Patent- und Markenrecht

26 W (pat) 526/21

Aktenzeichen  26 W (pat) 526/21

Datum:
28.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2019 025 250
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. April 2022 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge, des Richters Dr. von Hartz und der Richterin Dr. Rupp-Swienty
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. März 2021 in der korrigierten Form vom 22. März 2021 wird aufgehoben und das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 003 062 379 zu löschen.

Gründe

I.
1
Die Wortmarke
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Crux
3
ist am 7. November 2019 angemeldet und am 20. Dezember 2019 unter der Nummer 30 2019 025 250 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der
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Klasse 32: alkoholfreie Getränke;
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Klasse 33: alkoholische Getränke.
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Gegen diese Marke, deren Eintragung am 24. Januar 2020 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus ihrer Unionswortmarke
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CRUZ
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die am 24. Februar 2003 angemeldet und am 10. März 2004 unter der Nummer 003 062 379 in das beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) geführte Register eingetragen worden ist für Waren der
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Klasse 33: Weine, insbesondere Portwein.
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Mit Beschluss vom 15. März 2021 in der korrigierten Form vom 22. März 2021 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 33 des DPMA eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zwischen den Vergleichswaren der Klasse 33 bestehe weitestgehend Identität, weil sich die Widerspruchsprodukte unter den angegriffenen Oberbegriff der alkoholischen Getränke subsumieren ließen. Die von der jüngeren Marke beanspruchten alkoholfreien Getränke der Klasse 32 wiesen eine Ähnlichkeit zu den für die ältere Marke geschützten Waren „Weine, insbesondere Portwein“ der Klasse 33 auf. Zwar lägen verschiedene Vertriebswege vor, aber beide fielen unter den Oberbegriff der Getränke und begegneten sich z. B. bei der Herstellung von Mixgetränken. Trotz Warenidentität und -ähnlichkeit sowie durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hielten die Vergleichsmarken den erforderlichen deutlichen Abstand wegen Markenunähnlichkeit in jeder Hinsicht ein. Bei einer Gegenüberstellung der beiden Einwortmarken in ihrer Gesamtheit werde der Unterschied auch bei nur flüchtiger Aufnahme oder Wiedergabe nicht unbemerkt bleiben. Schriftbildlich unterschieden sie sich im jeweils vierten und letzten Buchstaben. Auch wenn das Hauptaugenmerk in der Regel auf dem Wortanfang liege, werde diese Abweichung wegen der Kürze der beiden Wörter nicht übersehen werden. Die klangliche Abweichung in solchen Kurzbegriffen, die aus einem Vokal und nur einer Silbe bestehen, werde ebenfalls nicht überhört werden, zumal die Endkonsonanten akustisch voneinander abwichen. Der deutlichste Unterschied bestehe im begrifflichen Vergleich, weil die Widerspruchsmarke im Spanischen „Kreuz“ bedeute, während „Crux“ als Ausdruck für seelischen Schmerz, ein großes Problem, die besondere Schwierigkeit einer Sache oder deren Knackpunkt stehe.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, bei den vorliegenden Markenkurzwörtern träten die Abweichungen nicht deutlich genug in Erscheinung. Deren klanglicher Gesamteindruck werde von der identischen Buchstabenfolge „cru“ geprägt, die aus einem kräftig ausgesprochenen „k“ einem markanten „r“ und einem deutlich hervortretenden Vokal „u“ bestehe. Die einzige Abweichung am Wortende bestehe in den Konsonanten „x“ [ks] und „Z“ [s oder ts], die aufgrund der hohen stimmlichen Ähnlichkeit durch den anklingenden „s“-Laut sehr ähnlich ausgesprochen würden. Dieser geringe Unterschied werde auch bei günstigen Übertragungsverhältnissen kaum auffallen, so dass die Vergleichsmarken sehr ähnlich seien. Der von der Markenstelle angenommene Bedeutungsgehalt sei weder belegt noch den betroffenen Verkehrskreisen geläufig. Ein Ausschluss der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt komme bei hochgradig klanglichen Übereinstimmungen nicht mehr in Betracht. Darüber hinaus werde eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Marke wegen intensiver Benutzung für einen Portwein geltend gemacht. Die Marke „Cruz“ bzw. „Porto Cruz“ sei mit 10 Millionen verkaufter Portweinflaschen die meistverkaufte Portweinmarke der Welt. Laut Statistik des Portweininstituts habe Deutschland im Jahr 2017 einen Anteil von 3,2 % am insgesamt vertriebenen Portwein gehabt. Verschiedene deutsche Online-Anbieter von Portweinen hätten in ihren produktbegleitenden Aussagen die herausragende Stellung der Widerspruchsmarke für Portwein bestätigt. Das Zeichen „Porto“ stehe dabei lediglich für die beschreibende Angabe „Portwein“. Augenscheinlich herausgehoben stehe allein die ältere Marke auf den abgebildeten Portweinflaschenetiketten.
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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom 15. März 2021 in der korrigierten Form vom 22. März 2021 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Eintragung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 003 062 379 zu löschen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Verfahren vor dem DPMA hat er die Auffassung vertreten, eine Verwechslungsgefahr sei wegen geringer Kennzeichnungskraft der älteren Marke, abweichender Schreibweise und großer klanglicher Unterschiede der Vergleichsmarken zu verneinen, weshalb es letztlich nicht darauf ankomme, dass „Weine“ und „alkoholfreie Getränke“ nicht ähnlich seien (EuG GRUR Int. 2009, 143 Rdnr. 90 – Coca Cola/HABM (MEZZOPANE). „CRUZ“ sei das spanische und portugiesische Wort für „Kreuz“, das vom deutschen Verbraucher auch in diesem Sinne verstanden werde und als Malteserkreuz prominent auf den Etiketten der Portweinflaschen der Widersprechenden abgedruckt sei. Kreuze als Symbol christlicher Orden würden bei alkoholischen Getränken in unterschiedlicher Gestaltung als Bild und Wort sehr oft auf Etiketten abgebildet, wie z. B. beim „Malteserkreuz Aquavit“, bei „Jägermeister“ und bei dem spanischen Rotwein „Cruz de Alba“. Allgemein bekannten grafischen Formen wie Kreuzen, Rechtecken oder Dreiecken fehle von Vornherein jegliche Unterscheidungskraft (BGH GRUR 2017, 730 Rdnr. 26 – Sierpinski-Dreieck). Beim Kreuz handele es sich daher um eines der abgegriffensten ornamentalen Bildzeichen, weshalb das ältere Markenwort nur schwach kennzeichnungskräftig sei. Hinzu komme, dass „CRUZ“ Bestandteil zahlreicher Orts- und Regionsbezeichnungen auf der ganzen Welt sei, wie z. B. „Puerto de la Cruz“ auf der spanischen Insel Teneriffa, das verkürzt „Puerto Cruz“ ausgesprochen werde, oder „Porto da Cruz“ in Portugal. Für „Santa Cruz“ gebe es im Online-Lexikon Wikipedia weit mehr als 100 Einträge. Daher werde das ältere Markenwort als Hinweis auf eine örtliche Herkunft verstanden. Dies gelte auch für das portugiesische Wort „Porto“, das nicht nur mit „Portwein“, sondern auch mit „Hafen“ übersetzt werde. Die phonetische Ähnlichkeit sei ebenfalls sehr gering. Während „CRUZ“ mit einem langen „u“ ausgesprochen werde und das „Z“ am Ende wie ein „s“ klinge, sei das „u“ in „Crux“ in der Aussprache sehr kurz und schwach wahrnehmbar und werde durch den harten Schlusslaut „x“ verdrängt. Da es sich um Kurzwörter handele, würden Abweichungen sowohl phonetisch als auch optisch als signifikant wahrgenommen. Der Buchstabe „x“ sei eine visuell markante Figur, deren Linienführung vollkommen anders aufgebaut sei als das „Z“ der Widerspruchsmarke. Die angegriffene Marke stelle mit dem „x“ auch eine grafische Verbindung zur Wortbedeutung „Kreuz“ her und weise damit ein charakteristisches Element auf, das der älteren Marke vollkommen fehle. Ferner verhalte sich die Widersprechende widersprüchlich, weil sie die vorliegende Unionsmarke am 24. Februar 2003 in Kenntnis der älteren deutschen, am 1. August 2000 zugunsten eines dritten Unternehmens für alkoholische Getränke der Klasse 33 eingetragenen Marke „CRUX“ (300 022 405) gar nicht hätte anmelden dürfen, wenn sie von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen wäre.
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Die Verfahrensbeteiligten sind mit gerichtlichem Schreiben vom 16. Februar 2022 darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde voraussichtlich Aussicht auf Erfolg haben werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
20
Zwischen der angegriffenen Wortmarke „Crux“ und der Unionswortmarke „CRUZ“ besteht Verwechslungsgefahr gemäß §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.: vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 41 – 43 – Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Les Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2021, 482 Rdnr. 24 – RETROLYMPICS; GRUR 2021, 724 Rdnr. 31 – PEARL/PURE PEARL m. w. N.).
22
1. Ausgehend von der hier maßgeblichen Registerlage können sich die Vergleichsmarken auf teilweise identischen sowie teilweise weit überdurchschnittlich und teilweise normal ähnlichen Waren begegnen.
23
a) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Art und Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2021, 724 Rdnr. 36 – PEARL/PURE PEARL; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 – ZOOM/ZOOM). Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu, während der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht zugemessen wird.
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b) Die Widerspruchswaren der Klasse 33 „Weine, insbesondere Portwein“ sind teilweise identisch mit den angegriffenen Produkten derselben Klasse, weil der dort aufgeführte Oberbegriff „alkoholische Getränke“ die Widerspruchswaren vollständig umfasst.
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c) Mit anderen alkoholischen Getränken, wie z. B. Spirituosen, weisen die für die Widerspruchsmarke geschützten „Weine, insbesondere Portwein“ eine weit überdurchschnittliche Ähnlichkeit auf, weil sie in ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart und ihrem Verwendungszweck übereinstimmen. Denn Weinbrände und Liköre werden auch von Winzereibetrieben hergestellt und angeboten. Zum Sortiment von Weinbaubetrieben gehören alle auf der Grundlage von Weintrauben erzeugten Getränke, insbesondere aber auch Weintraubenliköre (BPatG 26 W (pat) 524/17 – aurea/AURUM); 26 W (pat) 120/95 – DEUCE/CHAMPAGNE DEUTZ).
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d) Eine durchschnittliche Ähnlichkeit der Widerspruchsprodukte „Weine, insbesondere Portwein“ besteht zu den angegriffenen Waren „alkoholfreie Getränke“ der Klasse 32.
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aa) Die Vergleichswaren können gemeinsame Produktions- und Vertriebsstätten haben und bei Fruchtgrundlage in der stofflichen Beschaffenheit übereinstimmen. Denn Weine wie auch manche Fruchtsäfte werden aus Trauben hergestellt. Einige nichtalkoholische Fruchtgetränke enthalten ebenfalls Traubensaftbestandteile. Auch bei den sogenannten Fruchtweinen, wie z. B. Apfelwein, Cidre oder Birnenwein, wird für das Publikum der grundsätzliche Unterschied zwischen Weinen einerseits und Fruchtsäften und Fruchtgetränken andererseits verwischt (BPatG 26 W (pat) 219/93 – Balance/BALANZ). Weinbaubetriebe können neben Weinen mit und ohne Alkohol auch Traubensäfte herstellen und andere alkoholfreie Getränke anbieten (BPatG 26 W (pat) 211/95 – Flora/FLORA; 26 W (pat) 248/93 – TRESCH/Weingut Erbhof Tesch).
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bb) Ferner dienen die Kollisionsprodukte dem gleichen Bestimmungszweck (BPatG a. a. O. – Flora/FLORA) und ergänzen sich durch Vermischung. Es ist z. B. üblich, Wein und Mineralwasser zu Weinschorlen zu mischen (BPatG 26 W (pat) 577/10 – MOMO/MEMO; a. a. O. – Balance/BALANZ) oder aus Wein und Fruchtsaft fertige Weinmischgetränke, wie z. B. „Sangrìa“, herzustellen (Bergner/Lemperle, Weinkompendium, 2. Aufl. 1998, S. 190 ff., Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis; BPatG a. a. O. – aurea/AURUM).
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cc) Mineralwasser wird zudem als Alternative oder ergänzend zum Wein angeboten und konsumiert und auch die übliche Darreichungsform in Flaschen und Gläsern weist Ähnlichkeiten auf (BGH GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN; BPatG 26 W (pat) 520/14 – Finca del Toro).
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dd) Gegen eine weitergehende Ähnlichkeit spricht vor allem, dass sich die Verarbeitungsvorgänge zur Herstellung von Wein und alkoholfreien Getränken deutlich voneinander unterscheiden und selbst in Getränkemärkten und Discountern „alkoholfreie Getränke“ räumlich getrennt von Weinen präsentiert werden (BPatG a. a. O. – aurea/AURUM; 26 W (pat) 531/10 – Jetter/JESTER; a. a. O.– TRESCH/Weingut Erbhof Tesch).
31
e) Die vom Inhaber der angegriffenen Marke angeführte Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 18. Juni 2008 (GRUR Int. 2009, 143 Rdnr. 90 – The Coca-Cola Company/HABM [MEZZOPANE]), in der im Gegensatz zu der höchstrichterlichen (BGH a. a. O. – EVIAN/REVIAN) sowie der ständigen Rechtsprechung des BPatG eine Ähnlichkeit zwischen Wein und alkoholfreien Getränken verneint worden ist, entfaltet keine Bindungswirkung, weil das Recht der Unionsmarke ein autonomes, von nationalen Rechten unabhängiges System ist. Aber selbst wenn man dieses Urteil heranzieht, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn das EuG hat nicht berücksichtigt, dass es auch alkoholfreie Weine gibt, die von denselben Winzern hergestellt und angeboten werden und in den Weinabteilungen der Supermärkte und Discounter gemeinsam präsentiert werden (vgl. https://www.lidl.de/h/alkoholfreie-weine-sekte/h10006622; https://www.alkoholfreishop.de/alkoholfreier-wein; https://www.hawesko.de/alkoholfreier-wein; https://wirwinzer.de/weine/alkoholfreier-wein, Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis). Ferner produzieren und vertreiben Weinbaubetriebe seit langem neben Weinen auch alkoholfreie Getränke, wie z. B. Traubensäfte (BPatG a. a. O. – MOMO/MEMO; a. a. O. – Flora/FLORA; a. a. O. – Balance/BALANZ; a. a. O. – TRESCH/Weingut Erbhof Tesch). Insoweit verwischen die Grenzen nicht nur in Bezug auf den Produktbestandteil Alkohol, sondern auch in der übrigen stofflichen Beschaffenheit sowie in der betrieblichen Herkunft und im Vertrieb. Der Verwendungszweck weist ebenfalls weit mehr Überschneidungen auf, als der EuG angenommen hat. Denn entgegen der Ansicht des EuG können auch alkoholfreie Getränke als reine Genussmittel dienen, wie z. B. Fruchtsäfte und Limonaden. Der Umstand, dass alkoholische und alkoholfreie Getränke gesondert auf einer Speisekarte aufgeführt werden, sagt nichts über deren Warenähnlichkeit aus. Denn Aufbau und Gestaltung einer Speisekarte ist in das Belieben des jeweiligen Gastwirtes gestellt und hängt von der nicht zu berücksichtigenden Vermarktungssituation ab. Der EuG hat auch außer Acht gelassen, dass Wein und Mineralwasser beim Verbrauch häufig nebeneinander in der Weise in Erscheinung treten, dass Mineralwasser als Alternative oder ergänzend zum Wein – teilweise sogar mit Wein vermischt – angeboten und konsumiert wird und auch die übliche Darreichungsform Ähnlichkeiten aufweist (BGH a. a. O. – EVIAN/REVIAN).
32
2. Die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Vergleichswaren der Klassen 32 und 33 richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 RdNr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Windsurfing Chiemsee) als auch an den Getränkefachhandel und den Gastronomiefachverkehr.
33
Die Aufmerksamkeit des Publikums bei der Auswahl alkoholischer und alkoholfreier Getränke wird abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau entweder bei alltäglichen Massenartikeln gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein. Es kann daher insgesamt von keinem höheren als einem normalen Aufmerksamkeitsgrad ausgegangen werden (vgl. BPatG 26 W (pat) 520/14 – Finca del Toro; 26 W (pat) 60/16 – Spy Mountain/Spy; 26 W (pat) 524/17 – aurea/AURUM).
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3. Der Unionswiderspruchswortmarke „CRUZ“ kommt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
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a) Die Kennzeichnungskraft ist schon von Haus aus normal.
36
aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010, 1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchstabe a]; BGH GRUR 2020, 870 Rdnr. 41 – INJEKT/INJEX). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erkennbar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre Kennzeichnungskraft (BGH WRP 2015, 1358 Rdnr. 10 – ISET/ISETsolar; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 29 – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX).
37
bb) Der Begriff „Cruz“ ist das spanische und portugiesische Wort für Kreuz (Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis). Der inländische Durchschnittsverbraucher fasst die gleich lautende Widerspruchsmarke aber als Fantasiewort auf, weil er weder der spanischen noch der portugiesischen Sprache mächtig ist und deshalb diese Bedeutung nicht erkennt (vgl. BPatG 26 W (pat) 38/16 – Sueños/sueño). Diese Bedeutung ist aber auch dem angesprochenen Fachverkehr nicht geläufig. Zwar kann von den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen erwartet werden, dass sie regelmäßig in der Lage sind, eindeutig warenbeschreibende Angaben, die einer klassischen Welthandelssprache wie Italienisch, Spanisch oder Portugiesisch entstammen, zu verstehen (BPatG 26 W (pat) 575/16 – UNICO). Das Substantiv „Kreuz“ mit seinen unterschiedlichen Bedeutungen als grafisches Zeichen, beim menschlichen Körper, beim Kartenspiel, im Verkehrsbereich, in der Religion, in der Musik und in der Jägersprache (https://www.duden.de/rechtschreibung/Kreuz) eignet sich jedoch nicht als beschreibende Angabe für die Widerspruchswaren „Weine, insbesondere Portwein“. Nur in einem solchen Fall wäre die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geschwächt (vgl. BGH BlPMZ 2017, 22 Rdnr. 51 – Kinderstube; MarkenR 2017, 412 Rdnr. 19 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2014, 382 Rdnr. 18 – REAL-Chips; GRUR 2013, 833 Rdnr. 34 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040 Rdnr. 30 – pjur/pure).
38
b) Eine Kennzeichnungsschwäche ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Inhabers der angegriffenen Marke.
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aa) Die Verwendung von Kreuzabbildungen auf Etiketten von nur drei Produkten (Malteserkreuz Aquavit; Jägermeister, Rotwein Cruz de Alba) kann noch keine Kennzeichnungsgewohnheit bei alkoholischen Getränken begründen. Außerdem geht es vorliegend um eine Wort- und nicht um eine Bildmarke.
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bb) Bei „CRUZ“ handelt es sich auch nicht um eine erkennbare geographische Herkunftsangabe. „Cruz“ ist zwar der Name einer Gemeinde in Brasilien und einer Gemeinde in Portugal (https://de.wikipedia.org/wiki/Cruz, Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis), was dem überwiegenden Teil des angesprochenen Verkehrs aber nicht geläufig ist. Die bekannteren geographischen Angaben „Santa Cruz“, „Porto da Cruz“ und „Puerto de la Cruz“ enthalten alle Zusätze und nicht die Widerspruchsmarke in Alleinstellung.
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cc) Die Rechtsprechung des BGH zum „Sierpinski-Dreieck“ (GRUR 2017, 730) befasst sich mit der Frage der markenmäßigen Benutzung von Bildmarken in einfachen geometrischen Formen und nicht mit Wortmarken, die eine bestimmte Form nur sprachlich bezeichnen.
42
c) Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung ist weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht worden oder ersichtlich.
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aa) Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie ggf. zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (st. Rspr.: EuGH GRUR 2005, 763 Rdnr. 31 – Nestlé/Mars; GRUR 2017, 75 Rdnr. 29 – Wunderbaum II; BGH GRUR 2008, 903 Rdnr. 13 – SIERRA ANTIGUO). Die erhöhte Kennzeichnungskraft muss bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke bestanden haben (BGH GRUR a. a. O. Rdnr. 13 f. – SIERRA ANTIGUO, GRUR 2020, 870 Rdnr. 22 – INJEKT/INJEX) und im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen (BGH a. a. O. – INJEKT/INJEX; GRUR 2019, 1058 Rdnr. 14 – KNEIPP). Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung ist von der Widersprechenden darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit die Benutzungslage nicht im Einzelfall amts- oder gerichtsbekannt ist (BGH GRUR 2006, 859 Rdnr. 33 – Malteserkreuz; BPatG 25 W (pat) 506/16 – Fireslim/Fire; GRUR-RR 2015, 468, 469 – Senkrechte Balken). Auch bei einer Unionsmarke kommt es dabei auf das Verkehrsverständnis im Kollisionsgebiet an, hier also auf das Verkehrsverständnis in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 24 – OXFORD/Oxford Club; GRUR 2013, 1239 Rdnr. 67 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).
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bb) Vorliegend fehlen konkrete Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke, jeweils bezogen auf Deutschland, vor dem maßgeblichen Anmeldezeitpunkt, dem 7. November 2019. Weder der weltweite Umsatz noch der deutsche Abnehmeranteil von Portwein allgemein noch die Werbeerklärungen von zwei Online-Weinhändlern sind insoweit aussagekräftig. Ferner beziehen sie sich auf die Kennzeichnung „Porto Cruz“ und nicht auf die Widerspruchsmarke in Alleinstellung.
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Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, weil auch eine (nur) durchschnittliche Kennzeichnungskraft zur Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreicht.
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4. Der bei teilweise identischen, teilweise weit überdurchschnittlich ähnlichen und teilweise durchschnittlich ähnlichen Vergleichswaren, normaler Kennzeichnungskraft der älteren Marke und einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad gebotene deutliche Abstand zur angegriffenen Marke wird wegen durchschnittlicher schriftbildlicher und überdurchschnittlicher klanglicher Markenähnlichkeit nicht mehr eingehalten.
47
a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2020, 52 Rdnr. 48 – Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2021, 482 Rdnr. 28 – RETROLYMPICS), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rdnr. 60 – Aceites del Sur-Coosur [La Espagnola/Carbonelle]; BGH a. a. O. Rdnr. 28 – RETROLYMPICS). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (EuGH a. a. O. – Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; BGH a. a. O. – RETROLYMPICS).
48
b) Es stehen sich die beiden Markenkurzwörter „Crux“ und „CRUZ“ gegenüber, die sich nur im Endbuchstaben bzw. Schlusslaut unterscheiden.
49
aa) Zwar kann die Abweichung in einem Laut bzw. Buchstaben den Gesamteindruck eines Kurzwortes im Verhältnis stärker beeinflussen als den eines längeren Markenwortes (BPatG 29 W (pat) 587/17 – neo/NAO; 25 W (pat) 104/12 – Talo/tilo; 26 W (pat) 324/03 – WELT/WEST). Dieser Erfahrungssatz ist aber weder isoliert zu betrachten noch verallgemeinernd oder schematisch anzuwenden, sondern im Hinblick auf die Auswirkung der Abweichung auf den Gesamteindruck zu prüfen und entsprechend zu gewichten (vgl. BGH GRUR 2004, 783 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX m. w. N.). Bei weitgehenden Übereinstimmungen im Übrigen kann nicht einmal eine Abweichung am Wortanfang die Verwechslungsgefahr regelmäßig ausschließen (vgl. BGH GRUR 1974, 30, 31 – Erotex/Protex; GRUR 1982, 611, 613 – Prodont; BPatGE 6, 141 – ZEA/Teo; 6, 247 Kawoti/Sarotti; GRUR 1996, 496, 499 – PARK/LARK; GRUR 1997, 287, 289 – INTECTA/tecta; Mitt. 1970, 193, 194 – REA/ZEA; BPatG 33 W (pat) 203/02 – REDI/Wedi). Vielmehr müssen auch bei solchen Kurzwörtern die Abweichungen in jeder Richtung deutlich in Erscheinung treten (vgl. BGH GRUR 1957, 499, 502 – Wipp; BPatG Mitt 1970, 193, 194 – REA/ZEA; 26 W (pat) 204/94 – FOX/FOG; BPatG 26 W (pat) 14/96 – ON/WON). Denn bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (st. Rspr.: BGH GRUR 1998, 924, 925 salvent/Salventerol m. w. N.; GRUR 2003, 1044, 1046 – Kelly; a. a. O. – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
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bb) Eine zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit liegt im Schriftbild vor. Denn die Vergleichsmarken „Crux“ und „CRUZ“ stimmen schriftbildlich in den ersten drei von vier Buchstaben und damit am stärker beachteten Wortanfang überein. Neben der etwas abweichenden Umrisscharakteristik der älteren Marke aufgrund der Oberlängen der verwendeten Majuskeln „RUZ“ besteht ein weiterer Unterschied im jeweils letzten Buchstaben „x“ und „Z“, weil das Schriftzeichen „x“ über zwei sich kreuzende Diagonalen verfügt, während der Letter „Z“ aus einer Diagonalen und zwei Querlinien gebildet wird. Dieser Unterschied wird aber dadurch optisch abgeschwächt, dass in beiden Buchstaben eine Diagonale in gleicher Richtung verläuft. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß präziser wahrgenommen werden, überwiegen die Übereinstimmungen derart, dass eine Verwechslung zu befürchten ist.
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cc) Klanglich besteht sogar eine hohe Markenähnlichkeit. Die Vergleichsmarken stimmen am stärker beachteten Wortanfang in den ersten drei – von vier – Lauten, in der Silbenzahl, im einzigen Vokal, in einem Konsonanten sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus vollständig überein. Die Identität im einzigen Vokal ist bei der klanglichen Wiedergabe sogar von besonderer Bedeutung. Der Umstand, dass es sich bei der einzigen Abweichung in den Schlusslauten in beiden Fällen jeweils um klangstarke Konsonanten und stimmlose Frikative bzw. Zischlaute handelt, bewirkt eine weitere phonetische Übereinstimmung. Dies gilt auch für die Aussprache.
52
aaa) Die angegriffene Marke wird [krʊks] ausgesprochen, d. h. der Buchstabe „x“ wird klanglich wie „ks“ wiedergegeben (BPatG 27 W (pat) 137/10 – DUX/DOC’S).
53
bbb) Die Widerspruchsmarke wird entweder deutsch „kruts“ oder in Anlehnung an ihre spanische bzw. portugiesische Herkunft wegen des bekannten Ortes „Santa Cruz“ oder der weltberühmten Schauspielerin „Penélope Cruz“ [ˈkɾus] ausgesprochen.
54
ccc) Bei deutscher Aussprache der Vergleichsmarken werden beide Schlusslaute kurz und hart ausgesprochen. Aber auch bei fremdsprachiger Aussprache der älteren Marke treten das nur geringfügig längere Verweilen auf dem Vokal und das nur wenig weicher ausgesprochene „s“ nicht derart markant in Erscheinung, dass dieser geringfügige Unterschied auch bei günstigen Übertragungsverhältnissen auffällt. Diese Abweichung im Schlusszischlaut beider Markenwörter am weniger beachteten Wortende tritt gegenüber den weitreichenden Übereinstimmungen nicht so deutlich hervor, dass sie die Gesamtstruktur beider Markenwörter im Klangbild wesentlich beeinflussen könnte (BPatG 29 W (pat) 513/20 – paq/PAX; 30 W (pat) 190/05 – Digix/digits).
55
dd) Eine Verwechslungsminderung durch einen abweichenden Sinngehalt der angegriffenen Marke kommt nicht in Betracht.
56
aaa) Das lateinische Wort „Crux“ bedeutet wie die fremdsprachige Widerspruchsmarke „Kreuz“ (DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl. 1999, S. 2294, Anlage 5 zum gerichtlichen Hinweis). Allerdings kann die Kenntnis toter Sprachen wie Latein oder Altgriechisch den inländischen Verkehrskreisen nicht unterstellt werden, sofern sie nicht mit identischer Bedeutung in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind oder die tote Sprache auf dem entsprechenden Sektor als Fachsprache verwendet wird, wie z. B. in der Medizin oder Botanik (EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 25 – 31 – PRANAHAUS; BPatG 25 W (pat) 87/14 – Universum; 30 W (pat) 539/10 – CANTUS VERLAG; 27 W (pat) 137/10 – DUX/DOC’S). Da dies im Wein- und Getränkehandel nicht der Fall ist, wird der Begriffsgehalt „Kreuz“ der jüngeren Marke nicht erfasst.
57
bbb) Allerdings hat das selten verwendete Wort „Crux, Krux“ auch die in die deutsche Sprache eingegangenen Bedeutungen „Last, Kummer, Leid, Schwierigkeit“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Krux), die den inländischen Verkehrskreisen bekannter sind.
58
ccc) Eine Verwechslungsminderung durch einen abweichenden Sinngehalt der angegriffenen Marke scheidet aber schon wegen der überdurchschnittlichen phonetischen Ähnlichkeit der Vergleichsmarken aus. Denn bei hochgradig klanglichen Übereinstimmungen wie hier kommt ein Ausschluss der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt regelmäßig nicht mehr in Betracht, da der Verkehr die Vergleichsmarken infolge des Verhörens von Vornherein identisch wahrnehmen kann, und so die Markenwörter nicht mehr anhand eines unterschiedlichen Sinngehalts voneinander abzugrenzen vermag (vgl. EuGH MarkenR 2011, 22 Rdnr. 47 – Clina/CLINAIR; BGH GRUR 1986, 253, 255 – Zentis; BPatG 29 W (pat) 537/15 – qonsense/conlance; 27 W (pat) 208/05 – Chrisma/CHARISMA).
59
5. Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke vorträgt, die Widersprechende verhalte sich widersprüchlich, weil sie die vorliegende Unionswortmarke am 24. Februar 2003 in Kenntnis der älteren deutschen, am 1. August 2000 zugunsten eines dritten Unternehmens für alkoholische Getränke der Klasse 33 eingetragenen Marke „CRUX“ (300 022 405) gar nicht hätte anmelden dürfen, kann dieser Einwand im Widerspruchsverfahren nicht berücksichtigt werden. Der Widerspruch kann nur auf die im Markengesetz abschließend aufgeführten relativen Schutzhindernisse gestützt werden (BPatG 26 W (pat) 2/14 – WEINHANDLUNG MÜLLER/Weinhandlung Müller).
III.
60
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind nicht gegeben.

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