Patent- und Markenrecht

12 W (pat) 35/19

Aktenzeichen  12 W (pat) 35/19

Datum:
25.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:251121B12Wpat35.19.0
Spruchkörper:
12. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Rothe, der Richterin Bayer, des Richters Dipl.-Ing. Univ. Richter und des Richters Dr.-Ing. Herbst
beschlossen:
Der Beschluss der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. September 2018 wird aufgehoben und das Patent 11 2007 002 966 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021,
Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
Die weitergehende Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin 2 ist Inhaberin des am 28. April 2016 veröffentlichten Patents 11 2007 002 966 mit der Bezeichnung „Kraftübertragungsvorrichtung und Verfahren zur Steuerung der Reibarbeit einer Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen in einer derartigen Kraftübertragungsvorrichtung“, das auf die Internationale Anmeldung PCT/DE2007/002248 vom 13. Dezember 2007 zurückgeht, und die innere Priorität aus der Patentanmeldung 10 2006 061 548.4 vom 27. Dezember 2006 in Anspruch nimmt.
2
Gegen das Patent hatte die Beschwerdeführerin 1 am 26. Januar 2017 Einspruch eingelegt und als Widerrufsgrund geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei unzulässig erweitert und nicht patentfähig. Mit am Ende der Anhörung vom 26. September 2018 verkündeten Beschluss hat die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent beschränkt aufrechterhalten auf Basis des Hilfsantrag vom 26. September 2018. Sie hat dabei zur Begründung angegeben, der Gegenstand des mit dem damaligen Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 1 sei nicht neu; hingegen seien die mit Hilfsantrag verteidigten Patentansprüche 1 bis 13 nicht unzulässig geändert, und deren Gegenstand sei neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
3
Gegen diesen, der Einsprechenden und der Patentinhaberin jeweils am 14. November 2018 zugestellten Beschluss richten sich die am 19. November 2018 eingelegte Beschwerde der Einsprechenden und die am 27. November 2018 eingelegte Beschwerde der Patentinhaberin.
4
Die Beschwerdeführerin 2 hält das Patent im Umfang des Hilfsantrags 1 bzw. des Hilfsantrags 2, jeweils vom 4. November 2021 für patentfähig.
5
Die Beschwerdeführerin 1 und Einsprechende vertritt in ihrer Beschwerdebegründung vom 4. April 2019 die Auffassung, der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 sei unzulässig geändert, und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
6
Mit Schreiben vom 19. November 2021 macht sie zudem noch den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme geltend. Zur Begründung führt sie an, der Aufbau einer Kraftübertragungsvorrichtung mit der in den unabhängigen Ansprüchen der Hilfsanträge 1 und 2 (vom 4. November 2021) definierten Ausgestaltung beruhe nicht bzw. nicht nur auf Überlegungen der Patentinhaberin bzw. deren Erfinder, sondern insbesondere hinsichtlich der in die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 und 2 (vom 4. November 2021) nunmehr aufgenommenen Ausgestaltung der Getriebeeingangswelle auf Überlegungen von Mitarbeitern der Einsprechenden.
7
Nach dem Vortrag der Einsprechenden beruhe der Aufbau einer Kraftübertragungsvorrichtung mit der in den unabhängigen Ansprüchen des geltenden Hauptantrags (Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021) und des geltenden Hilfsantrags 1 (Hilfsantrag 2 vom 4. November 2021) definierten Ausgestaltung nicht nur auf Überlegungen der Patentinhaberin bzw. deren Erfinder, sondern hinsichtlich der in die unabhängigen Ansprüche der geltenden Anträge aufgenommenen Ausgestaltung der Getriebeeingangswelle gemäß Merkmal 1.9 auf Überlegungen von Mitarbeitern der Einsprechenden. Durch die Verwendung dieser Druckmittelzufuhr zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik gewinne die damit definierte Ausgestaltung einer Kraftübertragungsvorrichtung eine bisher nicht gegebene wesentliche Bedeutung.
8
Die Beschwerdeführerin 2 und Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 in allen Punkten entgegen. Den erstmalig mit Schriftsatz vom 19. November 2021 vorgebrachten Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme betrachtet sie als unzulässig, da er nicht innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht wurde; darüberhinaus läge auch keine widerrechtliche Entnahme vor, denn die Patentinhaberin habe die Ausgestaltung der Getriebeeingangswelle bereits vor 2006 gekannt.
9
Im Verfahren befinden sich die folgenden Entgegenhaltungen:
10
E1 DE 100 37 646 A1
11
E2 EP 1 371 875 A1
12
E3 WO 2007/ 054 047 A2 (nachveröffentlicht)
13
E4 WO 2007/ 054 062 A1 (nachveröffentlicht)
14
E5 DE 36 08 072 A1
15
E6 DE 100 17 801 B4 (nachveröffentlicht)
16
E7 DE 195 14 411 C5 (nachveröffentlicht)
17
E8 DE 10 2007 005 999 A1 (nachveröffentlicht)
18
E9 DE 198 22 665 A1
19
E10 DE 10 2006 009 968 A1 (nachveröffentlicht)
20
E11 DE 43 33 562 A1
21
E12 DE 10 2005 030 192 A1
22
Zum Beleg der widerrechtlichen Entnahme legt die Einsprechende mit ihrem Schreiben vom 19. November 2021 folgende Dokumente vor:
23
WE_1 E-Mail aus dem Hause der Einsprechenden vom 17. Januar 2006
24
WE_2 Besprechungsbericht zu einer Besprechung am 12. Januar 2006 (Anhang zur E-Mail vom 17. Januar 2006)
25
WE_3 Darstellung zu Drehmomentgrenzen bei verschiedenen Getrieben (Anhang zur E-Mail vom 17. Januar 2006)
26
WE_4 Darstellung zu einer Schnittstelle Wandler/Getriebe (Anhang zur E-Mail vom 17. Januar 2006)
27
WE_5 Bericht aus dem Hause der Patentinhaberin zu einem Entwicklungsgespräch vom 12. Januar 2006
28
WE_6 Bericht zu einem Entwicklungsgespräch vom 17. März 2006
29
Die Beschwerdeführerin 1 stellte den Antrag,
30
den Beschluss der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. September 2018 aufzuheben und das Patent 11 2007 002 966 zu widerrufen
31
und beantragt
32
hilfsweise ins schriftliche Verfahren überzugehen und
33
weiter hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
34
Die Beschwerdeführerin 2 stellte den Antrag,
35
den Beschluss der Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. September 2018 aufzuheben und das Patent 11 2007 002 966 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
36
Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021,
37
Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift;
38
hilfsweise mit folgenden Unterlagen:
39
Patentansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 2 vom 4. November 2021,
40
Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.
41
Patentanspruch 1 in der mit dem geltenden Hauptantrag (Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021) verteidigten Fassung lautet mit einer hinzugefügten Gliederung:
42
1.0 Kraftübertragungsvorrichtung (1) zur Anordnung in einem Antriebsstrang zwischen einer Antriebsmaschine und einem Getriebe
43
1.1 mit einer durch Druckmittelbeaufschlagung eines Kolbenelementes (10) betätigbaren schaltbaren Kupplung (2),
44
1.2 die unter Zwischenschaltung einer Vorrichtung (3) zur Dämpfung von Schwingungen
45
1.3 mit einem mit einer Getriebeeingangswelle (20) drehfest gekoppelten Nabenelement (4) verbunden ist,
46
dadurch gekennzeichnet, dass
47
1.4 wenigstens eine ein Reibmoment erzeugende Reibpaarung (53)
48
1.5 parallel zur Vorrichtung (3) zur Dämpfung von Schwingungen erzeugbar ist,
49
1.6 an welcher das Reibmoment in Abhängigkeit der Größe des an der schaltbaren Kupplung (2) anliegenden Anpressdruckes einstellbar ist,
50
1.7 wobei die das Reibmoment erzeugende Reibpaarung (53) zwischen dem Nabenelement (4) und der Vorrichtung (3) zur Dämpfung von Schwingungen vorgesehen ist,
51
1.8 wobei das Kolbenelement (10) der schaltbaren Kupplung (2) druckdicht an Anschlusselementen unter Ausbildung eines mit Druckmittel beaufschlagbaren Druckraumes (18) vorgesehen ist, und
52
1.9 der Druckraum über einen Anschluss (19) der über einen Versorgungskanal (45) gespeist wird, der von einem im Inneren der Getriebeeingangswelle (20) vorgesehen Rohrelement realisiert wird, mit Druckmittel versorgt wird.
53
An diesen Patentanspruch 1 schließen sich die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 an.
54
Der nebengeordnete Patentanspruch 14 in der mit dem geltenden Hauptantrag (Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021) verteidigten Fassung lautet mit einer hinzugefügten Gliederung:
55
14.0 Verfahren zur Steuerung der Reibarbeit einer Vorrichtung (3) zur Dämpfung von Schwingungen
56
14.1 in einer Kraftübertragungsvorrichtung (1) nach Anspruch 1
57
 dadurch gekennzeichnet, dass
58
14.2 bei Leistungsübertragung über die schaltbare Kupplungseinrichtung wenigstens die ein Reibmoment erzeugende Reibpaarung (53)
59
14.3 zwischen Nabenelement (4) und Vorrichtung (3) zur Dämpfung von Schwingungen erzeugt wird und
60
14.4 das Reibmoment in Abhängigkeit der Größe des über die schaltbare Kupplung (2) übertragenen Drehmomentes
61
14.5 durch Beaufschlagung der Reibpaarung mit einem zum Druck in der Kupplung (2) proportionalen Druckes eingestellt wird.
62
Bezüglich des Wortlauts der rückbezogenen Patentansprüche des geltenden Hauptantrags, des Wortlauts der Patentansprüche gemäß dem geltenden Hilfsantrag (Hilfsantrag 2 vom 4. November 2021) und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
63
Die Beschwerden sind zulässig. Die Beschwerde der Einsprechenden hat nur teilweise Erfolg, denn das Patent ist gemäß dem geltenden Hauptantrag (Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021) beschränkt aufrechtzuerhalten.
64
1. Das Patent betrifft eine Kraftübertragungsvorrichtung mit den Merkmalen aus dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 sowie ein Verfahren zur Steuerung der Reibarbeit in einer Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen in einer Kraftübertragungsvorrichtung nach Patentanspruch 14.
65
1.1 In Absatz [0002] der Patentschrift ist erläutert, dass Kraftübertragungsvorrichtungen in Dreikanalbauweise für den Einsatz in Antriebssträngen zwischen einer Antriebsmaschine und einem Abtrieb, insbesondere einer Getriebebaueinheit, in einer Vielzahl von Ausführungen bekannt seien. Diese umfassten in der Regel eine hydrodynamische Komponente in Form eines hydrodynamischen Drehzahl-/Drehmomentwandlers oder einer hydrodynamischen Kupplung, eine schaltbare Kupplung zur Umgehung der Leistungsübertragung über die hydrodynamische Komponente sowie eine Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen. Vorzugsweise sei die Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen in Form eines Drehschwingungsdämpfers im Kraftfluss vom Eingang zum Ausgang jeweils sowohl der hydrodynamischen Komponente als auch der schaltbaren Kupplung nachgeordnet, so dass in jedem Betriebszustand eine Dämpfung erfolge. Die Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen fungiere dabei als elastische Kupplung, d. h. übertrage Drehmoment und kompensiere gleichzeitig Drehungleichförmigkeiten. Die Vorrichtung sei daher auf das maximal zu übertragende Drehmoment auszulegen. Bei Ausführung der Kraftübertragungsvorrichtung in Dreikanalbauweise werde zur Überbrückung nicht der ohnehin im Innenraum vorliegende Druck genutzt, sondern der Druck werde gezielt in der gewünschten Größe angelegt. Dazu sei der schaltbaren Kupplung eine Stelleinrichtung zugeordnet, die ein Kolbenelement umfasse, das über eine mit Druckmittel beaufschlagbare Kammer betätigt werde und an den einzelnen Elementen der Kupplungseinrichtung derart wirke, dass diese miteinander in Wirkverbindung gebracht werden, im einfachsten Fall durch Reibschluss. Die im nachgeordneten Drehschwingungsdämpfer erzeugte Dämpfungswirkung sei dabei von seiner Auslegung abhängig, wobei diese im Wesentlichen durch die Auslegung der Mittel zur Feder- und/oder Dämpfungskopplung bestimmt werde. Dies bedeute, dass die Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen relativ groß baue.
66
Aus den in Absatz [0003] der Patentschrift genannten Druckschriften DE 100 37 646 A1 (E1) und EP 1 371 875 A1 (E2) seien jeweils Kraftübertragungsvorrichtungen bekannt, bei denen eine ein Reibmoment erzeugende Reibpaarung parallel zur Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen angeordnet sei.
67
1.2 Davon ausgehend liegt – in Übereinstimmung mit Absatz [0004] der Patentschrift – der Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Kraftübertragungsvorrichtung mit einer schaltbaren Kupplung und einer dieser nachgeordneten Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen auszubilden, bei welcher insbesondere im Überbrückungsbetrieb das Dämpfungsverhalten an der Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen in Abhängigkeit des über die Kupplungseinrichtung übertragbaren Momentes feinfühlig ohne großen zusätzlichen Aufwand einstellbar ist.
68
1.3 Diese Aufgabe soll durch eine Kraftübertragungsvorrichtung mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1, und durch ein Verfahren zur Steuerung der Reibarbeit mit den Merkmalen des nebengeordneten Patentanspruchs 14 gelöst werden.
69
1.4 Der mit der Lösung dieser Aufgabe befasste Fachmann ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Abschluss als Dipl.-Ing. oder Master an einer Fachhochschule oder Hochschule für angewandte Wissenschaften, mit besonderen Kenntnissen und mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Systemen und Komponenten zur Schwingungsreduzierung im automobilen Antriebsstrang.
70
1.5 Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Patentschrift zeigt eine erfindungsgemäße Kraftübertragungsvorrichtung:
71
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(Patentschrift, Fig. 1)
72
1.6 Hinsichtlich des Verständnisses der Lehre aus Patentanspruch 1 sind folgende Erläuterungen notwendig:
73
a) Nach Merkmal 1.0 muss die Kraftübertragungsvorrichtung dafür geeignet sein, in einem Antriebsstrang zwischen einer Antriebsmaschine und einem Getriebe angeordnet zu werden.
74
Weder in den Patentansprüchen noch in der Beschreibung sind der Antriebsstrang, die Antriebsmaschine oder das Getriebe näher spezifiziert. Jedoch erkennt der Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang des Patents, dass der Antriebsstrang für ein Kraftfahrzeug mit einem Verbrennungsmotor und einem dafür geeigneten Wechselgetriebe vorgesehen ist.
75
b) Die in Merkmal 1.1 genannte schaltbare Kupplung muss von einem druckmittelbeaufschlagten Kolben betätigt werden. Patentanspruch 1 lässt offen, ob die Druckmittelbeaufschlagung des Kolbens die Kupplung schließen oder öffnen soll.
76
In der Beschreibung der Patentschrift ist in Absatz [0011] zu einer bevorzugten Ausführung angegeben, dass die Beaufschlagung des Kolbenelementes die Kupplung schließt, jedoch ist der Patentanspruch nicht darauf beschränkt.
77
c) Die Merkmale 1.2 und 1.3 fordern, dass eine Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen zwischen der schaltbaren Kupplung und einer Getriebeeingangswelle angeordnet ist. Nach Merkmal 1.3 muss die Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen mit einem Nabenelement verbunden sein, das drehfest mit der Getriebeeingangswelle gekoppelt ist.
78
Zur Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen enthält Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags keine Aussagen. Nach der Beschreibung Absatz [0007] soll über die Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen eine gewisse Grunddämpfung ausgeübt werden.
79
d) Nach den Merkmalen 1.4 und 1.5 ist parallel zur Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen eine Reibpaarung erzeugbar, die ein Reibmoment erzeugt. Der Angabe, dass die Reibpaarung „erzeugbar“ ist, entnimmt der Fachmann, dass die Reibpaarung nicht in jedem Betriebszustand vorliegen muss bzw. wirksam sein muss.
80
Zusammen mit dem Merkmal 1.6, wonach das Reibmoment in Abhängigkeit der Größe des an der schaltbaren Kupplung anliegenden Anpressdruckes einstellbar sein soll, ergibt sich für den Fachmann, dass bei fehlendem Anpressdruck auch kein Reibmoment erzeugt wird.
81
e) Die das Reibmoment erzeugende Reibpaarung ist nach Merkmal 1.7 zwischen dem Nabenelement und der Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen vorgesehen.
82
Weitere Angaben zur das Reibmoment erzeugenden Reibpaarung enthält der Patentanspruch 1 nicht.
83
Auch enthält die übrige Patentschrift keinen Hinweis auf die Größe des Reibmoments.
84
Absatz [0007] der Beschreibung gibt lediglich noch einen Hinweis zur Funktionalität dieser Reibpaarung: Danach wird über die Reibpaarung eine zusätzliche Reibkraft erzeugt, die – zusätzlich zu der Grunddämpfung aus der Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen – einen variablen Dämpfungsanteil ermöglicht, der als Funktion der Größe des übertragbaren Momentes fungiert. Jedoch gibt auch diese Funktionsangabe keinen Hinweis auf die Größe des Reibmoments.
85
Alle übrigen Angaben in der Beschreibung oder den Unteransprüchen zu der das Reibmoment erzeugenden Reibpaarung beziehen sich auf Ausführungsbeispiele oder optionale Ausführungsformen, und erlauben keine einschränkende Auslegung des Patentanspruchs 1 nach dem geltenden Hauptantrag.
86
f) Merkmal 1.8 verlangt, dass das Kolbenelement der schaltbaren Kupplung druckdicht an Anschlusselementen unter Ausbildung eines mit Druckmittel beaufschlagba-ren Druckraumes vorgesehen ist. In der Beschreibung (Absatz [0008]) der Patentschrift ist hierzu angegeben, dass das Kolbenelement an den Anschlusselementen in axialer Richtung verschiebbar geführt ist, wobei ein Anschlusselement vom Nabenelement gebildet wird. Das bedeutet aus fachmännischer Sicht, dass das Kolbenelement über seinen gesamten axialen Verschiebeweg druckdicht ist.
87
g) Nach Merkmal 1.9 soll der Versorgungskanal von einem im Inneren der Getriebeeingangswelle vorgesehen Rohrelement realisiert werden.
88
Ein Rohrelement ist in der Patentschrift (Abs. [0021] S. 6 re. Sp.) ausschließlich im Zusammenhang mit dem einzigen Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 genannt, aber nicht eindeutig festgelegt.
89
Der Fachmann versteht unter einem „Rohrelement“ ein rohrförmiges Einzelteil, aus dem mit anderen (vorliegend: Getriebeeingangswelle) zusammen etwas (vorliegend: Versorgungskanal) konstruiert bzw. aufgebaut wird. D. h. das Rohrelement nach Patentanspruch 1 ist aus fachmännischer Sicht ein separates Teil, aber kein Bestandteil der Getriebeeingangswelle. So stellt beispielsweise eine Bohrung in einer Getriebeeingangswelle kein Rohrelement i. S. v. Merkmal 1.9 dar.
90
Gestützt wird diese Auslegung durch die Fig. 1 und die zugehörige Beschreibung der Patentschrift (Abs. [0021] S. 6 re. Sp.): „Dazu weist dieser (Anschluss) zwei … koaxial angeordnete Kanäle 44, 45 auf, wobei der eine der beiden Kanäle, vorzugsweise der zum Anschluss an den zweiten Anschluss 40 den jeweils anderen Kanal ringförmig umschließt.“ Dies wird im dargestellten Fall über ein inneres Rohrelement 46 realisiert, welches mit seinem Innenumfang 47 den Versorgungskanal 45 für den Anschluss 19 bildet, während es mit seinem Außenumfang und einem weiteren Innenumfang 49 der Stützwelle 52 den Versorgungskanal 50 begrenzt“.
91
2. Der Gegenstand des Patents in der mit dem geltenden Hauptantrag verteidigten Fassung ist durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt, gegenüber der erteilten Fassung beschränkt und damit zulässig.
92
2.1 Die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach dem geltenden Hauptantrag beruhen auf dem erteilten Patentanspruch 1, der durch die Merkmale 1.8 und 1.9 beschränkt wird.
93
Die ursprüngliche Offenbarung der Merkmale des Patentanspruchs 1 nach dem Hauptantrag beruht auf dem ursprünglichen Patentanspruch 1 (Merkmale 1.0 bis 1.6; siehe Offenlegungsschrift WO 2008/080381 A1 der zug. PCT-Anmeldung), dem ursprünglichen Patentanspruch 13 i. V. m. den Figuren 1 bis 3 (Merkmal 1.7), der ursprünglichen Beschreibung (siehe WO 2008/080381 A1) auf Seite 2, unterster Absatz und dem ursprünglichen Patentanspruch 2 (Merkmal 1.8), sowie der ursprünglichen Beschreibung auf dem die Seiten 5 und 6 übergreifender Satz, Seite 6 mittig und Seite 9, vierte und dritte Zeile v. u. (Merkmal 1.9).
94
Das Merkmal 1.8 findet sich auch in der Beschreibung der Patentschrift Abs. [0008] (2. Satz) und dem erteilten Patentanspruch 3 (zweiter Satzteil nach dem ersten „und“).
95
Zum Merkmal 1.9 finden sich in der Patentschrift folgende Angaben in der Beschreibung: „mit Druckmittel beaufschlagbarer Druckraum 18 […], der über wenigstens einen Anschluss 19 mit Druckmittel versorgt wird“ (Abs. [0017] S. 4 re. Sp. oberes Drittel), „der Anschluss 19 ist über die Eingangswelle 20 mit Druckmittel beaufschlagbar“ (Abs. [0017] S. 4 re. Sp. unteres Drittel), und „inneres Rohrelement 46 […], welches mit seinem Innenumfang 47 den Versorgungskanal 45 für den Anschluss 19 bildet“ (Abs. [0021] S. 6 re. Sp.).
96
Da sich alle Offenbarungsstellen der Merkmale 1.8 und 1.9 auf das einzige Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 beziehen, sind sie als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen. Außerdem schränken sie die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 ein und begründen kein Aliud.
97
2.2 Der nebengeordnete Patentanspruch 14 nach dem geltenden Hauptantrag beruht auf dem erteilten Patentanspruch 14, wobei die Merkmale, die die Kraftübertragungsvorrichtung beschreiben, durch eine Bezugnahme auf Patentanspruch 1 ersetzt wurden. Der erteilte Patentanspruch 14 unterscheidet sich vom ursprünglichen Patentanspruch 13 lediglich in der Nummerierung.
98
2.3 Die nachgeordneten geltenden Unteransprüche 2 bis 13 beruhen auf den erteilten Ansprüchen 2 bis 13, wobei lediglich in den Patentansprüchen 9 und 12 jeweils ein offensichtlich unrichtiger Rückbezug geändert wurde. Die erteilten Patentansprüche 2 bis 13 finden ihre Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 12.
99
2.4 Die Priorität der Patentanmeldung 10 2006 061 548.4 vom 27. Dezember 2006 wird zu Recht in Anspruch genommen.
100
Zwar zeigen die Unterlagen zur Prioritätsbescheinigung DE10 2006 061 548.4, die zu der Patentanmeldung PCT/DE2007/002248 eingereicht wurden, als Zeichnung ausschließlich eine Figur 1, die ersichtlich nur die obere Hälfte der Figur 1 der Patentschrift zeigt.
101
Wie die Patentinhaberin dem Senat in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage einer Kopie der ursprünglichen Unterlagen zur Prioritätsanmeldung DE10 2006 061 548.4 glaubhaft belegt hat, wurde mit deren Anmeldung eine Zeichnung eingereicht, die drei Figuren enthält, die inhaltlich mit den Figuren 1 bis 3 der Patentschrift übereinstimmen.
102
Somit ist unter Anwendung der PCT-Regel 17 c und d die Priorität zu Recht in Anspruch genommen worden.
103
3. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag (Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021) ist patentfähig, insbesondere ist er gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
104
3.1 Die im Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hauptantrag angegebene, gewerblich anwendbare Kraftübertragungsvorrichtung ist neu, da keiner der Entgegenhaltungen E1 bis E12 sämtliche im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale zu entnehmen sind.
105
a) Ob die nachveröffentlichte Druckschrift DE 10 2006 009 968 A1 (E10) in dem Ausführungsbeispiel nach der nachfolgend wiedergegebenen Fig. 3 einen Gegenstand mit den Merkmalen 1.0 bis 1.7 offenbart, kann dahingestellt bleiben.
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106
(Fig. 3 der E10)
107
Jedenfalls ist aus der Beschreibung der Fig. 1 der E10 eine „Getriebeeingangswelle 36, die über zwei diametral zueinander angeordnete Axialdurchgänge 37, 39 für fluidförmiges Medium verfügt“, bekannt (E10 Abs. [0015]). „Über die erste Axialbohrung 37 der Getriebeeingangswelle 36 eingeströmtes fluidförmiges Medium gelangt nach Austritt am antriebsseitigen Ende der Getriebeeingangswelle 36 […] in eine Druckkammer 50, die axial zwischen dem Gehäusedeckel 7 und dem Kolben 54 der Überbrückungskupplung 48 angeordnet ist“ (E10 Abs. [0017]). Der „Kolben 54“ ist „über eine Abdichtung 134 in Form einer radial inneren Kolbendichtung gegenüber der Torsionsdämpfernabe 33 und über eine radial äußere Kolbendichtung 136 gegenüber dem Gehäusedeckel 7 abgedichtet“ (E10 Abs. [0016]). Damit dürfte aus E10 zwar das Merkmal 1.8 sowie ein Teil des Merkmals 1.9, nämlich dass der Druckraum über einen Anschluss und einen Versorgungskanal gespeist wird, bekannt sein.
108
Hingegen offenbart die E10 nicht den restlichen Teil des Merkmals 1.9, dass der als Versorgungskanal fungierende „Axialdurchgang 37“ durch ein Rohrelement realisiert wird, denn der „Axialdurchgang 37“ ist in der E10 ausschließlich und explizit als „Axialbohrung 37 der Getriebeeingangswelle 36“ beschrieben.
109
b) Auch aus der ebenfalls nachveröffentlichten DE 10 2007 005 999 A1 (E8) ist nicht bekannt, einen Versorgungskanal durch ein Rohrelement zu realisieren. Denn ein „Axialdurchgang 46“, durch den „fluidförmiges Medium […] in einen zwischen dem Gehäusedeckel 20 und dem Kolben 62 vorgesehenen antriebsseitigen Druckraum 105“ gelangt (E8 Abs. [0047] – [0048]), ist in einer „als Abtrieb 18 dienende[n] Getriebeeingangswelle 19“ vorgesehen (E8 Abs. [0044]), und in den Figuren ausschließlich als Längsbohrung in der einen „Getriebeeingangswelle 19“ dargestellt. Für eine andere Ausgestaltung als eine Längsbohrung gibt die Beschreibung der E8 keine Hinweise.
110
c) Die beiden nachveröffentlichten Schriften WO 2007/054047 A2 (E3) und WO 2007/054062 A1 (E4) offenbaren ebenfalls nicht, einen Versorgungskanal durch ein Rohrelement zu realisieren.
111
Aus beiden Druckschriften ist bekannt, eine nicht näher bezeichnete Druckkammer mit einem Kolben („Kolben 58“ in der E3 und „Kolben 80“ in der E4) über eine nicht näher bezeichnete Axialbohrung in einer „Ausgangswelle 44“ (E3) bzw. in einer „Ausgangswelle 38“ (E4) mit Druckmedium zu beaufschlagen. Diese Axialbohrung ist ausschließlich in den Figuren der E3/E4 gezeigt. In der jeweiligen Beschreibung ist sie nicht einmal erwähnt, so dass die Beschreibungen auch keinen Hinweis auf eine andere Ausgestaltung als eine Axialbohrung geben können.
112
d) Die Druckschrift DE 43 33 562 A1 (E11) betrifft eine Kraftübertragungseinrichtung, die in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der E11 dargestellt ist.
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113
(Fig. 1 der E11)
114
Diese Kraftübertragungseinrichtung nach E11 weist eine Wandlerüberbrückungskupplung 18 mit einem Kolben 27 auf. Der Kolben 27 ist mit seinem radial inneren Bereich 28 auf einem Nabenteil 14 axial verschieblich gelagert. Mit Hilfe einer Dichtung 29 sind der Kolben 27 und die Nabe 14 zueinander abgedichtet und können so einen druckdichten Raum 30 bilden, der sich radial nach außen zwischen einer Gehäusewandung 12 und dem Kolben 27 erstreckt. Die radial äußere Abdichtung des druckdichten Raums 30 erfolgt – ausschließlich bei geschlossener Wandlerüberbrückungskupplung 18 – durch Reibbereiche 31 und 32 an Kolben 27 und Gehäusewandung 12 sowie einen Reibbelag 33, der auf einen der beiden Reibbereiche 31, 32 aufgebracht ist (E11 Sp. 7 Z. 1 – 17).
115
Die Überbrückungskupplung 18 wird durch einen Druck geschlossen, den eine im Innenraum des Gehäuses 2 enthaltene Flüssigkeit, wie Öl, erzeugt, und der auf die dem Turbinenrad 13 zugewandten Seite des Kolbens 27 eine Axialkraft in Richtung auf die Gehäusewandung 12 zu erzeugt. Zum Öffnen der Überbrückungskupplung 18 wird über einen Zufuhrkanal 39 Druckmedium in den Ringraum 30 eingeführt, bis die daraus resultierende Axialkraft eine genügende Höhe erreicht, um den Kolben 27 axial in Richtung Turbinenrad 13 zu verschieben, und somit die Reibbereiche 31 und 32 voneinander abgehoben werden. Bei geöffneter Überbrückungskupplung 18 fließt Druckmittel zwischen den Reibbereichen 31 und 32 aus dem Ringraum 30 radial nach außen ab (E11 Sp. 8 Z. 10 – 25).
116
Die Kraftübertragungseinrichtung nach E11 weist weiter einen drehelastischen Dämpfer 16 auf, der als Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen gemäß Merkmal 1.2 fungiert. Ein Ausgangsteil des drehelastischen Dämpfers 16 ist mit der Nabe 14 fest verbunden (E11 Sp. 7 Z. 37 – 56). Ein Bauteil 23, das mit der Eingangsseite des drehelastischen Dämpfers 16 verbunden ist, ist radial innen verdrehbar auf der Nabe 14 gelagert (E11 Sp. 6 Z. 15 – 19). Die Lagerung des Bauteils 23 auf der Nabe 14 stellt eine ein Reibmoment erzeugende Reibpaarung gemäß den Merkmalen 1.4 und 1.7 dar, wobei diese Reibpaarung entsprechend Merkmal 1.5 parallel zur Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen, also dem drehelastischen Dämpfer 16, erzeugbar ist.
117
Bei der Kraftübertragungseinrichtung nach E11 wird ein die Reibbereiche 31 und 32 schließender Anpressdruck nur erreicht, wenn der Druck im Innenraum des Gehäuses 2 größer als der Druck im Ringraum 30 ist. Dieser Druck im Gehäuseinnenraum drückt zwar den Kolben 27 in Richtung auf die Gehäusewandung 12, hat jedoch keinerlei Auswirkung auf die Reibung der Lagerung des Bauteils 23 auf der Nabe 14. Denn der Druck im Innenraum des Gehäuses 2 kann weder auf das Bauteil 23 noch auf die Nabe 14 Kräfte ausüben, weil beide jeweils so im Innenraum des Gehäuses 2 angeordnet sind, dass sich die Druckkräfte gegenseitig aufheben, wie der Fachmann der Fig. 1 der E11 entnimmt. Damit ist es bei der Kraftübertragungseinrichtung nach E11 nicht möglich, das Reibmoment in Abhängigkeit der Größe des an der schaltbaren Kupplung anliegenden Anpressdruckes einzustellen, so dass die E11 das Merkmal 1.6 nicht offenbart.
118
Auch ist aus der E11 kein Kolbenelement bekannt, das entsprechend Merkmal 1.8 druckdicht an Anschlusselementen unter Ausbildung eines mit Druckmittel beaufschlagbaren Druckraumes vorgesehen ist, denn die radial äußere Abdichtung des druckdichten Raums 30 erfolgt ausschließlich bei geschlossener Wandlerüberbrückungskupplung 18.
119
Ein Versorgungskanal, der von einem im Inneren einer Getriebeeingangswelle vorgesehen Rohrelement realisiert wird, entsprechend Merkmal 1.9 ist aus der E11 auch nicht bekannt.
120
e) Aus den Offenlegungsschriften DE 198 22 665 A1 (E9) und DE 10 2005 030 192 A1 (E12) ist jeweils ein Versorgungskanal bekannt, der entsprechend Merkmal 1.9 von einem im Inneren einer Getriebeeingangswelle vorgesehen Rohrelement realisiert wird (E9: Fig. 1 innerhalb einer Getriebeeingangswelle 9, ohne Bzz.; E12: Abs. [0036] – [0038], Fig. 7 Pos. 33).
121
Jedoch offenbart keine der beiden Druckschriften E9 und E12 eine Reibpaarung parallel zu einer Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen, an welcher das Reibmoment in Abhängigkeit der Größe des an einer schaltbaren Kupplung anliegenden Anpressdruckes einstellbar ist, so dass aus diesen beiden Druckschriften die Merkmale 1.4 bis 1.7 nicht bekannt sind. Entsprechendes ist auch von der Einsprechenden nicht geltend gemacht worden.
122
3.2 Die Kraftübertragungsvorrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hauptantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
123
a) Die nachveröffentlichten Druckschriften E3, E4, E8 und E10 bleiben bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit unberücksichtigt (§ 4 Satz 2 PatG).
124
b) Der vorveröffentlichte Stand der Technik nach E11 kann in fachmännischer Zusammenschau mit einer bekannten Doppelkupplungsanordnung nach E12 nicht zu einem Gegenstand mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach dem geltenden Hauptantrag führen.
125
Da, wie oben zur Neuheit ausgeführt, weder aus der E11 noch aus der E12 eine Kraftübertragungsvorrichtung mit dem Merkmal 1.6 nach Patentanspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag bekannt ist, kann auch von keiner dieser Entgegenhaltungen für sich oder in der Kombination untereinander eine Anregung zu diesem Merkmal ausgehen.
126
Auch der Umstand, dass einer anspruchsgemäßen Kraftübertragungsvorrichtung keine schwer zu überwindenden technischen Hindernisse im Weg standen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass Merkmal 1.6 nahegelegen habe, denn auch dann hätte das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung geben müssen, um zu der erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2013 – X ZR 118/11, Tz. 28 m. w. N. – [Werkzeugkupplung]). Dies ist hier nicht der Fall.
127
c) Die weiteren, im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem geltenden Hauptantrag weiter ab. Sie offenbaren nichts, was zusätzlich in Richtung der Erfindung nach dem mit dem geltenden Hauptantrag verteidigten Patent weist; auch die Einsprechende macht insoweit nichts geltend. Diese Schriften bedürfen daher keiner weiteren Erörterung, vgl. BGH, Urt. v. 07.11.2000 – X ZR 145/98, GRUR 2001, 232 (II.1.c)) – Brieflocher.
128
3.3 Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1. Sie haben deshalb zusammen mit diesem Bestand.
129
4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 14 gemäß dem geltenden Hauptantrag (Hilfsantrag 1 vom 4. November 2021) ist patentfähig.
130
Das Verfahren nach Patentanspruch 14 gemäß dem geltenden Hauptantrag betrifft ein Arbeitsverfahren. Es nimmt die gegenständliche Ausgestaltung der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hauptantrag in Bezug und ist durch diese Ausgestaltung in besonderer Weise charakterisiert. Da die Vorrichtung nach Patentanspruch 1, wie vorstehend dargelegt, durch den Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt ist, gilt dies auch für das Arbeitsverfahren nach Patentanspruch 14, der die Betriebsweise der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 unter Schutz stellt. Das Verfahren nach Patentanspruch 14 wird somit von der Patentfähigkeit der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 getragen.
131
5. Der geltend gemachte Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG) kann zwar zulässig noch im Beschwerdeverfahren erhoben werden, greift aber nicht durch.
132
5.1 Der von der Einsprechenden in ihrer Rolle als Beschwerdeführerin 1 erstmalig im Einspruchsbeschwerdeverfahren zusätzlich vorgebrachte Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme muss vom Senat berücksichtigt werden, da ein Einsprechender zusätzliche Widerrufsgründe geltend machen kann, vgl. BGH, Beschl. v. 8. November 2016 – X Z. B. 1/16, LS b), Tz. 34 – Ventileinrichtung. Ob der Einsprechende alleine im Einspruchsverfahren eine der widerrechtliche Entnahme geltend machen kann, obwohl er lediglich ein Teilmerkmal als von der Patentinhaberin übernommen vorträgt, kann dahingestellt bleiben, da die Voraussetzungen einer widerrechtlichen Entnahme nicht vorliegen.
133
5.2 Insoweit die Einsprechende widerrechtliche Entnahme geltend macht, fehlt es nämlich an der hierzu notwendigen Voraussetzung einer Wesensgleichheit zwischen patentierter und behaupteter entnommener Erfindung.
134
Selbst wenn man zu Gunsten der Einsprechenden unterstellt, dass die Ausgestaltung der Getriebeeingangswelle gemäß Merkmal 1.9 auf Überlegungen von Mitarbeitern der Einsprechenden beruht und dass diese Ausgestaltung seitens der Patentinhaberin ohne deren Einwilligung in die Patentanmeldung aufgenommen worden ist, liegt keine widerrechtliche Entnahme vor.
135
Denn das Merkmal 1.9 stellt keinen wesentlichen Inhalt des mit dem geltenden Hauptantrag und dem geltenden Hilfsantrag verteidigten Patents dar.
136
Der Gegenstand, der nach dem Vortrag der Einsprechenden durch die Patentinhaberin widerrechtlich entnommen worden ist, wird durch die vorgelegte, nachfolgend wiedergegebene Darstellung einer Schnittstelle Wandler/Getriebe, datiert auf den 12. Januar 2006 und bezeichnet als ZF-Vorschlag zu einem 3L-Wandler gemäß Anlage WE_4, charakterisiert.
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen
137
(WE_4)
138
Der Anlage WE_4 lässt sich das Teilmerkmal des Merkmals 1.9 entnehmen, wonach ein Versorgungskanal von einem im Inneren der Getriebeeingangswelle vorgesehenen Rohrelement realisiert wird. Selbst wenn der Fachmann dieser Darstellung entnimmt, dass dieser Versorgungskanal einen Druckraum eines Kolbenelements mit Druckmittel versorgt, offenbart die Darstellung der WE_4 lediglich ein Nabenelement, jedoch keine Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen. Damit sind das Merkmal 1.2 und insbesondere die Merkmale 1.4 bis 1.7, die die patentgemäße Erfindung im Wesentlichen charakterisieren, sind nicht Bestandteil des ZF-Vorschlags zu einem 3L-Wandler gemäß Anlage WE_4.
139
Denn die Merkmale 1.4 bis 1.7 betreffen eine ein Reibmoment erzeugende Reibpaarung, und geben eine Lösung an für die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, nach der eine Kraftübertragungsvorrichtung mit einer schaltbaren Kupplung und einer dieser nachgeordneten Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen ausgebildet werden soll, bei welcher insbesondere im Überbrückungsbetrieb das Dämpfungsverhalten an der Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen in Abhängigkeit des über die Kupplungseinrichtung übertragbaren Momentes feinfühlig ohne großen zusätzlichen Aufwand einstellbar ist. Ohne die Merkmale 1.4 bis 1.7 wäre diese Aufgabe nicht gelöst. Die Realisierung des den Druckraum speisenden Versorgungskanals als im Innern der Getriebeeingangswelle vorgesehenes Rohrelement, wie dies der ZF-Vorschlag zu einem 3L-Wandler gemäß Anlage WE_4 bzw. das Patent nach Merkmal 1.9 vorsehen, führt zu einer vorteilhaften Ausgestaltung der Kraftübertragungsvorrichtung nach den Merkmalen 1.0 bis 1.7. Jedoch trägt dieses Merkmal für sich gesehen zur Lösung dieser Aufgabe nichts bei. Es kommt daher auch nicht darauf an, dass in der WE_6 auf der Seite 12 ein solches Rohrelement erkennbar ist und das Streitpatent eine solche Ausgestaltung beansprucht und in Figur 1 des Streitpatent zeigt.
140
Damit liegt im vorliegenden Fall eine widerrechtliche Entnahme nicht vor, weil der wesentliche Inhalt des Patents nicht dem Erfindungsbesitz des Einsprechenden entnommen und ohne dessen Einwilligung zur Patenterteilung angemeldet worden ist.
141
6. Nachdem das Patent bereits gemäß dem geltenden Hauptantrag beschränkt aufrechterhalten wurde, erübrigen sich Ausführungen zum geltenden Hilfsantrag.
142
7. Dem Antrag der Einsprechenden aus Gründen des rechtlichen Gehörs ins schriftliche Verfahren überzugehen, damit sie noch eine weitere Recherche durchführen kann und damit sie für den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme noch weiter vortragen kann und hierzu Zeugen ermitteln sowie Unterlagen zusammenstellen kann, was ihr wegen der Kürze der Zeit noch nicht möglich gewesen sei, wird nicht entsprochen. Hinsichtlich der geltend gemachten widerrechtlichen Entnahme scheitert dieser Einspruchsgrund bereits daran, dass das Merkmal des Patents, das ihrer Auffassung nach die Patentinhaberin widerrechtlich entnommen habe, nicht den wesentlichen Inhalt des Patents darstellt, so dass es auf Zeugen und Unterlagen, die belegen sollen, dass dieses Merkmal auf die Einsprechende zurückgeht, nicht ankommt.
143
8. Der Anregung der Einsprechenden, gemäß § 100 Abs. 2 PatG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wird nicht entsprochen. Die Frage, ob das Merkmal, das nach Ansicht der Einsprechenden die Patentinhaberin widerrechtlich entnommen hat, den wesentlichen Inhalt des Patents im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr.3 PatG darstellt, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert im vorliegenden Fall nicht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Frage, ob prinzipiell ein einzelnes Merkmal den wesentlichen Inhalt des Patents darstellen kann oder nicht, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da jedenfalls das Merkmal, das die Einsprechende als von ihr stammend behauptet, nicht zum wesentliche Inhalt des Patents gehört. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht dafür gedacht, einer Partei mehr Zeit für Recherchen, sachlichen und rechtlichen Vortrag zu geben, zumal der diesbezügliche Vortrag nicht entscheidungserheblich gewesen wäre. Dieser Wunsch allein rechtfertigt nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde.


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