Patent- und Markenrecht

20 W (pat) 4/21

Aktenzeichen  20 W (pat) 4/21

Datum:
27.9.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:270921B20Wpat4.21.0
Spruchkörper:
20. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache
hier: Wiedereinsetzung und Verfahrenskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27.09.2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Musiol, der Richterin Dorn sowie der Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dr.-Ing. Ball
beschlossen:
1. Dem Anmelder wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.
2. Der Antrag des Anmelders auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) – Prüfungsstelle für Klasse F03G – hat die vom Anmelder am 24.01.2006 eingereichte Patentanmeldung … mit der Bezeichnung „…“ mit Beschluss vom 17.09.2018 zurückgewiesen. Der Zurückweisung lagen die Patentansprüche 1 bis 6 in der Fassung vom 16.06.2007, eingegangen beim DPMA am 28.06.2007, zugrunde. Zur Begründung hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass es sich bei dem Anmeldungsgegenstand um ein „perpetuum mobile“ handele, das als solches objektiv nicht realisierbar und damit seinem Wesen nach keine Erfindung i. S. d. § 1 Abs. 1 PatG sei. Darüber hinaus fehle dem Anmeldungsgegenstand die zur Patentierung notwendige technische Brauchbarkeit und sei deshalb nicht ausführbar i. S. d. § 34 Abs. 4 PatG.
2
Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schreiben vom 13.10.2018, eingegangen beim DPMA am 18.10.2018, Beschwerde eingelegt, mit der er sinngemäß geltend macht, dass er die Einschätzung der Prüfungsstelle in der angefochtenen Entscheidung nicht teile. Der Anmelder hat seine Argumentation mit weiteren Schreiben vom 17.10.2018, 18.11.2018 und 10.01.2019 (dort „zweiter / dritter Teil der Beschwerde“) ergänzt.
3
Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.03.2019 ist dem Anmelder mitgeteilt worden, dass keine Beschwerdegebühr entrichtet wurde, so dass die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gelten dürfte.
4
Der Anmelder hat daraufhin mit Schreiben vom 20.03.2019 auf die bereits gestellten bzw. bewilligten Verfahrenskostenhilfeanträge beim DPMA hingewiesen und um entsprechende Hilfe gebeten.
5
Mit Schreiben des Senats vom 14.07.2021 wurde der Anmelder zur Frage der Verfahrenskostenhilfe darauf hingewiesen, dass die diesbezüglichen Bewilligungsbeschlüsse des DPMA vom 16.05.2007 bzw. vom 13.12.2017 ausschließlich für das Patenterteilungsverfahren sowie hinsichtlich des am 18.12.2017 aufgehobenen Zurückweisungsbeschlusses vom 01.02.2017 gelten würden. Der Senat lege jedoch das Gesuch des Anmelders gemäß Schreiben vom 20.03.2019 zu seinen Gunsten als erneuten Verfahrenskostenhilfeantrag für das hier vorliegende Beschwerdeverfahren vor dem BPatG aus. Allerdings fehle mangels hinreichender Erfolgsaussicht auf Erteilung eines Patents die gemäß § 130 Abs. 1 PatG erforderliche Voraussetzung für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Der Anmelder hat sich hierzu im Schreiben vom 24.07.2021 inhaltlich geäußert und die Durchführung entsprechender „Gegenexperimente“ beantragt.
6
Aus dem Prüfungsverfahren ist folgender Stand der Technik aktenkundig:
7
D1 DE 2 934 032 A1.
8
Der Senat hat mit Schreiben vom 14.07.2021 die folgenden weiteren Druckschriften eingeführt:
9
D2 US 5 728 951 A
10
D3 DE 696 29 824 T2
11
D4 DE 31 02 490 A1.
12
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
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13
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 6 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
14
1. Dem Anmelder war Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG) zu gewähren, da er nach Überzeugung des Senats ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 123 Abs. 1 PatG).
15
Der Anmelder befand sich offensichtlich in einem Rechtsirrtum darüber, dass die ihm vom DPMA durch Beschluss vom 13.12.2017 „für das Beschwerdeverfahren“ bewilligte Verfahrenskostenhilfe nicht auch die Kosten eines Beschwerdeverfahrens vor dem Bundespatentgericht (BPatG) mit umfasst und er deshalb nicht von der Zahlung der Beschwerdegebühr befreit ist.
16
Die Bewilligung in dem vorgenannten Beschluss bezog sich ausweislich der Gründe zwar nur auf das Abhilfeverfahren, welches das DPMA als Folge der von ihm vorgenommenen Umdeutung des vom Anmelder am 02.08.2017 gestellten Antrags auf Weiterbehandlung analog § 140 BGB in eine Beschwerde gegen den Beschluss vom 01.02.2017 eingeleitet hat. Das DPMA hat daraufhin der Beschwerde des Anmelders mit Beschluss vom 18.12.2017 auch abgeholfen und die Sache erneut in Behandlung genommen.
17
Diese Beschränkung der Verfahrenskostenhilfebewilligung auf das fragliche Abhilfeverfahren vor dem DPMA war für den anwaltlich nicht vertretenen Anmelder aber offenbar nicht hinreichend erkennbar, denn anders lässt sich nicht erklären, dass er zwar fristgerecht Beschwerde eingelegt, aber nicht gleichzeitig Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt hat (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 17.11.2009 – 19 W (pat) 137/09). Dieser Irrtum hat sich offenkundig erst durch das gerichtliche Schreiben vom 08.03.2019, zugestellt am 09.03.2019, aufgeklärt, mit welchem der Anmelder auf die fehlende Gebührenzahlung hingewiesen wurde, woraufhin er mit Schreiben vom 20.03.2019, eingegangen am 26.03.2019, unverzüglich auf den bereits gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag beim DPMA hingewiesen und sinngemäß auch einen erneuten Verfahrenskostenhilfeantrag für das Verfahren vor dem BPatG gestellt hat.
18
Zwar ist ein Rechtsirrtum bzw. mangelnde Rechtskenntnis grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund (vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn 140 m.w.N.). Vorliegend erachtet der Senat die irrige Rechtsauffassung des Anmelders aber ausnahmsweise für entschuldbar. Insbesondere ist dem Beschluss des DPMA vom 13.12.2017 kein aufklärender Hinweis dahingehend zu entnehmen, dass die Bewilligung nur für das erstinstanzliche Abhilfeverfahren vor dem DPMA gilt, nicht jedoch für ein anschließendes Rechtsmittelverfahren vor dem BPatG. Zudem lässt auch die Rechtsmittelbelehrung zu dem die Patentanmeldung zurückweisenden Beschluss des DPMA vom 17.09.2018 einen gesonderten Hinweis auf die Notwendigkeit der gesonderten Beantragung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vermissen. Vor diesem Hintergrund beruht die mangelnde Kenntnis der Rechtslage ausnahmsweise nicht auf einem Verschulden des Anmelders (vgl. auch BPatG a.a.O.).
19
Die versäumte Handlung, hier die Stellung des Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (anstelle der Zahlung der Beschwerdegebühr), wurde am 26.03.2019, also innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses am 09.03.2019 (Zustellung des gerichtlichen Schreibens vom 08.03.2019) nachgeholt (§ 123 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 PatG). Die Wiedereinsetzung konnte daher auch ohne ausdrücklichen Antrag des Anmelders von Amts wegen gewährt werden (§ 123 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 PatG). Die Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ist gewahrt.
20
2. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist jedoch nicht begründet.
21
2.1 Verfahrenskostenhilfe kann – ungeachtet des Vorliegens der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für deren Bewilligung – gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 PatG nur gewährt werden, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents besteht. Hierzu ist im Hinblick auf den Charakter des Verfahrenskostenhilfeverfahrens als einem summarischen Verfahren eine vorläufige Würdigung der Erfolgsaussichten erforderlich, aber auch ausreichend (vgl. Schulte, Patentgesetz, 10. Aufl., § 130 Rn 41 m. w. N.).
22
Nach dieser Würdigung ist vorliegend eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents jedoch zu verneinen, wie im Folgenden näher ausgeführt wird:
23
2.2 Die objektive Aufgabe der vorliegenden Anmeldung … mit dem Titel „…“ bestehe darin, eine Vorrichtung zu schaffen, die einen Wirkungsgrad größer oder gleich 100% aufweise (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0011], dort „… über Umkehrgetriebe-Wirkung das ursprüngliche Drehsystem noch stärker antreiben als nur etwa zur Aufrechterhaltung der Tourenzahl nötig ist, also wird das Gesamtsystem immer schneller.“, Abs. [0020], dort „… ist im laufenden System die Arbeit der Kugelbeschleunigung im Mitnahmering der Scheibe nicht mehr gleich der gewonnenen Sekundärring-Rotationsenergie, letztere ist höher und steigt weiter.“, Abs. [0031] u. [0032], dort „… lässt sich daraus ein Überschuss herauslösen. Denn Primärring und Sekundärring werden immer schneller, liefern immer stärker Energie zurück, während gleichzeitig die …- …, siehe oben, immer weniger Erhaltungsenergie benötigt … kann dieselbe z.B. einen Schnellläufer-Generator antreiben.“).
24
Gemäß der Beschreibung wird ein Rotationssystem mit einer oder mehreren rotierenden waagerechten Drehscheiben vorgeschlagen, bei der bspw. Kugeln vom Zentrum einer rotierenden, massiven, inneren Drehscheibe ausgehend von einem Ruhezustand (dort „null Einsatzenergie“) ganz von alleine in einer radialen oder spiralförmigen Bahn nach außen rollen, wobei sie durch Einwirken der Zentrifugalkraft sowie der Corioliskraft beschleunigt würden, so dass die Kugeln am Scheibenrand, wenn (tangential) austretend bzw. die spiralige Rollbahn verlassend, eine bestimmte Corioliskraft-bedingte „Flug-Geschwindigkeit“ hätten (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0003], [0012]). Die in den Kugeln gespeicherte kinetische Energie bzw. Rotationsenergie soll an ein „Löffelwerk“ abgegeben werden, welches sich an einem ebenfalls drehbaren Außenring (Primärring) befinde und welches dadurch in entgegengesetzter Richtung zur Scheibe zu rotieren beginne (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0003]). Die so gewonnene Energie soll über ein Umkehrgetriebe zurückgekoppelt und wieder der ursprünglichen zentralen Drehscheibe zur weiteren Beschleunigung der Rotation zugeführt werden, wobei sogar ein Energieüberschuss entstehe (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0011], dort „… und können so mit grösserer Rückwirkungsenergie aus Ihrer Flugbahn … über Umkehrgetriebe-Wirkung das ursprüngliche Drehsystem noch stärker antreiben als nur etwa zur Aufrechterhaltung der Tourenzahl nötig ist, also wird das Gesamtsystem immer schneller.“).
25
Anzumerken ist, dass gemäß Offenlegungsschrift Absatz [0002] die nicht reibungsfreie Vorrichtung sehr wohl Anschubenergie sowie Energie zum Aufrechterhalten der Rotation benötigt, welche gemäß Absatz [0017] durch einen Motor bereitgestellt wird, dessen Fremdstrom allerdings im Betrieb reduziert werden soll, bzw. auf welchen gemäß Absatz [0024] nachher (d.h. wohl „im laufenden Betrieb“) völlig verzichtet werden könne.
26
Hier geht die Anmeldung jedoch fehl. Die Vorrichtung aus rückgekoppelten Drehscheiben und rollenden Kugeln kann keine überschüssige Energie erzeugen. Sämtliche in den Kugeln gespeicherte kinetische Energie und Rotationsenergie muss zunächst vom Motor aufgebracht werden und über die rotierende Drehscheibe mittels Reibungskräften auf die Kugeln übertragen werden. Beim Auftreffen der Kugeln auf das Löffelwerk des Primärrings kann durch Impulsübertragung bestenfalls diese vorab in die Kugeln hineingesteckte Bewegungs-/Rotations-Energie rekuperiert und mit dem Umkehrgetriebe zu der zentralen Drehscheibe zurückgeführt werden.
27
Darüber hinaus dürfen der Hebeaufwand für die Kugeln bei der Rückführung zum Zentrum in einer tiefergelegenen Ebene unterhalb der Drehscheibe sowie die Reibungsverluste in den Lagern, im Getriebe sowie beim Rollen der Kugeln nicht vernachlässigt werden.
28
Die Anmeldung übersieht offensichtlich, dass hier zwei unterschiedlich rotierende Bezugssysteme vorliegen, nämlich zum einen die rotierende Scheibe und zum anderen die rotierende Erde. Auf bewegte Massen wirkt für einen auf der Drehscheibe mitbewegten Beobachter die sogenannte Coriolis-Kraft m*(v x w), welche eine orthogonal zur Bewegungsrichtung einer Masse wirkende, reine Scheinkraft ist, und welche einem mitbewegten bzw. sich weiterdrehenden Beobachter in dessen Bezugssystem eine virtuelle Krafteinwirkung vortäuscht. Die spiralartige Bewegungstrajektorie der Kugel auf der Drehscheibe rührt von der Coriolis-Kraft hinsichtlich des Bezugssystems der drehenden Scheibe her. Denn eine bewegte Kugel versucht aufgrund der Massen-Trägheit ihren ursprünglichen Bewegungszustand stets beizubehalten. Daher kann die Vorrichtung – entgegen der Auffassung des Anmelders – weder den Rotationen noch aus der Coriolis-Kraft irgendeine überschüssige Energie entnehmen.
29
In einer weiteren Ausführungsform soll das Rotationssystem dann mittels eines gleichsinnig zur Drehscheibe rotierenden Sekundärrings auf einer tieferen Ebene unterhalb von Drehscheibe und Primärring durch Festhalten, Beschleunigen und Wegschleudern von „kraftlos“ vom Löffelwerk des Primärrings herabfallenden Kugeln noch mehr zusätzliche Energie generieren (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0015]). Aber weder die Rückkopplung des Primärrings mittels Umkehrgetriebe noch die Mitkopplung eines potentiellen weiteren Sekundärrings ist in der Lage, die Rotation der zentralen Drehscheibe zu verstärken, da dies dem allseits anerkannten Energieerhaltungssatz der Physik widersprechen würde (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0030], dort „coriolisartige Energieabgabe am Primärring“, Abs. [0024], dort „sekundäre Aussenring erfährt dadurch fortlaufend einen Drall, er wird dadurch immer schneller und treibt über ein Mitlaufgetriebe oder über von ihm angetriebenen Generator mit dessen Strom die Kugelroll-Drehscheibe zusätzlich an, bzw. verstärkt deren Drall“).
30
Mittels der vermeintlichen Erfindung soll aus Sicht des Fachmannes also ein „perpetuum mobile“ realisiert werden, welches sogar Überschussenergie mittels eines Generators für eine anderweitige Verwendung erzeugt. Dies entnimmt er der Anmeldung explizit an mehreren Stellen unmittelbar und eindeutig (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0011], dort „also wird das Gesamtsystem immer schneller“, Abs. [0016], dort „Ein mit diesem sekundären Ring verbundener Generator liefert Strom für zusätzlichen Antrieb der Kugelroll-Drehscheibe“, Abs. [0018], dort „Es ergibt sich eine stetige Steigerung der Rotation des Sekundärringes mitsamt seiner ganzen Masse, was anderweitig nutzbar ist.“, Abs. [0019] – [0020], dort „ist im laufenden System die Arbeit der Kugelbeschleunigung im Mitnahmering der Scheibe nicht mehr gleich der gewonnenen Sekundärring-Rotationsenergie, letztere ist höher und steigt weiter.“ sowie Abs. [0031] – [0032], dort „lässt sich daraus ein Überschuss herauslösen. Denn Primärring und Sekundärring werden immer schneller, liefern immer stärker Energie zurück … einen Schnellläufer-Generator antreiben.“).
31
Die Lehre der Anmeldung ist vor dem o.g. Hintergrund technisch nicht brauchbar, da durch diese die Aufgabe, eine Vorrichtung zu schaffen, die einen Wirkungsgrad größer oder gleich 100% aufweist, nicht lösbar ist. Sie ist daher keine Erfindung im Sinne von § 1 PatG und somit einer Patenterteilung nicht zugänglich (vgl. BGH, Beschluss vom 27.09.1984 – X ZB 5/84, BlPMZ 1985, 117 – Energiegewinnungsgerät).
32
Ein experimenteller Versuchsaufbau – wie vom Anmelder beantragt – ist weder angezeigt noch geboten, da weder das DPMA noch das BPatG zur Durchführung von praktischen Versuchen bzw. Gegenexperimenten bei der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen verpflichtet sind; dies ist auch rechtlich nicht vorgesehen. Abgesehen davon kennt die Ermittlung von Amts wegen Grenzen und ist unzumutbar bzw. kann unterbleiben, wenn dazu bei sorgfältiger Überlegung kein Anlass besteht (vgl. Schulte, PatG, 10. Aufl., Einl. Rn 34). Dies ist vorliegend der Fall. Denn ein „perpetuum mobile“ verstößt gegen anerkannte physikalische Gesetze, so dass dessen Lehre objektiv ohnehin nicht realisierbar ist (vgl. Schulte, a.a.O., § 1 Rn 35). Der alledem zugrundeliegende Satz von der Erhaltung der Energie ist von der Fachwelt durchweg und allgemein anerkannt und konnte trotz mannigfaltigster Widerlegungsversuche in Theorie und Praxis bisher nicht widerlegt werden, so dass sich ein Hinwirken auf weitergehende experimentelle Ermittlungen auch überhaupt nicht aufdrängt (vgl. Schulte, a.a.O., Einl. Rn 40).
33
2.3 Der geltende Patentanspruch 1 in der Fassung vom 16.06.2007 geht zudem über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und ist damit unzulässig gemäß § 38 Satz 2 PatG.
34
Der unabhängige Patentanspruch 1 lautet (Gliederung durch den Senat hinzugefügt und Merkmal M1.3.1 orthographisch richtiggestellt):
35
M1 Ein Rotationssystem
36
M1.1 mit einer oder mehreren rotierten waagerechten Drehscheiben und
37
M1.2 darauf bzw. an ihm/ihnen befindlichen Rollkugeln zum Wirkenlassen der Zentrifugalkraft auf diese Kugeln,
38
dadurch gekennzeichnet, dass
39
M1.2.1 dieselben, der Corioliskraft folgend, während der Scheibenrotation eine nach der anderen zum Scheibenrand hin rollen, bzw. in entsprechend der Spirallinie der Coriollskraftwirkung gelegten beispielsweise aufgeschweissten mehreren Bahnen dorthin rollen und dadurch eine eigene kinetische Energie bekommen,
40
M1.2.2 die sie befähigt, nach Verlassen der Scheibe ein Stück weit sich weiter zu bewegen,
41
M1.3 beispielsweise auf einem unabhängig von der genannten Scheibe dicht anschliessenden, drehbar gelagerten Ring,
42
M1.3.1 welcher Löffelschaufel aufweist, die dabei angestossen werden,
43
M1.3.2 wodurch der genannte Ring in Drehbewegung versetzt wird,
44
M1.3.3 welche Drehung nun genutzt werden kann,
45
M1.3.4 beispielsweise um durch Umkehrgetriebe den Antrieb der oben genannten rotierten Drehscheibe zu verstärken.
46
In den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen vom 24.01.2006 sind die „aufgeschweißten Bahnen“ gemäß Merkmal M1.2.1 des Patentanspruchs 1 lediglich in der Zusammenfassung offenbart, welche ausschließlich der technischen Unterrichtung gemäß § 36 Abs. 2 PatG dient. Da die Zusammenfassung nicht Teil der Offenbarung ist, kann diese daher nicht für die Bestimmung des Schutzumfangs bzw. als ursprüngliche Offenbarung der Erfindung im Sinne von § 34 Abs. 4 PatG herangezogen werden.
47
Darüber hinaus ist der „dicht anschließende Ring“ gemäß Merkmal M1.3 des Patentanspruchs 1 den ursprünglichen Anmeldeunterlagen überhaupt nicht zu entnehmen.
48
Schließlich werden im Merkmal M1.3.4 gemäß Patentanspruch 1 durch die Formulierung des „Umkehrgetriebes“ mit dem Wortlaut „beispielsweise“ als rein fakultatives Merkmal nur einzelne Merkmale der beiden Ausführungsbeispiele der Erfindung aufgenommen, so dass die sich daraus ergebende Merkmalskombination über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht, da sie in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11.09.2001, X ZB 18/00 – Drehmomentenübertragungseinrichtung).
49
2.4 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist darüber hinaus – bei Betrachtung seiner räumlich-körperlichen Vorrichtungsmerkmale – auch nicht patentfähig, da dieser dem Fachmann in sämtlichen genannten Merkmalen aus dem Stand der Technik nahegelegt ist und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1, § 4 PatG).
50
Die vom Senat eingeführten Druckschriften US 5 728 951 A (D2), DE 696 29 824 T2 (D3) und DE 31 02 490 A1 (D4) betreffen jeweils Rotationssysteme mit rotierenden waagerechten Drehscheiben.
51
Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Physiker mit abgeschlossenem Universitätsstudium.
52
Die Druckschrift D2 betrifft einen Massendurchflussmesser basierend auf der Coriolis-Kraft (vgl. D2 Titel, dort „coriolis effect mass flowmeter using concentric rotors“) umfassend (Merkmalsgliederung des Patentanspruchs 1 mit markierten optionalen und fakultativen Merkmalen durch den Senat):
53
M1 Ein Rotationssystem (vgl. D2, Sp. 3, Z. 30 – 36, dort „rotary Coriolis flowmeter“; Anspruch 1, dort „a rotor positioned within said housing and having a center axis of rotation“)
54
M1.1 mit einer oder mehreren rotierten waagerechten Drehscheiben (vgl. D2, Fig. 10, 13, 14 und 18, Sp. 3, Z. 30 – 36, dort „outer rotor, an inner (Coriolis) coaxial rotor“) und
55
M1.2 darauf [optional, bzw. = „oder“] bzw. an ihm/ihnen befindlichen Rollkugeln zum Wirkenlassen der Zentrifugalkraft auf diese Kugeln (vgl. D2, Sp. 19, Z. 38 – 41, dort „the fluid travels radially outward and thus centrifugal force enhances fluid flow and reduces pressure drop“; D2, Sp. 27, Z. 46 – 55, dort „It is to be understood that the apparatus of the present invention may accommodate not only fluids per se but any other material that may flow or be pumped by the disclosed apparatus. Such other materials may include air, gases, slurries, and liquids, as well as fluids.“),
56
dadurch gekennzeichnet, dass
57
M1.2.1 dieselben, der Corioliskraft folgend, während der Scheibenrotation eine nach der anderen zum Scheibenrand hin rollen, [optional, bzw. = „oder“] bzw. in entsprechend der Spirallinie der Corioliskraftwirkung gelegten [fakultativ] beispielsweise aufgeschweissten mehreren Bahnen dorthin rollen und dadurch eine eigene kinetische Energie bekommen (vgl. D2, Fig. 9 i. V. m. Sp. 15, Z. 55 – Sp. 18, Z. 2, dort „curvature of rotor holes“; D2 Sp. 3, Z. 41 – 51, dort „The fluid flowing through aligned holes spins the rotors and imparts a torque to the rotors that is proportional to the fluid mass flow rate. This torque applies equally to both the outer and Coriolis rotors … experiences Coriolis torque. The resultant angular deflection of the Coriolis rotor with respect to the outer rotor is proportional to mass flow rate.“),
58
M1.2.2 die sie befähigt, nach Verlassen der Scheibe ein Stück weit sich weiter zu bewegen (vgl. D2, Fig. 13, 14, Sp. 3, Z. 30 – 36, dort „outer rotor“; D2, Sp. 4, Z. 10 – 14, dort „The holes of the Coriolis rotor extend the fluid to mating holes in the fluid shear decoupler which rotates with the outer rotor and which transforms the fluid from radial flow as received from the holes of the Coriolis rotor to an axial flow that is applied to the fluid outlet of the flowmeter.“),
59
M1.3 [fakultativ] beispielsweise auf einem unabhängig von der genannten Scheibe dicht anschliessenden, drehbar gelagerten Ring (vgl. D2, Fig. 13, 14, 16, 18, Sp. 3, Z. 30 – 36, dort „outer rotor“),
60
M1.3.1 welcher Löffelschaufel aufweist, die dabei angestossen werden (vgl. D2, Fig. 8, 10, 16, 18 i. V. m. Sp. 4, Z. 20 – 21, dort „the holes in the Coriolis rotor are radial, while the holes in the outer rotor have a 90° bend“ und Sp. 13, Z. 59 – 60, dort „The incoming fluid is abruptly accelerated tangentially as it enters the outer rotor“),
61
M1.3.2 wodurch der genannte Ring in Drehbewegung versetzt wird (vgl. D2, Fig. 9, 10 und Sp. 18, Z. 6 – 20, dort „The reaction force of the fluid as it makes this 90° turn in holes 1002 causes outer rotor 1001 to spin.“; Sp. 19, Z. 23, Z. 65, dort „velocity of the rotor“, „rotor phase angle“),
62
M1.3.3 welche Drehung nun genutzt werden kann (vgl. D2, Sp. 3, Z. 30 – 36, dort „The mass flow rate through the flowmeter is determined by measuring the rotational displacement between the outer rotor and the Coriolis rotor.“),
63
M1.3.4 [fakultativ] beispielsweise um durch Umkehrgetriebe den Antrieb der oben genannten rotierten Drehscheibe zu verstärken.
64
Der Coriolis-Flussmesser gemäß Druckschrift D2 kann zwar für beliebige Materialien – insbesondere Flüssigkeiten sowie Gase – verwendet werden (vgl. D2, Sp. 27, Z. 46 – 55, dort „any other material that may flow or be pumped“), die D2 schweigt jedoch explizit hinsichtlich der beanspruchten Rollkugeln gemäß Merkmal M1.2. Der Fachmann kennt zum Anmeldezeitpunkt neben Flüssigkeiten und Gasen eine Vielzahl weiterer Materialien, welche für eine Flussmessung mittels Coriolis-Flussmesser geeignet sind. Als Beleg für dieses fachmännische Wissen dient bspw. die D3, welche eine Durchflussmessung mittels Coriolis-Flussmesser von Körnern, Pulver oder granularen Festkörpern lehrt, vgl. D3 Fig.1 und Abs. [0001] bis [0003]. Bei den genannten Körnern bzw. granularen Festkörpern handelt es sich offensichtlich um „Rollkugeln“ im Sinn der Anmeldung.
65
Damit sind dem Fachmann sämtliche Merkmale M1 bis M1.3.3 des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 alleine aus der Druckschrift D2 in Verbindung mit seinem Fachwissen bzw. ebenfalls aus der Zusammenschau der Druckschriften D2 und D3 nahegelegt.
66
In der Druckschrift D2 fehlt zwar das derzeit fakultative Merkmal M1.3.4 eines Umkehrgetriebes, welches zwischen die beiden rotierenden Drehscheiben geschaltet wird. Der Fachmann würde jedoch ein solches, sich zwischen zwei gegensinnig drehenden, scheibenförmigen Rotationstriebkörpern befindendes Umkehrgetriebe zwanglos der Druckschrift D4, Fig. 5 und Fig. 6 i. V. m. Seite 22 zweitletzter Absatz sowie Seite 27 vierter Absatz (zu Ziffer 18) entnehmen.
67
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es sich bei dem Coriolis-Flussmesser gemäß D2, trotz der Analogien zum Anmeldegegenstand bezüglich des Vorrichtungsaufbaus bei gleichzeitiger Verwendung derselben physikalischen Prinzipien, keinesfalls um einen zur Energiegewinnung geeigneten Generator, sondern letztendlich „nur“ um ein empfindliches Messgerät handelt, welches zum Erzielen genauer Messwerte eine dauerhafte Zuführung von Energie mittels der Bewegungsenergie des zu messenden Materieflusses bzw. mittels der Antriebsenergie des Motors benötigt (vgl. D2, Sp. 19, Z. 37 – Sp. 20, Z. 54, dort „motor assist“, „signal to noise ratio“, „accurate meter“).
68
Nach alledem beruht der beanspruchte Gegenstand daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
69
2.5 Sonstige Anhaltspunkte, die eine hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents rechtfertigen könnten, sind den Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen.
70
Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher zurückzuweisen.
71
3. Die durch den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zunächst gehemmte, restliche Zahlungsfrist zur Entrichtung der Beschwerdegebühr beginnt nach Maßgabe des § 134 PatG wieder zu laufen (vgl. Schulte, a.a.O., § 134 Rn 9). Der Anmelder hat daher grundsätzlich die Möglichkeit, die Beschwerdegebühr noch bis zum endgültigen Ablauf der Zahlungsfrist zu entrichten. Allerdings wird auf die fehlende Aussicht auf Erteilung des nachgesuchten Patents aus den oben dargelegten Gründen hingewiesen.
72
4. Die Entscheidung erging gemäß § 136 PatG i. V. m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung.


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