Patent- und Markenrecht

25 W (pat) 573/20

Aktenzeichen  25 W (pat) 573/20

Datum:
7.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2021:070721B25Wpat573.20.0
Spruchkörper:
25. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. Juli 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2020 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen der Klasse 43 zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.
1
Die Bezeichnung
2
SwissmountainPharma
3
ist am 29. August 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 5:
5
Nahrungsergänzungsmittel; Nahrungsergänzungsgetränke; medizinische Nahrungsergänzungsstoffe; Nahrungszusatz- und -ergänzungsmittel; Nahrungszusätze und -ergänzungsmittel;
6
Klasse 9:
7
Elektronische Publikationen; elektronische Publikationen (herunterladbar); herunterladbare elektronische Publikationen;
8
Klasse 16:
9
Regelmäßig gedruckte Publikationen; periodische Publikationen;
10
Klasse 41:
11
Durchführung von Fortbildungsseminaren; Durchführung von medizinischen Fortbildungskursen; Organisation und Durchführung von Seminaren, Konferenzen, Aus-und Fortbildungskursen; medizinische Ausbildung; Ausbildung im medizinischen Bereich; Beratung in Bezug auf medizinische Ausbildung; Organisation von Ausbildungsseminaren im medizinischen Bereich; Veröffentlichung und Herausgabe von Publikationen; Bereitstellen elektronischer Publikationen [nicht herunterladbar]; Veröffentlichung von Zeitschriften und nicht-periodischen Publikationen, mit Ausnahme von Werbetexten;
12
Klasse 42:
13
Technische Beratung zu Forschungsdienstleistungen über Nahrungsmittel und
14
Nahrungsergänzungen;
15
Klasse 43:
16
Dienstleistungen von Hotels; Dienstleistungen von Hotels, Bars und Restaurants; Beherbergung von Tourismus- und Urlaubsgästen in Hotels, Hostels und Pensionen; Beherbergung von Gästen in Hotels, Motels und Pensionen;
17
Klasse 44:
18
Betrieb von Kliniken; Dienstleistungen von Kliniken; Dienstleistungen von medizinischen Kliniken und Gesundheitskliniken; von Kliniken und Spitälern erbrachte medizinische Behandlungen; von Kliniken und Krankenhäusern erbrachte medizinische Behandlungen; Dienstleistungen von Kliniken für plastische und für kosmetische Chirurgie; medizinische Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen durch Ärzte und sonstiges medizinisches Fachpersonal; medizinische Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen von Ärzten und sonstigen medizinischem Fachpersonal; Dienstleistungen eines Arztes; Zurverfügungstellen von Informationen in Bezug auf diätetische – und Nahrungsergänzungsmittel.
19
Mit Beschluss vom 12. Juni 2020 hat die Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamts die unter der Nummer 30 2018 020 985.4 geführte Anmeldung für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung werde von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich sachbezogen als Hinweis auf ein Unternehmen mit Sitz in der Schweizer Bergregion verstanden, das pharmazeutische Nahrungsergänzungsmittel mit Inhaltsstoffen aus den Schweizer Bergen herstelle, vertreibe und entwickle.
20
Die Bezeichnung SwissmountainPharma erschöpfe sich in einer werbeüblichen Aneinanderreihung dreier Begriffe des englischen Grundwortschatzes. Denn “Swiss” habe die Bedeutungen “Schweiz” oder “schweizerisch”, das Substantiv “mountain” werde mit Berg übersetzt und der von dem griechischen Wort Pharmakon stammende Zeichenbestandteil “Pharma” sei ein Synonym für “Arzneimittel”. Der Gesamtbezeichnung sei ausschließlich eine beschreibende Aussage zu entnehmen. Sie weise auf ein Arzneimittel-Unternehmen in der Schweizer Bergregion hin, das pharmazeutische Nahrungsergänzungsmittel herstelle, vertreibe oder entwickle, deren Inhaltsstoffe aus der Region der “Schweizer Berge” stammten. Insofern bringe es Inhalt, Art, Bestimmung, Eigenschaften und Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zum Ausdruck. Solchen schlagwortartigen Sachaussagen würden die angesprochenen Verkehrskreise keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft entnehmen. Eine Schutz begründende Mehrdeutigkeit sei dem Anmeldezeichen nicht zu entnehmen. Auch verhelfe die Binnengroßschreibung des Wortes “Pharma” der Anmeldung nicht zum Erfolg. Im Übrigen spiele es für die Schutzfähigkeit der Bezeichnung keine Rolle, ob diese lexikalisch nachweisbar sei.
21
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, bei der angemeldeten Bezeichnung “SwissmountainPharma” handele es sich um eine reine Phantasiebezeichnung. Die Schlussfolgerungen der Markenstelle würden sich auf die Beschreibung des Unternehmens, nicht aber auf eine Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beziehen. Zudem sei die Wortkombination mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Denn sie bestehe, wie der Schreibweise mit Großbuchstaben bereits zu entnehmen sei, nicht aus drei, sondern aus den zwei Begriffen “Swissmountain” und “Pharma”, wobei Erstgenannter als reiner Phantasiebegriff ungewöhnlich sei und der Wortfolge insgesamt die erforderliche Unterscheidungskraft verleihe.
22
Auf den Hinweis des Senats vom 17. Februar 2021 hat die Anmelderin und Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 5. Mai 2021 die Anmeldung mit Ausnahme für die Dienstleistungen der Klasse 43 zurückgenommen. Des Weiteren hat sie erklärt, dass sich ihre Beschwerde nur noch gegen die Zurückweisung der Anmeldung für diese Dienstleistungen richtet.
23
Sie beantragt nunmehr sinngemäß,
24
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2020 aufzuheben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen der Klasse 43 zurückgewiesen worden ist.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 17. Februar 2021 nebst Anlagen und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
26
Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Anmelderin hat im Umfang der weiterhin beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 43 auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung “SwissmountainPharma” als Marke steht in Verbindung mit diesen Dienstleistungen weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine unmittelbar beschreibende Angabe und ist nicht von einem engen beschreibenden Bezug zu den Dienstleistungen der Hotels, Bars, Restaurants, Hostels, Pensionen und Motels auszugehen.
27
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Kaleido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – Pippi Langstrumpf). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook). Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004, 428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, 1144 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57 – Flugbörse).
28
Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 23 – TOOOR!).
29
Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Bezeichnung für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen das für die Schutzgewährung erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
30
a) Bei den von den Dienstleistungen angesprochenen Verkehrsteilnehmern handelt es sich vornehmlich um die breiten Kreise der Endverbraucher.
31
b) Die angemeldete Bezeichnung besteht aus den englischen Wörtern “Swiss” und “mountain” für “Schweizer” oder “schweizerisch” bzw. “Berg” (vgl. Pons Großwörterbuch Englisch – Deutsch, 1. Auflage, Seiten 573 und 923). Der weitere sowohl in der deutschen als auch der englischen Sprache vorkommende Zeichenbestandteil “Pharma” ist die Abkürzung bzw. Teil der Begriffe “Pharmazeutika” bzw. “pharmaceuticals” im Sinne von Arzneimittel (vgl. “https://www.duden.de/rechtschreibung/Pharmazeutikum” und “https://de.pons.com”). In ihrer Gesamtheit bedeutet die angemeldete Bezeichnung soviel wie “Schweizer-Berg-Arzneimittel”.
32
c) Mit dem eben aufgezeigten Bedeutungsgehalt vermittelt die in Rede stehende Wortfolge keinen ausreichend engen beschreibenden Bezug zu den verbliebenen Dienstleistungen der Klasse 43.
33
Zwar gibt es nachweislich Berg-Arznei-Kräuter, Bergmedizin, sogenannte Alpenmedizin und insbesondere auch Naturheilmittel aus Heilkräutern der Schweizer Alpen, die Grundlage von Nahrungsergänzungsmitteln sein können. Allerdings werden diese regelmäßig nicht in Hotels, Bars, Restaurants, Hostels, Motels oder Pensionen angeboten. Selbst wenn dies beispielsweise im Rahmen von Diäten der Fall sein sollte, so werden die von ihnen erbrachten Verpflegungsdienstleistungen nicht durch Nahrungsergänzungsmittel charakterisiert. Dies gilt erst recht für solche, die “Schweizer-Berg-Arzneimittel” enthalten.
34
Des Weiteren ist in Betracht zu ziehen, dass insbesondere in Hotels häufig Wellnessanwendungen angeboten werden, hinsichtlich derer vorstellbar ist, dass sie auf “Schweizer-Berg-Arzneimittel” basieren oder in deren Rahmen entsprechende Präparate verabreicht bzw. verwendet werden. Um dem Anmeldezeichen diese Aussage zu entnehmen zu können, sind allerdings weitere Gedankenschritte erforderlich. Die “Dienstleistungen von Hotels; Dienstleistungen von Hotels, Bars und Restaurants; Beherbergung von Tourismus- und Urlaubsgästen in Hotels, Hostels und Pensionen; Beherbergung von Gästen in Hotels, Motels und Pensionen” sind in erster Linie auf die Beherbergung und Verpflegung von Gästen ausgerichtet. Bei den besagten Wellnessanwendungen – sofern sie denn überhaupt angeboten werden – handelt es sich demgegenüber um unselbständige Nebendienstleistungen.
35
Im Übrigen hat der Senat – auch im Rahmen einer Internetrecherche – keine Anhaltspunkte für anderweitige Zusammenhänge zwischen dem Begriff “SwissmountainPharma” und den Dienstleistungen der Klasse 43 ermitteln können. Insofern kann dem Anmeldezeichen keine eindeutige und ohne weiteres erkennbare Sachaussage entnommen werden kann. Damit weist es weder einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den besagten Dienstleistungen auf (vgl. auch BGH GRUR 2016, 934 Rn. 22 und 23 – OUI).
36
2. Da die angemeldete Bezeichnung aus oben genannten Gründen nicht geeignet ist, die weiterhin beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 43 unmittelbar zu beschreiben, ist auch das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu verneinen.
37
Demzufolge war der angefochtene Beschluss im beschwerdegegenständlichen Umfang aufzuheben.


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