stört als die vorgesehene Nutzung (BGH, Urteil vom 16.05.2014 -VZR 131/13, zitiert nach juris, m.w.N.),
2.1 Bei der Bestimmung der Teilungserklärung, das Rückgebäude sei Teileigentum handelt es sich um eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter (BayObLG, NJW-RR 1998, 946; BayObLG, WuM 1994, 222), Danach darf der betreffende Raum zwar nicht zu Wohnzwecken, aber grundsätzlich zu jedem anderen beliebigen beruflichen oder gewerblichen Zweck genutzt werden. Wird, wie hier, keine weitere, nähere Zweckbestimmung getroffen, kann sich eine Beschränkung allenfalls aus Charakter und baulicher Gestaltung der Anlage (Spielbauer/Then, WEG, 2. Auflage, § 14, Rdnr. 23; Bärmann, WEG, 13. Auflage, § 13, 38) bzw. Lage und Beschaffenheit der Räume (KG, ZMR 2007, 299 ff.) ergeben.
2.2 Eine Abänderung der Teilungserklärung dahingehend, dass der Nutzungszweck des Rückgebäudes geändert worden wäre, ist vorliegend nicht erfolgt.
Insbesondere ist bereits nicht erwiesen, dass der vormalige Eigentümer des Vordergebäudes einer Wohnnutzung zugestimmt hat. Soweit der Beklagtenvertreter insoweit auf die Unterzeichnung der Baupläne verweisen hat, hat der Klägervertreter substantiiert vorgetragen, dass das streitgegenständliche Rückgebäude nach Abriss zunächst als Büro/Atelier neu errichtet wurde und erst am 21,03.2011 die Änderung von gewerblicher Nutzung in Wohnraum und die Errichtung einer Dachterrasse beantragt worden sei.
Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.10.2010 (Anlage B 2) ist zwar in der Absichtserklärung unter TOP 1 von einer Wohnung 1 der Eigentümerin B. die Rede, doch kann die Formulierung einer Absichtserklärung keine Änderung des Nutzungszwecks bewirken. Auch durch Unterzeichnung des Freiflächengestaltungsplans wurde die Teilungserklärung nicht geändert. Der gemäß Bescheid vom 14.02:2011 genehmigte Freiflächengestaltungsplan (Anlage B 1) enthält auf einer Skizze den Eintrag „Whg 1 Eingang“. Der Bauantrag wurde für die WEG von der Hausverwaltung unterzeichnet. Eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer, den Nutzungszweck abzuändern, kann dem Plan nicht entnommen werden.
2.3 Teilweise wird darauf abgestellt, dass die Wohnungseigentümer mit der Nutzungsbeschränkung Teileigentum den gesetzlichen Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG konkretisiert hätten und deshalb generell keine andere Nutzung hinnehmen müssten (Jennißen/Weise, WEG, 2. Auflage, § 15 Rn. 19 d, 19 e und 37 f.). Nach ganz herrschender Meinung, der sich auch die Kammer anschließt, ist eine von der Teilungserklärung abweichende Nutzungsart jedoch nach Art. 14 GG i.V.m. 13 Abs. 1, 1 Abs. 6 WEG zulässig, wenn eine solche anderweitige Nutzung, die übrigen Wohnungseigentümer nicht Über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer zulässigen Nutzung des Teileigentums üblicherweise zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 72/09; BGH, Beschluss vom 16.06.2011 -V ZA 1/11, jeweils zitiert nach juris, m.w.N.). Vorzunehmen ist eine typisierende Betrachtungsweise, bezogen auf die Umstände des konkreten Einzelfalls. Entscheidend sind die typischen Folgen des beabsichtigten zweckbestimmungswidrigen Gebrauchs in der konkreten Anlage verglichen mit den typischen Folgen eines unter den dort gegebenen Umständen zulässigen Gebrauchs.
Im Hinblick auf § 22 Abs. 1 WEG ist in der Regel der vorgegebene Bestand der Räumlichkeiten für die Vergleichsbetrachtung maßgeblich. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass die Nutzung von Kellerräumen zu Wohnzwecken, die weiteren Wohnungseigentümer in aller Regel mehr beeinträchtigt, als eine Nutzung als Teileigentum, wenn sie die Einheit um eine weitere Wohneinheit vergrößert, denn die Wohnanlage erfährt hierdurch typisch erweise eine intensivere Nutzung, die mit erhöhter Aus- und Abnutzung verbunden ist (BGH, Beschluss vom 16.06.2011 -VZA1/11; BGHVZR 131/13).
Ob eine Nutzung zu Wohnzwecken bei typisierender Betrachtungsweise wegen der intensiveren Nutzungsmöglichkeit generell mehr stört als eine gewerbliche Nutzung, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht sagen (so ausdrücklich BayObLG, a.a.O.). Dies ist eine Frage des Einzelfalls, wobei neben dem Charakter der Wohnanlage und die diesen prägenden örtlichen Verhältnisse auch zu berücksichtigen ist, ob und inwieweit eine nähere Zweckbestimmung für das Teileigentum getroffen wurde. Dies ist hier nicht der Fall; die gewerbliche Nutzungsbefugnis nach der Teilungserklärung ist uneingeschränkt. Eine Besonderheit des vorliegenden Falles besteht weiter darin, dass die streitgegenständliche Teileigentumseinheit Nr. 1 (Rückgebäude) und das Vordergebäude mit den Wohnungs-/Teileigentumseinheiten Nr. 2 -17 grundsätzlich eigene Einheiten bilden, die soweit gesetzlich zulässig und tatsächlich bei vertretbarem Aufwand ausscheidbar als selbständige Einheiten anzusehen sind. Die Einheiten sind soweit möglich als jeweiliges Alleineigentum zu behandeln und es sind umfassende Sondernutzungsrechte eingeräumt; die Gefahr der erheblich intensiveren Nutzung von Gemeinschaftsflächen, wie im oben zitierten Fall des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NZM 2005, 263), in welchem die Nutzungsänderung zudem die Zahl der vorhandenen Wohnungen von 56 auf 113 ansteigen ließ, besteht daher hier nicht. Entscheidend fällt weiter die Bestimmung des 2. Nachtrags ins Gewicht, wonach der jeweilige Inhaber der Einheit Nummer 1 auch berechtigt ist, das Gebäude abzubrechen und im Rahmen der baurechtlichen Vorschriften neu zu bebauen. Dementsprechend kann für eine Vergleichsbetrachtung nicht auf eine in der Teilungserklärung vorgesehene Gestaltung des Rückgebäudes abgestellt werden, sondern nur auf nach der Teilungserklärung zulässige Vergleichsnutzungen des Rückgebäudes. Die ansonsten gegebene Schranke, wonach Räume nur im Rahmen ihrer gegebenen Lage und Beschaffenheit genutzt werden dürfen (BayObLG, NJW-RR 1995, 1103; BayObLG, NZM 1999, 80; OLG Frankfurt, ZWE 2013, 211) besteht daher hier nicht und es kommt daher nicht darauf an, ob die entsprechende Teileigentumseinheit, wie klägerseits vorgetragen wurde, für eine Wohnnutzung ungeeignet gewesen sei.
Die Kläger und Berufungskläger müssen sich insoweit nicht auf einen Vergleich der Wohnnutzung mit einer Nutzung im Rotlichtmilieu verweisen lassen. Das Anwesen liegt unstreitig in einem Sperrbezirk, so dass eine Nutzung des Rückgebäudes im Rotlichtmilieu unzulässig wäre. Nach der Beschreibung des Teileigentums in dem Gebäude, das im Übrigen in einem allgemeinen Wohngebiet liegt und bis auf die Einheiten Nr. 1 und 2 Wohneigentum ausweist, darf jedes beliebige, d.h. jedes erlaubte Gewerbe betrieben werden. Danach wären auch z.B. ein Gaststätten oder Cafebetrieb (nach BayObLG, NZM 2005, 263 auch ein Kinobetrieb), Einrichtungen für benachteiligte Personen oder Gruppen (Bärmann, a.a.O.), aber auch – nachdem keine weiteren Einschränkungen in der Teilungserklärung enthalten und auch umfassende Umbaumaßnahmen erlaubt sindbeispielsweise der Betrieb einer Kindertagesstätte oder eines Sportstudios etc. Soweit klägerseits im Rahmen der Vergleichsbetrachung lediglich auf eine Nutzung als Büro oder Atelier abgestellt wird, erfasst dies dagegen nur einen Teilausschnitt, Betrachtet man die zulässigen Vergleichsnutzungen, beeinträchtigt die Wohnnutzung des Rückgebäudes bei typisierender Betrachtungsweise die weiteren Wohnungseigentümer nicht mehr als beispielsweise die Nutzung als Tanz-, Sport- und Fitnesscenter bzw. Schank- und Speisewirtschaft. Hierbei kommt es zu Geruchsbeeinträchtigungen, zu Publikumsverkehr, zu Betriebszeiten sowohl tagsüber und unter der Woche als auch am späten Abend und an Sonn- und Feiertagen, Die Wohnnutzung nutzt weder das Gemeinschaftseigentum intensiver als die zulässige Vergleichsnutzung, noch ist sie in zeitlicher Hinsicht intensiver, noch führt sie zu andersartigen zusätzlichen Beeinträchtigungen.
Der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch ist daher nicht gegeben.
3. Die Kostenentscheidung folgt § 97 ZPO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entspricht §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es geht lediglich um die Auslegung des Gesetzes und einer konkreter Teilungserklärung anhand von im Wohnungseigentumsrecht allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen, nämlich die Frage zulässiger Nutzung in einem konkreten Einzelfall.
6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens war auf 20.000 € festzusetzen.
Das Gericht schätzt das Interesse der Parteien an der Wohnnutzung/Nichtwohnnutzung der Teileigentumseinheit Rückgebäude auf die doppelte Jahresnettomiete. Die Jahresnettomiete schätzt das Gericht vorliegend auf 20.000 €. Als Streitwert anzusetzen sind hiervon entsprechend § 49 a S. 1 GKG 50%, mithin die einjährige Jahresnettomiete von 20.000 €. Eine Reduzierung des Streitwerts im Hinblick auf § 49 a Abs. 1 S. 2 GKG ist nicht veranlasst Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Betrag von 20.000 € das Fünffache des klägerischen Interesses an der Unterlassung der Wohnnutzung übersteigt.


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